06.09.2003 | Mannschaft |
Stefan Lövgren ist Denker und Lenker beim THW. Kiels Regisseur sagt die Spielzüge an und bestimmt das Tempo. |
Der einfachste Weg, den Ball ins gegnerische Tor zu befördern, sei aber der Tempogegenstoß. Und der ergebe sich aus dem Spielverlauf. Grundlage ist eine aufmerksame Abwehr, die dem angreifenden Team den Ball wegschnappt und die Gegenstoßspezialisten auf die Reise schickt. Bei den Zebras sind das zumeist die schnellen Außen. Rechts zumeist Johan Pettersson mit seinem Turboantritt und auf der linken Seite Nikolaj Jacobsen oder Neuzugang Adrian Wagner. Wer dem gegnerischen Tor am nächsten ist, bekommt den Ball. Im Duell Eins gegen Eins zieht der Torhüter dann in 90 Prozent aller Fälle den Kürzeren.
Absender des Balls kann auch ein fixer Torhüter sein. Nach einer Abwehr oder einem Ausball ist die Zielsicherheil des letzten Mannes gefragt. Am besten kann es immer noch Goran Stojanovic, Kiels ehemaliger Schlussmann, der jetzt in Hamburg zwischen den Pfosten steht. Stojanovic ist in der Lage, punktgenau zwischen fuchtelnden Armen hindurch übei 30 Meter den eigenen, davoneilenden Mitspieler zu bedienen Wie der Quarterback eine: Football-Mannschaft. "Einmalig", bestätigt Lövgren, "das macht Goran keiner nach."
Den eigenen Torleuten stellt er ein weniger gutes Zeugnis aus: "Henning und Mattias müssen noch üben. Tempospiel ist allerdings auch Risiko behaftet. "Es kommt leicht zu Fehlern, die der Gegner nutzt. Dann hat man bei unkonzentriertem Spiel ruckzuck zwei, drei Gegentreffer in wenigen Sekunden kassiert", weiß Lövgren. Klappt's mit der ersten Welle nicht, bleibt die zweite. Eine Spezialität der Kieler zu Zeiten von Wislander und Olsson. Das sei schon automatisiert gewesen, jeder habe seinen Laufweg schlafwandlerisch gewusst. Für das neue THW-Team gilt, was der Kapitän bereits seinen Torleuten empfohlen hat: "Das müssen wir alle zusammen noch üben." Die hohe Schule des Angriffsspiel ist erst gefragt, wenn's zu spät ist für Tempo und die gegnerische Hintermannschaft sich komplett am eigenen Kreis formiert und aufgebaut hat. Dann kommt das manchmal zähe Positionsspiel zum Tragen. Die neuen Regeln lassen den Aktiven inzwischen weniger Zeit. Bemerken die Unparteiischen, dass der Drang zum Tor nachlässt, ist schnell der Arm oben: Zeitspiel. Jetzt muss abgeschlossen werden, oder der Gegner bekommt den Ball zugesprochen - meistens wird das zur Steilvorlage für einen Tempogegenstoß.
Kreuzen, Sperren, Stoßen, Einlaufen oder mit Hilfe eines Wacklers den direkten Gegenspieler austanzen. Das ist das ABC des Angriffshandballs vor versammelter 6:0- oder offensiver Deckung. "Beim THW haben wir mehr als zehn eingeübte Spielzüge, die ich anzeige oder ansage", erläutert Lövgren. Zum Beispiel "Rheinhausen". Dann wisse jeder in der Mannschaft, wie er laufen müsse, um letztlich an irgendeiner Stelle Überzahl und die Chance zum Wurf zu erhalten. "Der Spielzug heißt so, weil wir ihn zum ersten Mal gegen Rheinhausen hinbekommen haben."
Mittlerweile, sagt der Schwede, gebe es allerdings kaum noch Geheimnisse. Die Spielzüge würden kopiert und geklaut, Russen lernten von Schweden und Schweden von Franzosen oder Deutschen. "Wichtig ist in erster Linie, dass eine Mannschaft gut eingespielt ist." Und das klappe, so Lövgren, in der Bundesliga zurzeit am besten bei Lemgo und Flensburg-Handewitt. "Die spielen am längsten mit den selben Leuten zusammen." Also gilt auch in diesem Fall für den neuen THW: üben, üben, üben.
(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 05.09.2003)
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