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09.09.2004 Handball international

Kieler Nachrichten: DHB rutscht immer tiefer in die Krise

Russen fordern angebliche "Bestechungsgelder" ein

Aus den Kieler Nachrichten vom 09.09.2004:

Frankfurt/Kiel - Der Deutsche Handball-Bund (DHB) steht vor einem Scherbenhaufen: Neben einem Minus von mindestens 330 000 Euro und der drohenden Insolvenz bahnt sich jetzt weiteres Ungemach an. Nach Information der "Sportbild" sollen DHB-Vertreter Russland 50 000 Dollar geboten haben, damit der favorisierte Konkurrent für die Austragung der WM 2005 seine Kandidatur zurückzog.
"Vielleicht müssen wir sogar einen Bundestag einberufen und ein neues Präsidium wählen", erklärte Bernd-Uwe Hildebrandt, der amtierende Vorsitzende der Handball-Bundesliga (HBL), vor der Sitzung des DHB-Präsidiums sowie des Erweiterten Vorstandes am Wochenende in Hannover. Die prekäre Finanzsituation des mit 830 000 Mitgliedern weltgrößten Handball-Verbandes hat bereits erste Opfer gefordert. So verzichteten die Angestellten der DHB-Geschäftsstelle auf ihr Weihnachtsgeld von insgesamt 50 000 Euro. Zudem wurde die B-Nationalmannschaft der Frauen gestrichen und etliche Lehrgangsmaßnahmen im Jugendbereich abgesetzt. Keine gute Nachrichten für Klaus-Dieter Petersen vom Handball-Bundesligisten THW Kiel, der voraussichtlich am 1. Juli 2005 den Job des Jugendkoordinators übernehmen soll. "Die Personalie Petersen steht überhaupt nicht zur Debatte", meinte Horst Bredemeier auf KN-Anfrage. "Dieses Geld ist im Haushalt fest eingeplant." Gerade im Jugendbereich, so der für den Leistungssport zuständige DHB-Vizepräsident, dürfe der Rotstift auf keinen Fall angesetzt werden. "Die Nationalmannschaft der Männer steht vor einem Umbruch. Da brauchen wir gerade jetzt einen guten Nachwuchs."

Petersen selbst sieht seine Zukunft beim DHB auf sicheren Füßen. "Der Verband wird seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der nächsten Zukunft lösen." Mit der WM 2007 im eigenen Land und der positiven Außendarstellung durch die Nationalmannschaft, müsse das möglich sein. "Die Handballer haben das Geschick, ihre eigenen Erfolge immer wieder selbst kaputt zu machen", wundert sich THW-Manager Uwe Schwenker allerdings über die zeitliche Abläufe. "Warum werden gerade nach der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen Geschichten ausgegraben, die schon längst bekannt sind?"

Zur Schieflage des Verbandes trug auch die Gründung des eigenständigen Ligaverbandes (HBL) im vergangenen Jahr bei. Zahlten die Vereine einst 730 000 Euro an Mitgliedsbeiträgen, fließen jetzt nur noch 511 000 Euro an den DHB. Im Gegenzug sollte der Ligaverband überzähliges Personal vom DHB übernehmen. "Das ist allerdings nicht im abgesprochenen Umfang geschehen", meinte DHB-Schatzmeister Wolfgang Gremmel. Außerdem zog sich der Hauptsponsor der Frauen-Nationalmannschaft (150 000 Euro ) zurück und der neue Fernseh-Vertrag war um rund 100 000 Euro niedriger dotiert als ihm Vorjahr. "Aufgrund dieser Ausfälle haben wir einen Haushalt mit einer Unterdeckung von 330 000 Euro aufgestellt", rechnete Gremmel vor. "Diese Zahlen sind aber schon seit letzten Oktober bekannt." Gremmel ist zuversichtlich, dass die Banken ihre Kredite auch dann nicht kündigen, wenn der DHB dieses Jahr mit einer "leicht roten Null" abschließt.

Zum Defizit trugen auch Länderspiele wie das gegen Serbien & Montenegro in der Hamburger Color Line-Arena im September letzten Jahres bei. "Damit sind wir richtig auf die Nase gefallen", so Gremmel. Der DHB hätte zwar alle Ausgaben übernommen, als Gegenleistung aber nur die kargen Zuschauereinnahmen erhalten. "Wir sind davon ausgegangen, dass dieses Spiel ausverkauft ist." Statt der geplanten 13 000 sahen aber nur knapp 4000 Zuschauer den 28:22-Sieg der DHB-Auswahl.

Ein weiteres Loch in die leeren Kassen könnten nun die Russen in Person von Wladimir Maximow brennen. "Der DHB schuldet uns noch 40 000 Dollar." Nach Angaben des russischen Cheftrainers muss der DHB jetzt ein zwei Jahre altes Versprechen einlösen. Beim Kongress des Weltverbandes (IHF) im November 2002 in St. Petersburg sollen DHB-Vertreter den Russen 50 000 Dollar versprochen haben, wenn sie auf eine Kandidatur für die Männer-WM 2005 verzichten. Bislang sind aber nur 10 000 Dollar geflossen, was DHB-Sportdirektor Peter Sichelschmidt auch bestätigte. "Es ist noch ein guter Teilbetrag offen. Ich halte es für eine moralische Verpflichtung, der wir irgendwann auch nachkommen müssen." Die zögerliche Zahlungsmoral hat ihre Gründe: Russland verzichtete zwar, doch den Zuschlag bekam Tunesien.

(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 09.09.2004)


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