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30.11.2003 Interview

Florian Wisotzki im Interview: "Primär zählt der Erfolg der Mannschaft"

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Mit 22 Jahren ist Florian Wisotzki nach Sebastian Preiß der jüngste im Team des neuformierten THW Kiel. Trotzdem ist der Youngster bereits nicht nur deutscher Meister und EHF-Pokalsieger, er schaffte schon einmal den Sprung in die deutsche A-Nationalmannschaft. Doch hinter den etablierten Stars wie Stefan Lövgren oder Demetrio Lozano kämpft Wisotzki um seine Position in der Zebraherde. Ein Doppel-Spielrecht für seinen Stammverein HSG Tarp/Wanderup sichert ihm derzeit die Spielpraxis. Nur im DHB-Pokal darf er nicht für den schleswig-holsteinischen Zweitligisten ran. ZEBRA traf Florian Wisotzki zum Gespräch im Sportforum der Universität Kiel, seinem anderen "Arbeitsplatz".
Zebra:
Florian, wer soll denn DHB-Pokalsieger 2004 werden: Die HSG Tarp/Wanderup oder der THW Kiel?
Florian Wisotzki:
Ich würde es Tarp wirklich gönnen, damit mal ordentlich Geld in die leeren Kassen (Der Saisonetat der HSG Tarp/Wanderup beläuft sic auf rund 150000 Euro; Anm. d. Red.) kommt. Aber wer weiß, wenn sie die bevorstehende Runde gegen die Reinickendorfer Füchse überstehen. vielleicht kommt in der nächsten Runde ja schon das große Los. Es wäre jedenfalls utopisch zu denken, Tarp könnte DHB-Pokalsieger werden. Es ist schon ein großer Erfolg für diesen kleinen Verein soweit gekommen zu sein. Der THW Kiel dagegen zählt für mich zu den Favoriten.
Zebra:
Das heißt...
Florian Wisotzki:
...mit ein wenig Losglück kann der THW diesen Wettbewerb durchaus gewinnen. Die weiteren Favoriten dezimieren sich ja weiterhin gegenseitig: Essen schied in Flensburg aus, jetzt wird es entweder den HSV Hamburg oder den TBV Lemgo treffen. Aber wenn man am Ende als Sieger dastehen will, muss man eh jeden Gegner schlagen. Ich gehe jedenfalls fest davon aus, dass der THW Kiel ins Final Four einzieht. Und dort ist dann alles möglich - letztes Jahr hat sogar Flensburg gewonnen (er lacht).
Zebra:
Du bist wohl derzeit der einzige Spieler, der gleich mit zwei Mannschaften ins Achtelfinale eingezogen ist. Eigentlich doch eine sehr angenehme Situation, oder?
Florian Wisotzki:
Darf für Tarp im DHB-Pokal nicht ran: Florian Wisotzki.
Klicken Sie zum Vergrößern! Darf für Tarp im DHB-Pokal nicht ran: Florian Wisotzki.
Nein, leider nicht. Eigentlich sogar eine relativ blöde Situation. Ich darf nämlich nicht für Tarp im DHB- Pokal spielen, da es in meinem Fall keine offizielle Regelung seitens des Deutschen Handball-Bundes gibt. Mein Doppel-Spielrecht gilt für die Bundesliga und müsste eigentlich auch die Pokalspiele mit beinhalten. Doch nach Rücksprache, u.a. auch mit dem DHB-Spielleiter Uwe Stemberg, wurde den Tarpern geraten, lieber auf meinen Einsatz im Pokal zu verzichten, bevor sich andere Vereine rechtlich beschweren und es infolge dessen eventuell zu Aberkennungen von Einzügen in die nächste Runde käme. Gegen Mannschaften wie die Reinickendorfer Füchse wäre es natürlich ideal, wenn ich spielen dürfte. Zudem würde es natürlich auch wahnsinnigen Spaß machen, mit Tarp in die nächste Runde einzuziehen und dann das ganz große Spiel gegen den TBV Lemgo oder die SG Flensburg-Handewitt zu bekommen.
Zebra:
Somit erübrigt sich die folgende Frage schon fast: Für welchen der beiden Klubs würdest Du spielen, wenn der THW in der nächsten Runde auf Tarp treffen würde?
Florian Wisotzki:
So wie es bislang aussieht für Kiel. Aber es wäre sicher im Kopf eine Überlegung wert, mit Tarp gegen den THW zu spielen. Aber das würde ich wohl nicht machen, denn ich könnte solch eine Partie wohl nicht als ernsthaftes Spiel auffassen. Schließlich trainiere ich tagtäglich mit den Spielern zusammen, gegen die ich dann spielen müsste.
Zebra:
Deine Spielanteile beim THW Kiel sind derzeit allerdings sehr gering. Wie betrachtest Du Deine derzeitige Situation bei den Zebras?
Florian Wisotzki:
Wir haben einen sehr großen Kader und zudem können neben mir auch Sebastian Preiß und Christian Zeitz das Doppel-Spielrecht ausnutzen (Zu den üblichen zwölf Spielern auf der Bank dürfen laut Reglement zwei weitere deutsche Spieler unter 24 Jahren in jedem Spiel eingesetzt werden; Anm. d. Red.). Derzeit bin ich derjenige, der rausfällt. Zudem haben wir vier weitere sehr gute Rechtshänder auf der Mittel- und halblinken Rückraum-Position.
Zebra:
Und an solch herausragenden Spielerpersönlichkeiten wie Lövgren oder Lozano ist kein Vorbeikommen.
Florian Wisotzki:
Ich muss diese Situation akzeptieren, denn primär zählt der Erfolg der Mannschaft und des Vereins. Solch eine Situation ist natürlich schwer für mich, denn ich will natürlich spielen, gerade wenn ich gesund bin.
Zebra:
Verzweifelt man da nicht irgendwann angesichts der Höhe solcher Hürden?
Florian Wisotzki:
Anfangs war das sicher ein Problem, als alle wieder fit waren und man in diesem Moment selbst wieder zurückstecken musste. Aber die anderen Spieler haben sich bereits vorher schon durch sehr gute Leistungen profiliert. Einen Martin Boquist z.B. hätte man sonst ja auch gar nicht zum THW Kiel geholt. Ich neide den anderen nicht ihre Spielanteile. Aber für mich ist es natürlich nicht so einfach.
Zebra:
Am Saisonende läuft Dein Vertrag beim THW Kiel aus. Hat es bis zum heutigen Zeitpunkt schon Gespräche über eine weitere Zusammenarbeit gegeben?
Florian Wisotzki:
Bislang noch nicht. Wenn die Vereinsführung auf mich zukommen wird, werden wir mit Sicherheit eine Übereinkunft treffen, die Details sind natürlich Verhandlungssache. Ich bin mir allerdings auch darüber im Klaren, dass der Verein seinen Kader aufgrund anstehender Steuerreformen (Steuerfreibeträge für Sonn- und Feiertagsarbeit sollen wegfallen, auf den THW Kiel kommen dadurch laut Geschäftsführer Uwe Schwenker nach dem derzeitigen Stand der Dinge Mehrkosten in Höhe von 350000 Euro zu, da die Spielerverträge auf Netto-Basis verhandelt werden) womöglich wie angekündigt von 15 auf zwölf Spieler verkleinern muss. Und dann muss ich mir natürlich den ein oder anderen Gedanken machen.
Zebra:
Wie sähe die ideale Übereinkunft aus?
Florian Wisotzki:
Das ist schwer zu sagen. Ich kenne meine Position und weiß, wie erfolgsorientiert der THW Kiel sein muss. Der Verein muss in erster Linie auf Qualität setzen und nicht auf Quantität. Auch hoch qualitative Spieler werden den Verein in Zukunft verlassen. Ich mache mir jedenfalls nichts vor und dementsprechend meine Gedanken. Beim THW und auch bei den anderen Klubs stehen jetzt überall die Verhandlungen für die kommende Saison an.
Zebra:
Ein Vereinswechsel ist also nicht ausgeschlossen?
Florian Wisotzki:
Ich will spielen, und das natürlich auch möglichst viel, um besser zu werden. Wenn man den Berufswunsch Handball-Profi hat, muss man Umzüge und Veränderungen in Kauf nehmen. Das war auch so, als ich bei meiner Familie in Tarp ausgezogen bin. Kiel ist nicht die Welt, aber hier habe ich meine ersten Schritte in die Selbständigkeit gemacht. Ich kann ganz positiv damit umgehen.
Zebra:
Käme auch ein alleiniges Engagement in der 2. Bundesliga in Betracht?
Florian Wisotzki:
In der zweiten Liga möchte ich eigentlich nicht spielen, da das Leistungsgefälle innerhalb der Klasse zu extrem ist. Zwei, drei, vier Vereine spielen oben mit, aber selbst sie müssten beim Aufstieg in die erste Liga ihren Kader aufbessern.
Zebra:
Liegen Dir schon Angebote für die kommende Saison vor?
Florian Wisotzki:
Konkrete Anfragen blieben bislang aus. Ich werde zunächst auch abwarten, was sich hier in Kiel entwickelt. Der Verein war bislang immer fair genug, seine Entscheidung frühzeitig mitzuteilen, damit man selbst rechtzeitig planen kann. Eine Entscheidung vor dem Jahresende wäre optimal. Ich bin jedenfalls auf alles vorbereitet.
Zebra:
So müsste Deine Zielsetzung für den Rest dieser Saison lauten: Um jede Spielminute kämpfen.
Florian Wisotzki:
Wenn ich wieder fit und schmerzfrei bin, werde ich weiter angreifen. Ich werde jedenfalls nicht darauf hoffen, dass sich irgendjemand aus unserer Mannschaft verletzt, damit ich auf diese Weise meine Chance bekomme.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)


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