Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Stefan Lövgren ist unbestrittener Kopf des THW Kiel. Auf und
außerhalb des Platzes ist der 33-jährige Schwede Leithengst
der Zebraherde. Seit seiner Verpflichtung im Jahr 1999
dirigierte er das schwarz-weiße Ensemble zu zwei Deutschen
Meisterschaften, einem DHB- und zwei Europapokalsiegen. Und
trotzdem sind Titel längst nicht alles, sagt
Stefan Lövgren
im ZEBRA-Interview. Ein Gespräch über Ambitionen, eigene
Ansprüche und Glücksgefühle.
- Zebra:
-
Stefan, nach 115 Tagen Pause war es endlich soweit: das
erste Bundesliga-Heimspiel in der neuen Saison. Was war das
für ein Moment, wieder in die Ostseehalle einzulaufen?
- Stefan Lövgren:
-
Dieses Gefühl, in das Meer von 10000 kleinen Lichtern
einzulaufen, ist einzigartig. Und doch vergisst man es
jedes Jahr auf ein Neues, wie es ist, zum ersten Heimspiel
die Ostseehalle zu betreten. Aber deswegen ist die Saison-Premiere
zuhause auch immer wieder etwas ganz besonderes.
- Zebra:
-
Die Saison hat also endlich begonnen...
- Stefan Lövgren:
-
Ich bin froh, dass es jetzt wieder losgegangen ist,
deswegen trainieren wir. Die Vorbereitung ist schließlich
nicht das Lustigste an einer Saison.
- Zebra:
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Wie war die Zeit ohne Pflichtspiele?
- Stefan Lövgren:
-
Es war komisch, die
Olympischen Spiele im Fernsehen schauen
zu müssen. Es schmerzte, die Qualifikation verpasst zu
haben. Und deswegen habe ich beim Handball meistens auch
weg geguckt. Aber zum Glück hatten wir genügend Zeit, uns
daran zu gewöhnen nicht dabei zu sein. Persönlich haben mir
die sechseinhalb Wochen Urlaub gut getan. Mein Körper
brauchte einfach eine Pause.
- Zebra:
-
Und die Familie hatte ihren Vater in diesem Sommer
besonders lange zuhause.
- Stefan Lövgren:
-
Diese lange Zeit und der Urlaub mit der Familie waren
echter Luxus. So viele freie Tage während des Sommers hatte
ich noch nie. Und das haben meine Familie und ich richtig
genossen.
- Zebra:
-
Beginnt mit dem engen Terminplan in der neuen Saison also
nun die Zeit der Entbehrungen?
- Stefan Lövgren:
-
Eigentlich nicht. Denn nun kommt das Beste an der Saison.
Als Profi willst Du die ganze Zeit spielen. Und wenn der
Erfolg da ist, ist vieles natürlich einfacher.
- Zebra:
-
Erfolgversprechend war bereits der Start des THW Kiel. Doch
erscheint es sinnvoll, die Topbegegnungen wie gegen Lemgo,
Flensburg oder Gummersbach so geballt und schon so früh im
Spielplan zu terminieren?
- Stefan Lövgren:
-
Ich finde diese Konstellation eigentlich gut. Denn so
müssen wir von Anfang an Gas geben und können zwischendurch
keinen Gang zurückschalten. So ist es einfacher im Rhythmus
zu bleiben. Und körperlich ist es auch kein Problem, solche
Spitzenspiele innerhalb von zwei Wochen zu absolvieren.
- Zebra:
-
Die Ambitionen des THW sind immer hoch, doch vom Titel
spricht in Kiel keiner. Ist das nach Platz zwei im
vergangenen Jahr nicht tiefgestapelt?
- Stefan Lövgren:
-
Seit ich in Kiel spiele, hat das noch niemand
ausgesprochen. Natürlich sind wir eine von fünf, sechs
Mannschaften, die um die Deutsche Meisterschaft mitspielt.
Und natürlich will man immer besser sein als im Jahr zuvor.
Aber jeder weiß, wie schnell sich die Vorzeichen ändern
können. Und deswegen wird auch niemand etwas anderes sagen
und vom Titel sprechen.
- Zebra:
-
Wo liegt nach zig Meistertiteln in der Bundesliga für Dich
noch die Herausforderung?
- Stefan Lövgren:
-
Genau die gleiche Antwort: Jeder weiß, wie schnell sich die
Vorzeichen im Sport ändern können. Die Bundesliga ist
schnelllebig und von daher stets neu. Im Übrigen: Wenn ich
wählen könnte, würde ich meine zwei olympischen
Silbermedaillen gegen eine goldene eintauschen und mich in
dieser Saison für den Champions League-Titel entscheiden.
Aber das kann ich nun mal nicht. Und deswegen wäre ich
genauso froh, wenn wir einmal mehr die Meisterschaft
gewinnen würden. Das macht keine Unterschiede im
Glücksgefühl. Allerdings sollte jeder im Kopf haben, dass
auch ein zweiter Platz als Erfolg zu werten ist, so wie der
des THW Kiel in der vergangenen Saison oder der deutschen
Nationalmannschaft in Athen.
- Zebra:
-
Und trotzdem haderst Du immer wieder mit Deinen olympischen
Silbermedaillen...
- Stefan Lövgren:
-
Normalerweise nicht. Aber insbesondere in der Zeit von
Olympia denkt man immer wieder daran, diese Chance auf den
größten Sieg für einen Sportler verpasst zu haben. Solch
eine Chance bekommt man vielleicht nur einmal im Leben -
ich hab sie gleich zweimal nicht genutzt... Trotzdem bin
ich sehr stolz auf meine Silbermedaillen, ärgere mich aber
hin und wieder noch ein kleines bisschen...
- Zebra:
-
Zurück zum aktuellen Geschehen. Keine Fokussierung auf
einen der drei Wettbewerbe?
- Stefan Lövgren:
-
Nein, denn das ist unmöglich. Man kann sich nicht verstärkt
auf die Champions League konzentrieren und die Bundesliga
schleifen lassen. Das funktioniert nicht. Alles geht Hand
in Hand.
- Zebra:
-
Welchen Anspruch stellst Du an Dich selbst?
- Stefan Lövgren:
-
Die eigene Gesundheit steht für mich im Vordergrund. In
erster Linie möchte ich nach drei Jahren mit stetigen
Verletzungssorgen endlich wieder konstant auf einem
körperlich guten Niveau spielen und diese Form über eine
längere Phase halten. Zurzeit fühle ich mich endlich wieder
fit.
- Zebra:
-
Titel sind also nicht mehr entscheidend?
- Stefan Lövgren:
-
Nein, denn ich denke, meinen persönlichen Erfolg kann ich
eigentlich nicht in Titeln messen. Wie gesagt, wir alle
wissen, wie schnell etwas passieren kann und wie schwer es
anschließend wieder ist, Anschluss zu finden.
- Zebra:
-
Der THW Kiel verjüngt sich zunehmend und Du bist neben
Klaus-Dieter Petersen
inzwischen der älteste Spieler in der
Zebraherde. Der Kapitän als weiser Kopf der Mannschaft?
- Stefan Lövgren:
-
Das ist wohl ein normaler Gang in jeder Mannschaft. Jedes
Team muss in gewissen Zeitabständen verjüngt werden und das
sollte man mit Cleverness tun, so wie es der THW Kiel tut.
Und einer muss ja der Älteste sein... Aber erst die gesunde
Mischung macht's, Routine gehört auch dazu. Im Übrigen
können wir Älteren auch vom neuen Elan und dem hohen Tempo
der Jüngeren profitieren. Und das ist genauso wichtig.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", das Gespräch führte Sascha Klahn für living sports)