18.03.2006 | Mannschaft |
Szilagyi heuerte bei TuSEM Essen an und feierte dort seinen größten Erfolg. Noch heute erinnern die gerahmten Titelblätter der Handballwoche in seinem Flur an den historischen Sieg im EHF-Cup-Finale gegen den SC Magdeburg im letzten Jahr. Eines nach der Acht-Tore-Niederlage im Hinspiel, eines nach dem sensationellen Sieg mit neun Toren Vorsprung im Rückspiel. Als auch in Essen die Lichter ausgingen, unterschrieb der 27-Jährige zu Beginn dieser Saison beim Meister THW Kiel.
Sein erster Gang führte ihn gleich ins Funkhaus des NDR. Szilagyi gab dem Radiosender NDR 1 Welle Nord und dessen neuen Mitarbeiter Alexander Bommes ein erstes Interview, verlas mit Tiroler Akzent brav Verkehrsnachrichten und auch den Wetterbericht.
Gekonnt auch sein Einstand als Mieter: Gemeinsam mit seiner Freundin Nora Moosbrugger bewohnt der Rechtshänder ein reetgedecktes Bauernhaus in Altenholz-Klausdorf. Dort rettete er jüngst den übergewichtigen Hof-Hahn "Merlin", der durch dünnes Eis in den Teich plumpste.
Die Wege der Freunde haben sich in Altenholz gekreuzt, die Karrieren dagegen schon seit einiger Zeit getrennt. Während Szilagyi der Motor des neuen Kieler Tempohandballs wurde und seinen Vertrag bis Juli 2008 verlängerte, bastelt der 30-jährige Bommes intensiv an einer Zukunft ohne Ball. "Mein Horror war, dass ich als 35-Jähriger bei den Klubs um ein Gnadenbrot betteln muss."
Der Jurist bestand sein erstes Staatsexamen, entschied sich aber für eine Karriere als Journalist. In der nächsten Woche wird sich endgültig klären, ob der mit 207 Toren derzeit erfolgreichste Zweitliga-Schütze ein Volontariat beim NDR erhalten wird. Wenn er diese letzte Hürde nicht nimmt? Bommes zuckt mit den Achseln: "Ich will das unbedingt schaffen. Andere Gedanken mache ich mir nicht."
Ihm liegen Angebote aus der Bundesliga und der Schweiz vor. "Vollprofi war ich schon. Das wäre ein Schritt zurück", könnte der Linksaußen sich ansonsten vorstellen, den derzeitigen Spagat zwischen Sport (Altenholz) und Beruf (freier NDR-Mitarbeiter) zu verlängern: "Unterschrieben habe ich aber noch gar nichts."
Für Viktor Szilagyi, der nach seinem Haarriss in der linken Hand am Montag erstmals wieder Bälle werfen will, ist die Zukunft nach dem Sport noch offen. "Es gibt immer wieder Phasen, in denen ich darüber nachdenke", meint der Handballprofi. "Aber bei Top-Klubs wie Essen oder Kiel ist es unmöglich, die Freizeit verbindlich zu planen." Eine zusätzliche Ausbildung sei so kaum möglich. Klar ist nur, dass er irgendwann nach Österreich zurückkehren wird und dem Handball erhalten bleiben möchte. Vielleicht als Trainer. Wiedersehen werden sich Bommes und Szilagyi auch dann - bei den Spielen des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV, dessen Anhänger sie beide sind.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 18.03.2006)
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