Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Drei Jahre lang stand
Piotr Przybecki in Diensten des THW
Kiel, ehe es ihn
vor dieser Saison nach Nordhorn zog. Nach einer Zeit, die hauptsächlich
von Verletzungen, etlichen Operationen und immer wiederkehrenden
Rückschlägen geprägt war, startet der wurfgewaltige Pole einen sportlichen
Neuanfang bei der HSG. Thomas Fischer (living sports) sprach mit dem
sympathischen "Pechvogel", der auch dem Ostseehallen-Publikum zeigen
möchte, dass er durchaus zu guter Leistung bereit ist.
- Zebra:
-
Nach drei Jahren im THW-Trikot wirfst du nun für die HSG Nordhorn deine
Tore. Wie ist es dir ergangen, hast du dich gut eingelebt?
- Piotr Przybecki:
-
Ja, ich fühle mich hier bereits sehr wohl, bin von der Mannschaft
freundlich aufgenommen worden. Ich kann also nicht klagen. Auch die
Vorbereitung verlief bei uns ganz ordentlich, so dass wir doch recht
erfolgreich in die Saison starten konnten. Bis auf die Heim-Niederlage
gegen Lemgo natürlich, die hätte nicht sein müssen.
- Zebra:
-
Der Saisonstart liest sich mit 8:2 Punkten in der Tat sehr freundlich. Du
meinst also, es hätte sogar noch besser für euch laufen können/müssen oder
entspricht der Auftakt schon dem vorgestellten Optimum?
- Piotr Przybecki:
-
Es ist natürlich kein Beinbruch, gegen den TBV Lemgo zu verlieren. Aber
ich bin ehrgeizig und möchte gerne jedes Spiel gewinnen. Wir haben in dem
Spiel zu viele leichte Fehler gemacht, die Niederlage ging wohl so in
Ordnung. Es ist schwer zu sagen, inwieweit unser Auftakt ideal war.
Unsere Auswärtssiege haben wir gegen zwei Aufsteiger, Schwerin und
Düsseldorf, geholt, gegen Essen haben wir uns die zwei Punkte hart
erkämpft. Man kann noch nicht viel sagen, insgesamt ist es aber ein gutes
Ergebnis.
- Zebra:
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In deiner Kieler Zeit warst du häufig verletzt und konntest nicht alles
zeigen, was du kannst. Momentan stehst du auf Platz zwei eurer internen
Torschützen-Liste. Bist du zufrieden mit deiner bisherigen Leistung?
- Piotr Przybecki:
-
Teils, teils. Es klappt eigentlich schon ganz gut, allerdings müssen wir
alle sicherlich noch hart arbeiten, um richtig zusammen zu wachsen und
die Laufwege zu verinnerlichen. Es sind ja einige neue Spieler zu
integrieren - aber wir helfen uns gegenseitig und es wird von Mal zu Mal
besser. Wir sind auf einem guten Weg.
- Zebra:
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Insgesamt ist die Bank der HSG um drei Spieler gegenüber der letzten
Saison geschrumpft. Macht sich das schon negativ bemerkbar?
- Piotr Przybecki:
-
Unsere Wechselmöglichkeiten sind relativ beschränkt und im Laufe der
Saison könnte dies mit ein wenig Pech noch stärker ins Gewicht fallen.
Wir müssen mit dem vorhandenen Kader so auskommen, wie er ist. Qualitativ
haben wir gute Spieler in unseren Reihen, mit denen wir uns nicht zu
verstecken brauchen, die Leistung halte ich auch noch für
steigerungsfähig.
- Zebra:
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Du sagst, du siehst noch Potential in der Mannschaft. Wo siehst du euch am
Ende der Saison?
- Piotr Przybecki:
-
Das ist schwierig. Offiziell wollen wir um den siebten, achten Platz
kämpfen, also wenn möglich, uns für den Europapokal qualifizieren. Meine
persönliche Zielsetzung ist es, jedes Spiel zu gewinnen, letztlich möchte
ja jeder Spieler, der mitspielt, am Ende ganz oben stehen. Man wird mit
der Zeit sehen, was realistisch ist.
- Zebra:
-
Deine Zielsetzungen hast du also von Kiel nach Nordhorn mitgenommen.
- Piotr Przybecki:
-
(lacht) Ja, so ungefähr. Kiel hat natürlich eine
Spitzenmannschaft und ich denke, man sollte für sich selbst so viel wie
möglich von solchen Vereinen mitnehmen. Nordhorn ist nicht der THW, an
meiner Einstellung zum Handball ändert sich deshalb jedoch nichts.
- Zebra:
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Als du dich für einen neuen Verein entscheiden musstest, hast du unter
anderem ein Angebot deines Ex-Clubs TUSEM Essen ausgeschlagen. Kannst du
heute sagen, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast?
- Piotr Przybecki:
-
Es war damals weniger eine Entscheidung gegen Essen, als eine
Entscheidung für Nordhorn. Ich wusste bei TUSEM nicht wirklich, woran ich
bin, zumal auch die finanzielle Situation zu der Zeit dort nicht geklärt
war. In Nordhorn habe ich für mich und meine Familie die besseren
Perspektiven gesehen.
- Zebra:
-
Es ist gar nicht lange her, dass auch Nordhorn vor finanziellen
Schwierigkeiten stand und sogar der Lizenzentzug im Raume stand. Ist die
Situation, soweit du es beurteilen kannst, stabil?
- Piotr Przybecki:
-
Ich habe zwar keinen genauen Überblick über die Wirtschaftlichkeit des
Vereins, soweit ich weiß, sind die alten Probleme aber behoben und der
Verein steht auf einer gesunden finanziellen Basis. Es herrscht
diesbezüglich Ruhe, diese Entwicklung kann man nur gutheißen.
- Zebra:
-
Was hat sich für dich seit deinem Wechsel alles verändert? Kannst du große
Unterschiede zwischen Kiel und Nordhorn, besonders bezüglich deiner
eigenen Rolle innerhalb der Mannschaft, ausmachen?
- Piotr Przybecki:
-
Am meisten vermisse ich die Ostseehalle und das tolle Publikum, es wird
für mich ungewohnt sein, dort als Gegner zu gastieren. Im Euregium in
Nordhorn zu spielen macht auch Spaß, nur war die bisherige Heimquote
anscheinend nicht so berauschend, die wollen wir dieses Jahr stark
verbessern. Meine eigene Rolle als Spieler hängt einmal mehr von meiner
körperlichen Verfassung ab. Wenn ich, wie jetzt, fit bin, bin ich
durchaus auch in der Lage dazu beizutragen, dass wir attraktiven Handball
spielen. Ich versuche, ein Stück Verantwortung zu übernehmen. Ich habe
momentan weit mehr Spielanteile als in Kiel, sowohl im Angriff als auch
in der Abwehr.
- Zebra:
-
In der letzten Spielzeit hatte Nordhorn die zweitschlechteste Abwehr der
Bundesliga - wurde darauf in der Vorbereitung ein besonderer Schwerpunkt
gelegt?
- Piotr Przybecki:
-
Ja, auf jeden Fall. Man muss zwar auch berücksichtigen, dass Nordhorn in
der letzten Saison große Probleme mit Verletzungen hatte und die Bilanz
so schlechter ausgefallen ist, als sie hätte sein können. Dennoch war
gerade die Abwehrleistung ein besonderer Schwerpunkt. Es läuft bereits
ganz gut, Nachholbedarf haben wir aber immer noch.
- Zebra:
-
Beim THW wurdest du oft als "der große Pechvogel" betitelt. Hast du mit
dieser Zeit abgeschlossen und wie fühlst du dich momentan gesundheitlich?
- Piotr Przybecki:
-
Zurzeit habe ich keinerlei Beschwerden, worüber ich sehr froh bin. Ich
wurde in meinen drei Jahren in Kiel vier Mal operiert und musste immer
wieder Rückschläge einstecken. Das hat mich als Handballer sehr belastet.
Immer wenn es gerade wieder ging, ging die ganze Geschichte von vorne
los. Vielleicht muss ich mir auch vorwerfen, dass ich zu viel auf einmal
wollte. Pechvogel hin oder her - das nervt einen auf die Dauer wirklich
tierisch an. Ich will einfach nur Handball spielen und bin glücklich,
dass es jetzt wieder klappt.
- Zebra:
-
Während einer solchen Leidensphase baut sich wahrscheinlich auch eine
gewisse nervliche Anspannung an. Kann man den Gedanken, sich ja nicht
wieder zu verletzten, während eines Spiels wieder völlig abwerfen?
- Piotr Przybecki:
-
Das stimmt, ab und zu denkt man schon daran, besonders in ähnlichen
Aktionen, in denen man sich die vorigen Verletzungen zugezogen hat. Ich
versuche einfach abzuschalten, ansonsten würde es gar keinen Sinn machen,
das Spielfeld zu betreten. Es ist manchmal nicht einfach, aber anders
geht es nicht. Mit der Zeit wird man immer sicherer, bis man die Angst
dann hoffentlich irgendwann völlig abschüttelt.
- Zebra:
-
Du hast mittlerweile eine Familie. Hast du schon daran gedacht, was du
machen wirst, wenn du nicht mehr Handball spielen kannst?
- Piotr Przybecki:
-
Daran denke ich sehr oft. Ich bin Diplom-Sportlehrer, was jetzt aber
nicht zwangsläufig heißen muss, dass ich nach meiner aktiven Laufbahn
Trainer oder ähnliches werden muss. Ich werde abwarten, ob sich noch
etwas anderes ergibt.
- Zebra:
-
Wie bist du mit deinem Abschied aus Kiel umgegangen? Ist er dir schwer
gefallen?
- Piotr Przybecki:
-
Ich hatte diesbezüglich gemischte Gefühle. Ich war mir bewusst, dass ich
die Mannschaft, das Umfeld und die vielen Fans sehr vermissen werde, aber
ich wollte auch Handball spielen - und zwar mehr, als es beim THW der
Fall war. Letztlich musste ich mich von vielen Freunden verabschieden und
war deshalb ein Stück weit traurig, andererseits hatte ich mich auf eine
neue Herausforderung gefreut. Ich wollte noch einmal neu anfangen. Jetzt
freue ich mich auf die Ostseehalle und darauf, alte Weggefährten wieder
zu treffen.
- Zebra:
-
Ich habe gehört, dass du Schalke-Fan bist. Dann müsste dir der Verzicht
auf das Spiel gegen Lemgo in der Schalke-Arena doch besonders schwer
gefallen sein, oder?
- Piotr Przybecki:
-
(lacht) Ja, das hatte ich damals gesagt, weil ich
Pitti ein
bisschen unterstützen wollte. Aber es stimmt trotzdem. Bei dem Spiel wäre
sicherlich jeder Spieler selig gewesen, dabei zu sein - ich schließe mich
da ein. Wir hatten zeitgleich ebenfalls ein Spiel, sonst wäre ich wenigstens
zum Zuschauen angereist. Das war ein tolles Ereignis!
- Zebra:
-
Wie siehst du eure Chancen, ein, zwei Punkte aus der Ostseehalle mit nach
Hause zu nehmen?
- Piotr Przybecki:
-
Der THW ist sehr heimstark und wir reisen im Grunde mit dem Ziel an, so
gut wie möglich gegen zu halten und wenn möglich zu gewinnen. Das wird
sehr schwer, aber ich hoffe, dass wir uns möglichst gut präsentieren
werden. Wir haben auch nach dem Spiel gegen den THW noch genug zu tun,
beispielsweise das Heimspiel gegen Flensburg.
- Zebra:
-
Dem THW würde es wahrscheinlich besser gefallen, wenn du den Beweis deiner
wahren Leistungsstärke erst gegen Flensburg antrittst. Was hast du dir
selber für die Ostseehalle vorgenommen?
- Piotr Przybecki:
-
(amüsiert) Das ist eine andere Sache, ich werde mein Bestes geben. Aber
naturgemäß möchte ich auch in Kiel zeigen, dass ich zu guter Leistung
bereit bin. Im Endeffekt wollen wir einfach ein gutes Spiel zeigen.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", das Gespräch führte Thomas Fischer für living sports)