Schweden wurde demontiert - Wislander denkt an Rücktritt
Aus den Kieler Nachrichten vom 01.02.2003:
Der Fingerzeig erinnerte an Winston Churchill.
Bengt Johansson trennten nach der schwärzesten Stunde
des schwedischen Handballs nur noch wenige Schritte
vom Intimbereich des Nave Municipal, als er sich zum Ende
seines 45-minütigen Medienmarathons ein letztes Mal
einem schwedischen Fotografen zuwandte. Demonstrativ
spreizte der erfolgreichste Trainer der Welt Zeige- und
Mittelfinger der linken Hand zum Victory-Zeichen.
Eine staatsmännische Geste, die so gar nicht
zur
24:30 (11:15)-Niederlage
von Schweden im entscheidenden letzten WM-Hauptrundenspiel
gegen Frankreich passte.
"Das ist der absolute Tiefpunkt. Auf viele Fragen haben auch ich
keine Antwort", war für den mit einer Leistenverletzung ausgefallenen
Kapitän Ola Lindgren das kollektive Versagen unerklärlich.
Auch
Johan Pettersson vom THW Kiel,
mit 8/4 Toren erfolgreichster schwedischer Torschütze,
wusste keinen Rat."Wir haben fast alles falsch gemacht und waren von
der ersten Sekunde an wahnsinnig schlecht." Einzig
Peter Gentzel, der 20 von 48
Bällen abwehrte (Effektivität 40 Prozent), musste von der pauschalen Kritik
ausgenommen werden. Der Rest der goldenen Generation hatte Patina angesetzt.
THW-As
Staffan Olsson, der den Schweden zum 1:0
die einzige Führung bescherte, räumte nach neun Minuten seinen Platz für Andreas
Larsson, der wiederum im letzten Drittel
Kim Andersson die Verantwortung
übertrug. Johansson zog alle taktischen Register, öffnete die Deckung auf
4:2, doch der Titelverteidiger blieb keine Antwort schuldig.
|
Magnus Wislander:
"Am bittersten ist die verpasste Olympia-Qualifikation."
©
Bildbyran |
Magnus Wislander sah das vorzeitige Aus
für den vierfachen Welt- und Europameister bereits beim 3:9 nach einer
Viertelstunde kommen. "Aber am bittersten ist, dass wir die Olympia-Qualifikation
verpasst haben", fühlte sich der 38-jährige Jahrhunderthandballer und Kieler Idol
nach der Pleite von Espinho um Jahre gealtert. Verbittert war
"
Magic Max" auch über den WM-Modus.
"Über dieses System muss diskutiert werden", verwies
Wislander auf den wertlosen Vorrundensieg über
Dänemark. Für
Wislander zeichnet sich
das Abendrot seiner unvergleichlichen Karriere immer deutlicher ab.
"Die Frage nach meinem Abschied ist mir heute mindestens schon fünfmal
gestellt worden. Doch es gibt keine Antwort. Ich bin zu enttäuscht und möchte
mir alles weitere in Ruhe überlegen."
Für seine ehemaligen Bundesligamitstreiter sieht
Wislander im heutigen Halbfinale
gegen Frankreich gute Chancen.
"Wichtig ist, dass Deutschland viel Druck im Angriff ausübt und die Schiedsrichter
die französische Deckungsweise härter ahnden. Ich habe bei dieser
WM den Eindruck gewonnen, dass man mit einer 6:0-Abwehr
mehr bestraft wird als mit einer 3:3.
(Von Jörg Hagemann, aus den Kieler Nachrichten vom 02.01.2003)