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13.06.2003 Interview

KN-Interview mit Bundestrainer Brand: "Das musste Kiel mal durchmachen"

Heiner Brand: "Abwarten, wie der neue THW sich entwickelt"

Aus einer Sonderbeilage der Kieler Nachrichten vom 12.06.2003:

Aufmerksamer Beobachter der Bundesliga ist aus gutem Grund Bundestrainer Heiner Brand. Der 50-jährige Gummersbacher Handballlehrer verfolgt die Leistungskurve seiner Nationalspieler und wacht mit Argusaugen auf die Enwicklung junger aufstrebender Talent. Nach zuletzt zwei Silbermedaillen bei der Europameisterschaft in Schweden und den Welttitelkämpfen in Portugal peilt Brand Gold bei Olympiua 2004 in Athen an. Die Kieler Nachrichten sprachen mit dem Bundestrainer.
Kieler Nachrichten:
Der TBV Lemgo hat die Liga dominiert - ein Desaster für die Konkurrenz?
Heiner Brand:
Das ist vor allem ein Lohn für die hervorragende Leistung der Mannschaft und ihres Trainers Volker Mudrow. Ein großer Kompliment, dass Lemgo die Saison auf diesem Niveau durchgehalten hat und sogar den Ausfall von Daniel Stephan verkraftet hat.
Kieler Nachrichten:
Warum konnte der Meister so weit enteilen?
Heiner Brand:
Es spricht einfach für die spielerische und körperliche Qualität der Mannschaft, die ihr hohes Tempo mit wenigen Spielern durchziehen konnte. Christian Schwarzer, Markus Baur und Florian Kehrmann sind zu großen Spielerpersönlichkeiten gereift. Und über Volker Zerbe braucht man gar nicht zu reden. Die haben bestätigt, was sie bereits in den vergangenen Jahren in der Nationalmannschaft gezeigt haben. Mir gibt allerdings zu denken, dass es bis auf Flensburg eigentlich keine richtige Konkurrenz gab.
Kieler Nachrichten:
Sehen Sie dafür einen plausiblen Grund?
Heiner Brand:
Nein, aber die Liga war nicht so ausgeglichen wie in den vergangenen Jahren. Ganz oben gab es Lemgo, dahinter Flensburg, Magdeburg und Essen. Nordhorn hat positiv überrascht, und das war es dann.
Kieler Nachrichten:
Wir die Schwere zwischen den Topteams und dem Rest weiter auseinander gehen?
Heiner Brand:
Bundestrainer Heiner Brand mit THW-Maskottchen Hein Daddel.
Klicken Sie zum Vergrößern! Bundestrainer Heiner Brand mit THW-Maskottchen Hein Daddel.
Das kann schon sein, aber Kiel und Gummersbach werden zum Beispiel wieder oben angreifen. Ich wünsche mir als Bundestrainer eine nicht nur in der Spitze starke Liga. Wenn Lemgo so überlegen spielt, bin ich natürlich froh, weil davon auch die Nationalmannschaft profitiert.
Kieler Nachrichten:
Vor einigen Jahren mussten Sie stets Einsatzzeiten für junge deutsche Spieler anmahnen.
Heiner Brand:
Ja, doch mittlerweile kommen immer wieder Talente nach. Einige Vereine mussten aufgrund wirtschaftlicher Probleme abspecken. Dadurch haben Spieler wie Pascal Hens in Wallau und Nordhorns Holger Glandorf eher eine Chance erhalten. Mir ist die Auswahl aber noch immer zu klein.
Kieler Nachrichten:
War der Umbruch in Kiel so heftig zu erwarten?
Heiner Brand:
Kiel hatte neben dem Umbruch auch arge Verletzungsprobleme. Die Ausfälle von Demetrio Lozano und Piotr Przybecki waren nicht vorhersehbar. Der THW ist dann irgendwo reingeschlittert und hat das Selbstvertrauen der vergangenen Jahre verloren. Das war vielleicht einfach eine Saison, die Kiel einfach mal durchmachen musste.
Kieler Nachrichten:
Darf man vom THW schon wieder Großes erwarten?
Heiner Brand:
Das ist eine neue Mannschaft. Der rechte Rückraum wird komplett neu besetzt. Kiel wird stabiler werden, aber man muss abwarten, wie sich das entwickelt.
Kieler Nachrichten:
Wie werten Sie die Wechsel Ihrer Nationalspieler Christian Zeitz und Adrian Wagner nach Kiel?
Heiner Brand:
Ich habe ja gefordert, dass Zeitz in die Erste Liga muss. Wenn er sich dem Druck beim THW aussetzt, soll mir das recht sein. Das kann seiner Entwicklung nur gut tun. Das gilt auch für Addi, der in Hamburg ein bisschen eingefahren war. Wenn er sich in einem neuen Umfeld durchsetzen muss, ist das eine Chance für ihn, einen Schritt nach vorn zu machen.
Kieler Nachrichten:
Kann Kiel wieder um die Meisterschaft mitspielen?
Heiner Brand:
Aufgrund des Spielerpotenzials und den hervorragenden Torleuten - da ist sicher etwas drin. Stefan Lövgren wird als überragender Rückraumspieler einiges bewegen und den Neuen bei der Integration helfen.
Kieler Nachrichten:
Auch auf Martin Boquist und Marcus Ahlm darf man sehr gespannt sein.
Heiner Brand:
Sicherlich, wobei die Erwartungen nicht zu hoch gestellt werden dürfen. Die werden sich einiges bewegen, aber Schweden sind Mannschaftsspieler - da will nicht der Einzelne das Überragende bringen.
Kieler Nachrichten:
Sorgt Sie die Ereignisdichte der kommenden Saison mit Europameisterschaft und Olympischen Spielen?
Heiner Brand:
Natürlich. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass EM und WM in einem vierjährigen Rhythmus reichen. Das könnte auch den Stellenwert der einzelnen Turniere erhöhen, aber das können wir nicht ändern. Auch die Vereine müssen mit der Aufstockung der Champions League zusätzliche Termine verkraften.
Kieler Nachrichten:
Irritiert hat allerdings das schwache Abschneiden der deutschen Vereine auf europäischer Ebene.
Heiner Brand:
Das will ich nicht überbewerten. Lemgo und die anderen deutschen Starter werden mit Sicherheit in der Lage sein, in der Champions League und den weiteren Wettbewerben ganz vorn mitzuspielen.

(Das Gespräch führte Tim-Oliver Kalle, aus einer Sonderbeilage der Kieler Nachrichten vom 12.06.2003)


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