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15.06.2005 Presse / Interview

handball-magazin-Interview mit Henning Fritz: "Ich habe mir viel erarbeitet"

Henning Fritz im handball-magazin über seinen Ehrungs-Marathon, die Gefahr abzuheben und Vergleiche mit dem Fußballkollegen Oliver Kahn

Nach einer tollen Saison wurde THW-Keeper Henning Fritz mit Ehrungen überhäuft. Nicht zuletzt wurde der Nationaltorhüter als erster Torwart überhaupt zum "Spieler der Saison" gewählt. Das "handball-magazin" sprach mit dem gebürtigen Magdeburger.
Aus dem handball-magazin 6/2005:
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handball-magazin:
Herzlichen Glückwunsch!
Henning Fritz:
Wozu denn?
handball-magazin:
Die Trainer und Mannschaftsführer der Bundesliga haben Sie zum Spieler der Saison 2004/2005 gewählt.
Henning Fritz:
Echt? Mann, das freut mich sehr!
handball-magazin:
Sie sind Handballer des Jahres 2004, Welthandballer 2004 und nun Spieler der Saison 2004/2005. Mal ehrlich: Hängen Ihnen die ganzen Ehrungen nicht schon zum Hals raus?
Henning Fritz:
(lacht) Ich wusste gar nicht, dass es so viele Ehrungen überhaupt gibt. Aber langweilig wird mir das nicht. Die Auszeichnungen machen mich sehr stolz. In letzter Zeit war es natürlich extrem. Allerdings mir ist klar, dass auch wieder Zeiten kommen, in denen es ruhiger zugehen wird
handball-magazin:
Ist es etwas Besonderes, wenn einen die Trainer und Spielführer der Bundesligisten zum Besten küren?
Henning Fritz:
Auf jeden Fall. Wenn dich solche Fachleute zur Nummer eins wählen, ist das vom Stellenwert natürlich das Höchste.
handball-magazin:
Auf wen wäre denn Ihre Wahl gefallen?
Henning Fritz:
Es gibt wirklich viele, die diesen Titel verdient hätten. Marcus Ahlm, Oleg Velyky und Holger Glandorf stehen zu Recht so weit vorn. Und ich finde, dass auch Christian Zeitz eine herausragende Saison gespielt hat. Lars Christiansen war ebenfalls wieder sensationell - wie schon seit Jahren. Und dann sehe ich tagtäglich, was Stefan Lövgren leistet. Das ist schon sehr, sehr beeindruckend.
handball-magazin:
Wie reagiert denn Ihr Umfeld auf die Serie der Ehrungen?
Henning Fritz:
Meine Familie und Freunde freuen sich für mich. Aber niemand fällt jetzt vor mir auf die Knie, bloß weil ich Welthandballer bin. Die Jungs aus der Mannschaft flachsen natürlich ab und zu darüber. Aber das ist normal. Was meinen Sie, was ich zu hören bekomme, wenn ich im Training einen Kullerball reinlasse? Dann kriege ich den Welthandballer auf eine ganz andere Art und Weise unter die Nase geschmiert. Und glauben sie mir: Es klingt dann nicht besonders ehrfürchtig.
handball-magazin:
Es besteht also keine Gefahr, dass Sie abheben?
Henning Fritz:
Ich glaube nicht. Natürlich genieße ich das derzeitige Interesse. Aber ich weiß, wer ich bin, wo ich herkomme und dass ich nicht das Naturtalent bin, das einige in mir sehen. Ich musste mir sehr viel erarbeiten und kann deshalb die ganzen Ehrungen gut einordnen. Ich bin stolz, das erreicht zu haben. Nicht mehr und nicht weniger.
handball-magazin:
Sie haben auch allen Grund stolz zu sein. Immerhin sind Sie der erste Torhüter, der es geschafft hat, zum Spieler der Saison gewählt zu werden.
Henning Fritz:
Das ist für mich ein Extrabonus. Normalerweise gewinnen Torjäger oder Spielmacher bei so einer Wahl. Als Torwart hat man es schwerer. Da muss schon etwas ganz Besonderes vorgefallen sein, um Erster zu werden. Ich hatte das Glück, dass es bei den Olympischen Spielen in Athen diese Wahnsinnspartie gab.
handball-magazin:
Sie meinen das Viertelfinale gegen Spanien, in dem Sie im Siebenmeter-Werfen nicht einen Treffer kassiert haben...
Henning Fritz:
Richtig. Ohne dieses Spiel wäre ich vielleicht bei all den Ehrungen nur Zweiter oder Dritter geworden. Aber an diese Begegnung erinnern sich die Leute. Die ist in den Köpfen geblieben, und davon profitiere ich natürlich.
handball-magazin:
War es denn auch für Sie bisher das Spiel Ihres Lebens?
Henning Fritz:
Ja, auf jeden Fall. Auch deshalb, weil es so dramatisch war. Erst haben wir uns in letzter Sekunde in die Verlängerung gerettet. Da waren wir dann schon zweimal so gut wie draußen - sind aber wieder zurückgekommen. Und dann der Siebenmeter-Krimi: Das war schon Adrenalin pur.
handball-magazin:
Auf gut deutsch - ein Spiel, das nicht zu toppen gewesen ist.
Henning Fritz:
Das stimmt so leider nicht ganz.
handball-magazin:
Warum nicht?
Henning Fritz:
Es hätte gern das Olympische Finale sein dürfen. Dann wäre es perfekt gewesen.
handball-magazin:
Wie oft haben Sie das Spiel denn schon auf Video oder DVD gesehen?
Henning Fritz:
Das glaubt mir jetzt sicher kein Mensch, aber ehrlich gesagt habe ich es noch gar nicht gesehen. Nur ein paar Ausschnitte aus dem Siebenmeter-Werfen. Aber um mir die Begegnung ganz anzuschauen, hat mir bislang die Zeit gefehlt. Wenn die Saison vorbei ist, werde ich es aber bestimmt mal machen.
handball-magazin:
Und? Freuen Sie sich darauf?
Henning Fritz:
(lacht) Ja, denn man hat mir erzählt, dass der deutsche Torwart ganz ordentlich gehalten haben soll.
handball-magazin:
Sie sind derzeit sehr populär. Wird der ganze Trubel rund um Ihre Person manchmal nicht zu viel?
Henning Fritz:
Sicher gibt es dann und wann Momente, in denen ich mir mehr Ruhe wünsche. Aber auf der anderen Seite ist es auch eine schöne Anerkennung, wenn sich die Leute für mich interessieren. Das genieße ich schon.
handball-magazin:
Aber manchmal kippt Bewunderung, wenn es sportlich nicht so klappt, auch schnell in Häme um. Ein prominentes Beispiel ist ihr Torwartkollege Oliver Kahn.
Henning Fritz:
Ich glaube nicht, dass man mich mit Kahn vergleichen kann. Der steht ganz anders im medialen Fokus als ich. Dagegen habe ich es paradiesisch ruhig. Außerdem wurde er ja weniger wegen sportlicher Fehler, sondern aufgrund privater Entscheidungen angefeindet. So etwas passiert mir nicht, ich bin familiär sehr gefestigt. Ich glaube auch, dass er für die Öffentlichkeit eine viel größere Reizfigur ist, als ich es bin. Wenn ich mal abtrete, interessiert sich doch spätestens nach einem Jahr niemand mehr für mich. Und das ist gut so.
handball-magazin:
Wenn man sich so mit Ihnen unterhält, wirken Sie sehr ruhig und ausgegeglichen. Auf dem Spielfeld können sie allerdings richtig explodieren. Offenbar gibt es einen großen Unterschied zwischen dem Torhüter und dem Privatmann Henning Fritz.
Henning Fritz:
Ich finde, der ist kleiner geworden. Wenn ich das letzte halbe Jahr Revue passieren lasse, glaube ich schon, dass ich seit den Olympischen Spielen auf dem Feld ruhiger geworden bin.
handball-magazin:
Sie sind aber ein emotionaler Sportler.
Henning Fritz:
Ja, das stimmt. Es passiert schon mal, dass ich mich von meiner Begeisterung mitreißen lasse. Ab und zu brauche ich das. Ich glaube übrigens, dass die meisten Fans das ganz gern sehen. Für die ist ja ganz unterhaltsam, wenn ich da unten herumhüpfe.
handball-magazin:
Haben Sie daran gearbeitet, auf dem Spielfeld ruhiger zu werden?
Henning Fritz:
Nicht bewusst. Es haben mich einige Leute darauf angesprochen. Natürlich macht man sich dann darüber auch Gedanken. Ich glaube aber, dass mein Verhalten eigentlich ganz in Ordnung ist. Schließlich greife ich ja niemanden an oder beschimpfe jemanden.
handball-magazin:
Es gab also keine Yoga-Stunden oder autogenes Training, so wie es einst Uli Stein versuchte?
Henning Fritz:
Nein, gab es nicht. Wahrscheinlich fehlt mir nach der langen Saison auch einfach nur die Kraft, um derart impulsiv zu reagieren. (lacht) Für solche Ausbrüche muss man sich richtig fit fühlen.
(Das Gespräch führte Sebastian von Gehren, aus dem handball-magazin 6/2005)


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