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26.11.2001 Mannschaft

Dr. Brandecker - Die Gesundheit der Zebras fest im Blick

Dr. Detlev Brandecker  -  seit 13 Jahren im Dienst des THW.
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Die neue Bundesligaserie hatte noch nicht einmal begonnen, da plagten den THW Kiel schon erste Personalsorgen. Dabei hatten Manager Uwe Schwenker und Trainer Noka Serdarusic zuvor entgegen alter Gewohnheit fast schon in ganz großem Stil auf dem Transfermarkt zugeschlagen: Drei Abgängen standen zunächst sechs Neuverpflichtungen gegenüber, später folgten mit Sören Haagen und Julio Fis die Zugänge sieben und acht. Doch trotz nunmehr nominell 17 Akteuren muß Serdarusic auf der Bank und nicht zuletzt auch auf der Platte die ein oder andere Lücke schließen. Die Zebraherde ist schlichtweg vom langfristigen Verletzungspech verfolgt.
Daß die Zebraherde bereits so früh in der Saison so arg gebeutelt ist, beruht auf bitterem Zufall. Mannschaftsarzt Dr. Detlev Brandecker erläutert: "In der Vorbereitung und im weiteren Trainingsverlauf wurde konsequent und gewissenhaft gearbeitet. Die momentanen Verletzungen sind wirklich Pech. Die einzelnen Entstehungsgeschichten belegen dies." So mußten sich Neuzugang Piotr Przybezki (Kreuzbandriß und Anriß des Außenbandes) in einem der letzten Testspiele vor Saisonstart und Nikolaj Jacobsen (Meniskusquetschung und Knorpelstauchung) beim Bundesligaauftakt in Frankfurt jeweils nach Sprungwürfen mit Gegnerkontakt und daraus resultierender unkontrollierter Landung zwangsweise längerfristig vom Spielgeschehen abmelden. Christian Scheffler verhakte sich im Spiel gegen Schwerin derart unglücklich im Trikot seines Gegenspielers, daß er sich den Finger auskugelte. Torwart Steinar Ege startete nach überstandener Knieoperation (Knorpelschaden) noch gar nicht in das Mannschaftstraining.

Auch das Praxis-Team ist voll auf den THW eingestellt.
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"Durch diese Langzeitverletzungen ist der ohnehin kleine Kader noch einmal erheblich dezimiert worden. Und das hat seine Folgen", sagt Dr. Brandecker. "Jetzt müssen wir ganz besonders aufpassen, daß bei den verbleibenden Spielern aufgrund der hohen Anforderungen im Trainings- und Spielbetrieb keine Überbelastungen auftreten." Trainer und Betreuer sind in Zusammenarbeit mit dem Arzt gefordert, etwaige Anzeichen bei den Sportlern frühzeitig zu erkennen. Doch Dr. Brandecker weiß auch, daß es keine standardisierten Tests gibt, ob es mit der Belastbarkeit tatsächlich bergab geht. "Die Spieler sind Profis mit entsprechender Einstellung. Sie wollen immer ihr Bestes geben. Deswegen müssen sie selbst in sich hinein horchen und auf ihren Körper hören."

Die Diagnostik eines Überlastungszustandes basiert in der Praxis derzeit auf folgenden Befunden: Das "Auge" des Trainers bzw. Betreuers, das bei Spitzensportlern gelegentlich auch durch ein "gutes Belastungsgefühl" ersetzt wird, erkennt frühzeitig eine Verschlechterung der Leistungsfähigkeit im Training bzw. der Technik. Das regelmäßige Erfragen von typischen Befindlichkeitsstörungen unterstützt die Diagnostik. Im Vordergrund steht dabei das Gefühl einer chronisch müden Arbeitsmuskulatur ("schwere Beine").

Für den sportlichen Erfolg des Handballspielers ist eine entsprechend entwickelte psychomotorische Leistungsfähigkeit entscheidene Voraussetzung, um auf die komplexen, ständig wechselnden Spielsituationen möglichst schnell und richtig reagieren zu können. Typisch für das Handballspiel sind bis zu 80 Sekunden dauernde Laufleistungen, bei denen die Energiegewinnung durch laktatbildende Stoffwechselprozesse erfolgt. Diese kurzzeitigen Beanspruchungen bewirken einen Anstieg der Blut-Laktatkonzentration und somit eine akute Erschöpfung. Ständig wiederkehrende Beanspruchungen dieser Art können zu einer chronischen Erschöpfung führen. Die psychomotorische Leistungsfähigkeit des Spielers wäre in letzterem Fall folglich längerfristig vermindert.

Sören Haagen bei Dr. Detlev Brandecker .
Klicken Sie zum Vergrößern! Sören Haagen bei Dr. Detlev Brandecker .
In diesem Zusammenhang lobt Dr. Brandecker die gute Zusammenarbeit im Team des THW Kiel. "Bei der enormen Belastung kann immer etwas passieren. Aber deswegen sind Spiel, Training und medizinische Betreuung gut aufeinander abgestimmt." Zudem appeliert der Mannschaftsarzt an die Einstellung seiner Spieler: "Zum Profitum gehört auch ein entsprechend dem Leistungssport orientierter Lebenswandel. Die nötigen Ruhephasen und eine gesunde Ernährung sollten auf jedem Tagesplan stehen." Manches Mal müsse man bei der Behandlung von Verletzungen aus medizinischer Sicht allerdings einige Kompromisse eingehen, gibt der Arzt "schweren Herzens" zu, "aber mit dem Leistungssport sind nun einmal für alle Beteiligten andere Erfordernisse verbunden." Trotzdem seien in seinen mittelweile 13 Jahren in Reihen der Zebras niemals weder von der Vereinsführung noch vom Trainer Druck ausgeübt worden, daß die Rekonvaleszenz irgendeines Athleten zu lange andauern würde. "An oberster Stelle steht immer die Gesundheit des Sportlers."

Mit den heutigen Behandlungsmethoden ist aber schon vieles deutlich schneller möglich als noch zur Anfangszeit von Dr. Brandecker. "Der heutige Leistungssportler ist nicht mehr mit einem herkömmlichen Kassenpatienten zu vergleichen. Die heutige tägliche Reha-Arbeit, die zusätzliche Massage und die gesamte medizinische Rundum-Versorgung hat sich in gleichem Maße erheblich verbessert wie die Anforderungen aus dem Spielbtrieb gestiegen sind." Zwar lassen auch heute noch bestimmte Situationen keine andere Möglichkeiten als einen mitunter schwerwiegenden, aber notwendigen operativen Eingriff zu. "In solch einem Fall tut es mir dann aufgrund der besonderen Beziehung immer besonders leid, eine solche Entscheidung zu fällen", sagt Dr. Brandecker. Aber aus dieser Tasache abgeleitet, dürfe man "nicht in therapeutischen Nihilismus verfallen und den Sportler mit einem 'Das wird schon wieder' abtun." Und in einem ist sich er sich ganz sicher: "Nichts hält die Gedanken eines Langzeitverletzen aufrechter, als zu wissen, daß es voran geht."


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