THW-Logo
10.12.2003 Mannschaft

Entscheidungen zwischen Titeln und Gesundheit

Wenn die Belastungen irgendwann zuviel werden...

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Sein Comeback nach dreimonatiger Verletzungspause war vielumjubelt. Doch gut sechs Wochen nach seiner Rückkehr in das Bundesliga-Geschehen herrscht bei THW-Kapitän Stefan Lövgren wieder Tristesse. Die Schmerzen im lädierten rechten Sprunggelenk sind nach wie vor präsent und schwinden erst langsam. Der Schwede kämpft noch immer für seine vollständige Genesung. Mannschaftsarzt Dr. Detlev Brandecker stellte zwar unlängst fest, dass der Bänderriss mittlerweile vollständig ausgeheilt wäre, prognostizierte aber gleichzeitig, es würde noch Monate dauern, bis Lövgren wieder beschwerdefrei spielen könne. Der Mediziner verordnete ihm deswegen zuletzt nur Kurzeinsätze. Lövgren braucht seine Auszeiten.
"Natürlich will man jedes Mal die gesamten 60 Minuten spielen, wenn man dabei ist", gibt Lövgren unumwunden zu. Ein Ausnahmekönner wie er ist auch bei halben Leistungsvermögen noch ungemein wichtig für jedes Team. "Doch irgendwann werden die Belastungen für den eigenen Körper einfach zu hoch", erkennt auch der 32-Jährige, der in der Jahren zuvor fast kontinuierlich in Verein und schwedischer Nationalmannschaft durchspielte. "Ich habe allerdings nie wirklich einen Druck gespürt oder es einfach gelernt damit zu leben." Das Spielen an sich sei nie ein wirkliches Problem gewesen, vielmehr stellten sich andere Probleme ein. "Wenn Du jahrelang fast keinen Urlaub hast und keine Zeit mit der Familie verbringen kannst, dann fehlt es Dir irgendwann an Regeneration und damit auch am letzten Biss", sagt Lövgren.

Die vergangene Weltmeisterschaft in Portugal ist dem zweifachen Vater da noch in schlechter Erinnerung. Der damals ebenfalls angeschlagene Kapitän des Tre-Kronor-Teams wollte sein Team nicht hängen lassen, die Schweden aber verpatzten das Turnier - und Lövgren wäre stattdessen lieber bei seiner frisch geborenen Tochter Thea in Kiel geblieben. Jetzt stellt Lövgren seine Teilnahme an den kommenden Europameisterschaften im Januar in Frage, obwohl es für die Schweden noch um die Olympia-Qualifikation geht. "Ich werde das Turnier nur spielen, wenn ich hundertprozentig fit bin. Alles andere würde weder der Mannschaft noch mir selbst nutzen. Oder ich werde vielleicht nur 15 Minuten jede Halbzeit spielen, um der Mannschaft so gut es geht zu helfen.", sagt der Göteborger. Stattdessen könnte er die Zeit auch zur Regeneration nutzen oder unter Umständen sogar etwaige Knochelsplitter aus dem verletzten Knöchel operativ entfernen lassen, was damals aufgrund einer Entzündung und damit verbundener starker Schwellungen nicht möglich war.

Europa- oder Weltmeisterschaften kommen derzeit im jährlichen Wechsel wieder, wie lange man für seine gesundheitliche Rehabilitation mitunter arbeiten muss, erfährt Lövgren derzeit schmerzlich am eigenen Leib. "Die Wertigkeit bei so vielen Titeln innerhalb eines Jahres nimmt ab", sagt der mehrfache internationale Medaillengewinner und fordert die Umstellung auf einen Vier-Jahres-Rhythmus ähnlich wie im Fußball. "Die Belastungen müssen weniger werden, sonst geht irgendwann alles kaputt. Wenn die Topspieler ausfallen, weil keiner solche Belastungen auf Dauer aushalten kann, dann verlieren am Ende alle: Die Vereine, die Zuschauer und die Sponsoren." In fünf Jahren sei die Altersgrenze für Profi-Handballer mit 33 oder 34 Jahren erreicht, danach sei Schluss, so Lövgren. "Die jungen Leute heute mit 19 oder 20 Jahren werden nicht mehr so lange spielen wie Staffan (Olsson) oder Max (Magnus Wislander)." Stefan Lövgren wird zurückkommen - als einer der letzten großen "alten Schweden".

(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)


(10.12.2003) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite