THW-Logo
12.07.2013 Mannschaft / Medien

"Handball-Magazin": Dule macht sein Ding

Am 17. Juni veröffentlichte der THW, dass Domagoj Duvnjak, Bundesliga-Spieler der Saison 2012/13, ab 2014 im Zebra-Trikot auflaufen wird (siehe Bericht). Aber wie tickt Duvnjak? Frank Heike stellte im "Handball-Magazin" 03/2013 den sympathischen Kroaten vor, als sein Wechsel zum THW noch nicht bekannt war:
Aus dem "Handball-Magazin" 03/2013, von Frank Heike:

Das "Handball-Magazin" im Internet.
Klicken Sie für weitere Infos! Das "Handball-Magazin" im Internet.
Der Kroate Domagoj Duvnjak spielt auf einem Level mit Stars wie Karabatic, Jicha und Hansen. Letzteren könnte der 24-Jährige bald täglich erleben - wenn er dem Pariser Werben erliegt und den HSV Hamburg verlässt.

Das Gespräch mit dem Reporter von "EHF TV" war eine echte Herausforderung. Nicht wegen der Kälte draußen an der Alster oder wegen der Fragen - die waren so zahm, wie es sich für den europäischen Handball-Haussender gehört. Aber der Dialekt des Kollegen aus Wien hat Domagoj Duvnjak vor hohe Hürden gestellt. "Am Ende habe ich ihn ein bisschen verstanden", sagt Duvnjak lachend. Bevor es auf Hochdeutsch weitergeht, holt er sich noch einen Kaffee in der Geschäftstelle des HSV Hamburg. Keinen modischen Latte Macchiato. Bohnenkaffee aus der Maschine tut es auch. Schwarz.

Domagoj Duvnjak ist ein vielgefragter Mann in diesen Wochen. Das liegt zum einen an seiner Rolle in der kroatischen Nationalmannschaft - er spielte eine überragende Weltmeisterschaft in Spanien und erhielt das Prädikat des wertvollsten Akteurs im zentralen Rückraum. Zum anderen ranken sich Gerüchte um seine Zukunft. Wohin geht der beste Regisseur der Bundesliga? Paris, Veszprem? In Hamburg bleiben? Duvnjak ist ein fröhlicher und höflicher Zeitgenosse. Er sieht gar keinen Anlass, auf unangenehme Fragen genervt zu reagieren. Aber er bittet um Verständnis: "Ich weiß wirklich nicht, was passiert. Ich habe noch einen Vertrag bis 2014, ich fühle mich sehr wohl in Hamburg beim HSV. Aber es ist Profisport, da kann man schlecht etwas voraussagen." Man könne gern seine Berater anrufen, die Herren Jarek und Grachovac, sagt Duvnjak freundlich. Die Kroaten beraten ihn seit Jugendtagen. "Sie kümmern sich um alles, ich will nur Handball spielen", sagt er. Aber er muss doch eine eigene Meinung haben, als mündiger Spieler. Da lächelt Domagoj Duvnjak sein unschuldigstes Lächeln.

Der HSV in Person von Trainer Martin Schwalb und Präsident Matthias Rudolph tut derzeit das menschenmögliche, um Duvnjak über 2014 hinaus zu halten. Sie würden seinen Vertrag sofort bis 2017 verlängern. Aber es ist ein zähes Ringen.

Duvnjak ist der wichtigste Pfeiler beim neuen HSV, der sich Stück für Stück verjüngen will und dabei auf ihn als Schlüsselspieler setzt. Wenn Schwalb über Duvnjak spricht, gerät er ins Schwärmen. Übersicht, Torgefahr, Einsatzwillen, Entschlussfreudigkeit, Herz, alles bekomme man von ihm. "Wir müssen nur sehen, dass wir ihn nicht verheizen", sagt Schwalb und denkt an seine Einsätze im kroatischen Trikot. Da wäre nach seinem Geschmack weniger mehr.

Längst gilt der sympathische Kerl, der dem RK Zagreb 2009 für eine Million Euro abgekauft wurde, als bester Transfer der Vereins - geschichte. Das hat viele Gründe. Einer davon ist, dass Duvnjak als ziemlich fertiger Spieler kam. In der Abwehr musste Schwalb nachjustieren - sehr zur Freude des Spielers: "Für mich ist Handball Abwehr und Angriff. Ich habe hier vom ersten Training an beides gemacht." Ein zweiter wichtiger Grund ist die Fitness des 24 Jahre alten Profis. Ganz selten nur fällt Duvnjak aus. Die Gene, sagt er, und wohl auch Glück.

Darüber hinaus sind es sein ausgeprägtes Spielverständnis und sein Köpfchen, die ihn vor den schlimmsten Zusammenstößen bewahren. Wo andere durch die Wand wollen, spielt Duvnjak ab oder wirft überraschend früh. "Ich bin nicht so stark", sagt er und deutet auf seinen Oberkörper, der in einem älteren, grünen T-Shirt steckt. "Ich will nicht immer in Kontakt gehen." Mehr Krafttraining würde beim Muskelaufbau helfen. Aber Duvnjak will Handball spielen. Nicht kämpfen. Und die Hanteln im Fitnessstudio sind auch nicht so sein Ding.

Trotzdem kommt er gut durch die Tortur, die der Handballkalender für ihn bereit hält. Duvnjak dürfte der 2012 am meisten belastete Profi sein: Bundesliga, DHB-Pokal, Champions League mit dem HSV in der Rückrunde 2011/12. Für Kroatien die EM in Serbien, das Olympia-Qualifikationssturnier, die Olympischen Spiele und die Quali zur EM 2014. Dann mit Beginn der Serie 2012/13 wieder die üblichen Einsätze mit Hamburg plus Champions-League-Qualifikationsturnier. Duvnjak stöhnt. Etwa 90 Partien sind das gewesen, und meist stand er von Beginn an auf dem Parkett. Richtig platt war er dabei vor allem in einem Spiel. Leider in einem sehr wichtigen. Gegen Dänemark im WM-Halbfinale war es, als hätte jemand den Stecker gezogen. Duvnjak hatte Fieber. Er schlief am Spieltag bis 14 Uhr, quälte sich hoch. Bekam eine Schmerzspritze. Und kroch nach 35 Minuten nur noch über das Feld. "Es war schade, weil wir im Viertelfinale gegen Frankreich so gut waren", sagt er. "Aber ich konnte einfach nicht mehr." Wieder blieb das geliebte Heimatland ohne Titel.

Vorbei, vergessen. Nun geht die Hatz für den HSV weiter, und er wirkt tatenhungrig und austrainiert. Duvnjak schwört auf Regeneration. Und zwar auf seine Art: Er ist ein Schlaf-Liebhaber. Er lacht. "Ich schlafe immer, wenn es geht - und so viel wie möglich." Mit dieser simplen Methode bleibt Duvnjak frisch für die Saison mit Spielen im Drei-Tage-Rhythmus. Er beklagt das im Übrigen nicht. Es sei Profisport, das Geld, das im System stecke, verlange nun mal, dass die Hauptdarsteller alle drei Tage auf der Matte stünden. Schlimm, ermüdend, kräftezehrend seien indes die Reisen und die immergleiche Routine aus Flug, Bus, Hotel, Halle. Duvnjak schaut meistens Filme auf dem Laptop, um die Zeit totzuschlagen.

In Dakovo - 250 Kilometer von Zagreb entfernt - aufgewachsen, blieb ihm sozusagen nichts anderes übrig, als Handball zu spielen. Vater, Mutter, Schwester, alles begeisterte Handballer. Als Sieben - jähriger begann damit auch "Dule", wie ihn alle nennen - Domagoj sagt nur die Frau Mama, wenn sie böse auf ihren Filius ist. Der Onkel war sein Trainer, die Cousins seine Vorbilder. So begann eine Karriere, die frühe Höhepunkte hatte: Schon als Jugend- und Juniorenspieler war deutlich, welch überragender Akteur Duvnjak war. Schnell, clever, im Wurf variantenreich. Nach dem Abitur setzte er dann ganz auf die Karte Profihandsball. Auf dem Gymnasium eignete er sich die Grundkenntnisse in Deutsch an, die ihm als Basis für das weitere Erlernen der Sprache in Hamburg dienten.

Beim HSV Hamburg gehen alle ihrer Wege. Duvnjak will das nicht kritisieren

Dass er in einer Leistungsklasse mit Mikkel Hansen, Nikola Karabatic, Daniel Narcisse oder Filip Jicha spielt, mag er immer noch nicht wahr haben. "Ich fühle mich nicht als Star. Ich bin doch noch so jung!", sagt er fast anklagend. Wenn er durch seinen Wohnort Winterhude läuft oder mit der Freundin dort Kaffee trinkt, bleibt er unerkannt. Das ist in Kroatien anders. Die Handballer sind Nationalheiligtum. Und wie alle kroatischen Kollegen liebt es Duvnjak, für sein Land zu spielen: "Ich verdiene hier mein Geld, der HSV ist mein Arbeitgeber. Aber es geht nichts über einen Einsatz für Kroatien." Der Zusammenhalt, der Spaß und die Frotzeleien, wenn sich die Kroaten treffen, das sei unvergleichlich, sagt Duvnjak. Hier sieht er auch den größten Unterschied zu Deutschland. In Kroatien sitze man nach jedem Training noch drei Stunden gemeinsam im Cafe, lese Zeitung und plaudere, sagt Duvnjak. Beim HSV gehen alle ihrer Wege, wenn die Übungseinheiten vorbei sind. Er will das nicht kritisieren. Es sei einfach eine andere Mentalität.

Die Zeit drängt, das 16-Uhr-Training steht bevor. Durch die Scheibe zur Halle kann man Oscar Carlen sehen. Der Schwede bereitet sich intensiver als jeder andere auf die Übungseinheit vor, sein Comeback soll bald erfolgen. Duvnjak wiegt den Kopf, zieht die Stirn kraus. "Oscar ist so ein super Typ und eine echte Maschine. Aber wenn man Pech hat, nützt das nichts. Zwei Kreuzbandrisse nacheinander, ich wäre verrückt geworden", sagt Duvnjak zur Leidensgeschichte des Kollegen. Er scheint zu wissen, dass zu einer Laufbahn, wie er sie gerade hinlegt, auch viel Glück gehört.

Aber er hat auch den nötigen Schuss Lässigkeit, die Dinge des Lebens nicht allzu sehr zu hinterfragen. Das übernächste Spiel, die Pokalendrunde, das Achtelfinale der Champions League - über so etwas denkt Domagoj Duvnjak nicht nach. "Das nächste Training und maximal das nächste Spiel", sagt er, das zähle für ihn. Seine neue Rolle beim HSV, die große Verantwortung beim Bau einer Mannschaft ohne Lijewski, Vori, Lackovic und bald auch Hens voranzugehen? Das Gesicht des HSV zu sein? Duvnjak lächelt unschuldig: "Ich bin ein Sportler, ich kann mir nicht über alles Gedanken machen." Auch nicht darüber, dass in Vori der Freund und Mentor nach Paris geht, der Mann, der ihm gerade am Anfang der gemeinsamen Hamburger Zeit so viel half? Duvnjak sagt: "So ist Sport. Ich wünsche Igor alles Gute."

Was er auf jeden Fall weiß, ist, dass er an diesem Abend Handball schauen will. Wetzlar gegen die Rhein-Neckar Löwen. "Ich gucke jedes Spiel. Ich schaue eigentlich jeden Sport. Auch wenn meine Freundin das nicht versteht", sagt er, verabschiedet sich höflich, geht in die Halle und bolzt ein bisschen mit Pascal Hens. Der ist auf Reisen sein Zimmergenosse.

(Von Frank Heike, aus dem "Handball-Magazin" 03/2013)


(12.07.2013) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite