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23.08.2001 Bundesliga

Neue Regeln: Noka Serdarusic hat Bedenken

Serdarusic: "Eine total praxisferne Entscheidung"

Am 7. September startet die Handball-Bundesliga-Saison 2001/2002 mit diversen Regeländerungen, die von der EHF verabschiedet wurden. Einige dieser neuen Regeln werden von THW-Trainer Noka Serdarusic in einem Interview mit den Kieler Nachrichten als "praxisfern" eingestuft.
Kieler Nachrichten:
Herr Serdarusic, gut zwei Wochen noch bis zum Saisonstart, sind die Zebras bereit?
Noka Serdarusic:
Aller Anfang ist schwer. Wir haben sieben Neue zu integrieren, das dauert. Im Angriff sieht es bereits ganz ordentlich aus, in der Abwehr kneift's dagegen noch gewaltig. Aber wir haben noch Zeit, Endgültiges läßt sich jetzt nicht sagen.
Kieler Nachrichten:
In den Vorbereitungsspielen haben die Schiedsrichter die neuen Regeln angewendet. Welche ersten Erfahrungen haben Sie gesammelt?
Noka Serdarusic:
Die Regel mit der schnellen Mitte erscheint mir als ein guter Versuch, den Handball schneller und damit attraktiver zu gestalten. Skeptisch bin ich mit der Neuerung, daß schon Siebenmeter gepfiffen werden sollen, wenn ein Spieler in den freien Raum will, daran aber gehindert wird. Da sind der Schauspielerei und dem Zufall Tür und Tor geöffnet.
Kieler Nachrichten:
Und was halten Sie von der Strafzeiten-Reform?
Noka Serdarusic:
Schrecklich. Wenn ein Spieler eine Zwei-Minuten-Strafe erhält und auch nur mit dem Kopf schüttelt, kommt eine weitere Zeitstrafe drauf, er muß also vier Minuten abkühlen. Auch wenn Trainer oder Betreuer auf der Bank ihr Mißfallen äußern, gibt es eine Zeitstrafe, die ein Spieler abzusitzen hat. Selbst wenn sich die Sportler einen Tennisball in den Mund stecken, es hilft es nichts. Sie schütteln mit dem Kopf - und sind draußen. Absicht ist, alles ruhig zu stellen. Aber die Macher der Regeln vergessen, daß die Zuschauer in die Hallen kommen, um Dynamik, Hektik und Dramatik zu erleben, das macht den Reiz unseres Sports auch aus.
Kieler Nachrichten:
Wer ist verantwortlich für diese Regeln?
Noka Serdarusic:
Funktionäre. Der Weltverband hat sie festgelegt und für alle zwingend vorgeschrieben. Angeblich sollen auch die Trainer der Bundesliga und anderer Länder bei der Entscheidungsfindung eingebunden worden sein. Mit mir hat keiner gesprochen, und ich kenne keinen Kollegen, der beteiligt war. Ich glaube, das haben die Funktionäre im Alleingang gemacht nach dem Motto: Alle Macht den Schiedsrichtern. Ich kann damit leben. Aber die Spieler, die zwischen 20 und 30 sind, im Spiel schwitzen, hohen Blutdruck und Puls haben, wie sollen die sich abreagieren? Da ist wieder eine total praxisferne Entscheidung gefallen. So etwas gibt es in keiner anderen Ballsportart.
Kieler Nachrichten:
Wie lange haben die Regeln Gültigkeit?
Noka Serdarusic:
Mindestens bis Olympia 2004. Eigentlich müssten die Spieler auf die Barrikaden gehen, eine Spielergewerkschaft oder sonst was gründen. Aber große Hoffnungen kann man sich nicht machen, daß etwas zurückgenommen wird. Selbst wenn die Halle tot ist, ändert sich nichts. Schade für den Handball.
(Interview: Reimer Plöhn, entnommen den Kieler Nachrichten vom 23. August 2001)

Die neuen Regeln

Hier eine Zusammenfassung einiger wichtiger Regeländerungen:
Siebenmeter bei Hinderung der Ballannahme
Künftig wird ein Siebenmeter gegeben, wenn der Spieler, der gerade den Ball bekommen soll, an der Ballannahme durch Foul gehindert wird. Dies gilt insbesondere für Spieler, die in den Kreis zum Kempa-Trick springen und dann gefoult werden.
Vier-Minuten-Strafe
Verhält sich ein Spieler, der gerade eine Zwei-Minuten-Strafe erhalten hat, unsportlich, bevor das Spiel wieder aufgenommen wird, dann wird eine zusätzliche Zwei-Minuten-Strafe gegen den Spieler verhängt. Dies Vier-Minuten-Strafe gilt auch, wenn er auf dem Weg nach draußen eine Disqualifikation erhält.
Zeitstrafe gegen die Bank
Auch Mannschaftsoffizielle und Spieler können nun auf der Bank eine Zeitstrafe erhalten. Die Mannschaft auf dem Spielfeld muß dann für diese Zeit mit einem Spieler weniger auskommen.
Team Time-Out (Auszeit)
Ein Team Time-Out kann nun immer dann angefordert und zugesprochen werden, wenn die Mannschaft im Ballbesitz ist.
Betreten des Spielfeldes von Offiziellen/Spielern
In einer Verletzungspause dürfen nur noch zwei Offizielle/Spieler (nur) aus der betroffenen Mannschaft das Spielfeld betreten. Kein anderer darf das Spielfeld betreten.
Kein Schiedsrichterball mehr
Berührt der Ball die Decke, wird der Mannschaft ein Freiwurf zugesprochen, deren Spieler den Ball zuletzt nicht berührt haben.
Schnellerer Anwurf
Der Anwerfer muß nicht mehr genau in der Mitte stehen (Toleranz 1,5 Meter nach links und rechts), zudem dürfen sich seine Mitspieler gleich nach dem Anpfiff des Schiedsrichters bewegen.
Kein Siebenmeter mehr bei Rückgabe an Torwart
Spielt ein Spieler den Ball in den eigenen Kreis zurück und berührt der Torwart den Ball, gibt es nur noch Freiwurf und nicht mehr Siebenmeter.
Kein Vorrecht des Feldschiedsrichters mehr
In Unstimmigkeiten im Schiedsrichtergespann hat der Feldschiedsrichter nun i.A. kein Vorrecht mehr, stattdessen soll sich das Schiedsrichtergespann auf eine gemeinsame Entscheidung einigen.
Weitere ausführliche Informationen finden Sie unter untenstehendem Link:


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