Aus dem offiziellen THW-Magazin "zebra", von living sports:
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Die Mannschaft des THW Kiel in der Saison 2006/07.
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Die Handball-Bundesliga startet seit der Einführung des eingleisigen
Oberhauses 1977 in seine nunmehr 30. Spielzeit, doch selten zuvor wurde
die Favoritenrolle unter den Sportexperten so deutlich verteilt wie vor
dieser Saison: Nach dem Abschluss des personellen Umbruchs beim THW Kiel,
der schnellen Integration der fünf letztjährigen Neuzugänge und der
dennoch souveränen Titelverteidigung steht der neue Mit-Rekordmeister
auf allen Tippzetteln der Konkurrenz ganz weit oben - böse Zungen
behaupten sogar, dass es für die anderen 17 Erstligaclubs von vornherein
lediglich um die Verteilung auf die Plätze 2 bis 18 ginge.
Doch auch wenn der ehrgeizige Traditionsverein von der Förde die Favoritenrolle
gerne annimmt, weicht Trainer
Noka Serdarusic in
seiner mittlerweile vierzehnten Saison bei den Schwarz-Weißen nicht von seiner
bisherigen Maxime ab: "Wir wollen jedes Spiel gewinnen und dann sehen, was am
Ende dabei heraus kommt." Ein Selbstgänger sei die Meisterschaft indes nicht,
und so sieht
Serdarusic in etwa die selben Teams nach
den Sternen greifen, die sich in der Vorsaison im oberen Tabellendrittel festgesetzt
hatten: "Die üblichen Verdächtigen aus Flensburg, Magdeburg, Gummersbach und Lemgo
werden oben mitspielen". Komplettiert wird seine Favoritengruppe vom wieder erstarkten
amtierenden DHB-Pokalsieger HSV, denn "wenn man sieht, was Hamburg für ein Team
beisammen hat und was die für eine gute Vorbereitung gespielt haben, können sie
ganz oben angreifen."
Angriff auf Europas Thron
Angreifen - genau das hat sich der THW Kiel in dieser Spielzeit für die Champions
League vorgenommen. Im mittlerweile zehnten Anlauf in der europäischen Königsklasse
soll in diesem Jahr endlich der lang ersehnte Titel her, um die bislang noch magere
Ausbeute von lediglich einer Finalteilnahme 2000 gehörig aufzubessern. Der Traum vom
Erklimmen des Vereinshandball-Throns ist geblieben, doch der Hauptkonkurrent ist
mittlerweile ein anderer: Lieferte sich Kiel um die Jahrtausendwende noch heiße und
enge Duelle mit dem Rekordchampion FC Barcelona, so hat mittlerweile der spanische
Ligakonkurrent von Ciudad Real den Katalanen den Rang als "Maß der Dinge" abgelaufen.
Dies musste auch die letzte THW-"Endstation" SG Flensburg-Handewitt im Halbfinale der
Champions League leidvoll anerkennen, als die Nordlichter dem späteren Titelträger in
zwei ungleichen Spielen deutlich unterlegen waren. Auch
Uwe Schwenker
sieht den Titelverteidiger als den Hauptkonkurrenten, doch "vor der Übermannschaft
Ciudad Real, die mit ihrem Kader gleich zwei Weltklasse-Mannschaften bestücken könnte,
müssen wir uns nicht verstecken!"
Gleichwohl wisse er aber, dass zum Triumph in der Königsklasse mehr als nur ein breiter
und ausgeglichener Kader gehören. "Man braucht Losglück, wenig Verletzte und eine gute
Tagesform", so Schwenker weiter. Ersteres hatten die Kieler
bei der Auslosung der Gruppenphase bereits: Mit dem dänischen Vizemeister GOG Gudme,
dem tschechischen Abonnementmeister Banik Karvina und dem Sieger der Partie Constanta
(Rumänien) gegen Conversano (Italien) in der Gruppe E betitelt
Uwe Schwenker das Weiterkommen als eine Pflichtaufgabe, doch
dies alleine reicht ihm nicht: "Wir müssen von Anfang an konzentriert zu Werke gehen,
um den ersten Platz in der Gruppe zu sichern. Damit würden wir im Rückspiel des
Achtelfinals Heimrecht genießen."
Dennoch wird beim THW in dieser Saison nichts dem Zufall überlassen. Der hochwertige
Kader der Vorsaison wurde daher laut Serdarusic "nicht nur
ergänzt, sondern sogar verstärkt". Besonders die zwei internationalen Topleute
Lars Krogh Jeppesen und Thierry Omeyer
könnten letztlich auf europäischer Ebene den Unterschied zum Vorjahr ausmachen. Immerhin
haben beide Spieler schon mal in der Champions League triumphieren können.
Lars Krogh Jeppesen - mit dem THW zurück zum Handballerglück
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Lars Krogh Jeppesen
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Der ehemalige Flensburger Schlüsselspieler
Lars Krogh Jeppesen
wechselte vom FC Barcelona zurück in die Bundesliga. Mit dem spanischen Spitzenclub
gewann er in den zwei Jahren sowohl die Champions League (2005) als auch die Meisterschaft
in der "Liga Asobal" (2006), doch das handballerische Glück fand der "Bundesliga-Spieler
der Saison 2003/2004" in Katalonien nicht: "Wir haben eine Art Handball gespielt, die
mir nicht gefallen hat. Dafür, dass wir so gute Spieler zur Verfügung hatten, haben wir
sehr schlecht gespielt." Zudem plagte sich der dänische Auswahlspieler in den letzten
Monaten mit Verletzungen herum, die er in Spanien nie richtig auskurierte. So verpasste
Jeppesen für den THW auch viele Testspiele in der Vorbereitung,
doch beim erstklassig besetzten Schlecker-Cup in Ehingen, den die Kieler durch einen
40:36-Finalerfolg gegen den HSV Hamburg zum fünften Mal gewannen, deutete er bereits
seine weiterhin vorhandene Defensivklasse im Mittelblock an. So soll der gelernte halblinke
Rückraumspieler in der Abwehr vor allem die beiden "Dauerbrenner" der letzten Saison,
Marcus Ahlm und
Nikola Karabatic,
entlasten, im Angriff ist auch ein Einsatz auf der Spielmacherposition geplant - zumal der
Power-Mittelmann
Viktor Szilagyi nach seinem Kreuzbandriss zum
Ende der vergangenen Saison noch mindestens bis in den November nicht einsatzfähig ist.
Für den Dänen geht mit dem Wechsel zum ehemaligen Rivalen nach Kiel indes ein Kindheitstraum
in Erfüllung: "Als ich 15, 16 Jahre alt war, wollte ich unbedingt hier spielen. Ich hoffe,
dass ich jetzt nach meiner Verletzung richtig Gas geben kann und glaube, dass diese
Mannschaft einen riesigen Handball spielen kann."
Thierry Omeyer will noch einmal die Champions League gewinnen
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Thierry Omeyer
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Ebenfalls bereits in der Champions League erfolgreich war der "Last-Minute-Einkauf"
Thierry Omeyer. Der französische Auswahlkeeper gewann 2003
an der Seite des damals erst 19-jährigen
Nikola Karabatic
mit seinem ehemaligen Club Montpellier HB die Königsklasse und kam als überragender
Rückhalt im Nationalteam schon zu Welt- (2001) und Europameistertiteln (2006). Dennoch
ist der 29-jährige Familienvater weiterhin erfolgshungrig: "Ich will dem THW helfen,
die Meisterschaft und die Champions League zu gewinnen!" Dass mit ihm,
Henning Fritz und
Mattias Andersson
nun gleich drei Ausnahmekeeper im Kader des THW stehen, bereitet dem Franzosen keine
schlaflosen Nächte: "Ich muss dem Trainer zeigen, dass ich spielen möchte. Dann wird
sich zeigen, wer der Beste ist. Ich werde alles dafür tun, dass wir mit dem THW Erfolg
haben." Ähnlich äußerten sich zuvor auch schon
Fritz und
Andersson. Einem fairen Wettkampf um die Torhüterposition
steht also nichts im Weg - zumal Trainer
Noka Serdarusic
sowieso dafür bekannt ist, dass er stets nach Leistung aufstellt. Dieser sah die
Entscheidung für einen dritten Torhüter längst überfällig: "Alle Spitzenmannschaften
Europas haben seit jeher 3 Torhüter. Nur in der Bundesliga hat sich dies bislang noch
nicht durchgesetzt."
Dominik Klein - Auf dem Weg zum Jungstar
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Dominik Klein
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Die erste feststehende Neuverpflichtung für diese Spielzeit war die von
Dominik Klein. Zwar verfügt der 22-jährige Linksaußen, der
nach dem Lizenzentzug für die SG Wallau-Massenheim in der vergangenen Saison für den
TV Großwallstadt auf Torejagd ging, bis auf seine Einsätze in der DHB-Auswahlmannschaft
noch nicht über internationale Erfahrung. Doch der Jungnationalspieler hat in der
Vorbereitung angedeutet, dass auch er keine Angst vor großen Namen hat: Beim Schlecker-Cup
erzielte
"Mini" Klein gleich 16 Treffer in drei Partien und
unterstrich damit die Hoffnungen von
Noka Serdarusic, dass
der Neuzugang "nicht nur
Adrian Wagner ersetzen, sondern
Henrik Lundström richtig Druck machen" kann.
Dominik Klein indes freut sich "mit leuchtenden Augen riesig
auf den Start" und hat Ambitionen, ein Stammspieler auch in der Nationalmannschaft zu
werden: "
Noka hat mir in drei Wochen alles erzählt, was ich
falsch mache, was ich ändern müsste und wo ich mich verbessern kann. Genau das brauche
ich für meine Entwicklung."
Ebenfalls neu im Kader ist der 19-jährige "Rohdiamant" Moritz Weltgen,
der aber zunächst ausschließlich von seinem Zweitspielrecht für den Zweitligisten TSV Altenholz
Gebrauch machen soll. Noka Serdarusic möchte den jungen "Allrounder"
nicht gleich ins kalte Bundesliga-Fahrwasser werfen: "Ich werde im Training individuell mit
ihm arbeiten. Nach ein bis zwei Jahren werden wir dann sehen, ob er uns in Zukunft helfen kann."
Die erneute qualitative Aufstockung des Kaders machte ein neuer Rekordetat von nun rund 6
Millionen Euro möglich, trotzdem ist der Verein laut Geschäftsführer
Uwe Schwenker für das Erreichen der sportlichen Ziele "ein wenig
aus der 'Komfortzone' heraus gerückt". Dennoch sei die finanzielle Planung des Clubs
weiterhin gewohnt konservativ: In den Etat wurden nur die Einnahmen bis zum Viertelfinale
der Champions League hinein gerechnet. Angesichts der erfolgshungrigen Mannschaft eine
realistische Zwischenstation. Und so glaubt im Umfeld nicht nur Kapitän
Stefan Lövgren: "Zeigen wir unsere Leistung, wird das eine lustige
Saison."
(aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)