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06.02.2007 WM 2007 / Nationalmannschaft

Kieler Nachrichten: Die Herkulesaufgabe mit akribischer Arbeit gestemmt

Heiner Brand ist mit dem Weltmeistertitel am Ende eines langen Weges angekommen

Aus den Kieler Nachrichten vom 06.02.2007:

Köln - Heiner Brand streichelt lange über seine Beule am Hinterkopf. Dabei lächelt er. Es erwischte ihn, als er die über 30 Kilogramm schwere WM-Trophäe am Sonntag vor der Menschenmenge am Kölner Rathaus hochstemmte, sie rutschte ihm ein wenig aus der Hand. Dieser Schmerz aber war süß, für den Gewinn des Pokals hatte Heiner Brand hart gearbeitet. Der Bundestrainer war mit dem WM-Titelgewinn am Ende eines langen Weges angekommen.
Seine Mission war eine Herkules-Aufgabe. Der 54 Jahre alte Gummersbacher schulterte sie, da es weit und breit niemanden gab, der ihm hätte helfen können. Und das ist auch etwas traurig. So wurde er schlicht zum Gesicht dieser Weltmeisterschaft, dieser Sportart. Heiner Brand und Handball, das ist ein festes Begriffspaar. Genauso wie Franz Beckenbauer und Fußball.

Er könne das schaffen, was bislang nur eben jenem "Kaiser" Franz Beckenbauer gelang, wurde er kürzlich gefragt: Weltmeister als Spieler und als Trainer werden. "Ach ja, ist das so?" So ist er, dieses oberbergische Urgestein. Er wollte viel lieber Fußballer werden, aber dort, wo er geboren wurde, gab es dafür keine Chance. Sein Großvater war Vorsitzender des VfL Gummersbach, des erfolgreichsten Handball-Vereins der Welt. Sein Vater hatte entscheidenden Anteil am Aufbau eines Spitzenteams in der Handballmetropole. Am Weg zum VfL Gummersbach führte nichts vorbei. Heiner Brand spielte 27 Jahre für ihn, hat ihn trainiert, war in seiner aktiven Zeit der beste Abwehrspieler der Welt, wurde 1978 Weltmeister - auch für den VfL, aber vor allem für Deutschland.

Seine Person sah Brand nie im Mittelpunkt. Deren Popularität nutzten vorwiegend andere. Als die Handballer im Herbst vor der WM mit einer Roadshow durch die zwölf WM-Städte zogen, gab es nur einen Namen, der überall zog: Heiner Brand. Das war so nicht geplant. "Und war schon viel Stress", so Brand. Sein Blick scheint zu sagen, aber es musste wohl sein. Er ignorierte die Müdigkeit, er stellte die Familie hinten an, nahm sich nur für zwei Tage zum Jahresbeginn eine familiäre und mentale Auszeit.

Heiner Brand übernahm sein Amt, als der deutsche Handball in eine tiefe Depression verfallen war. Platz sieben bei den Olympischen Spielen von Atlanta 1996. Danach verpasst das Nationalteam die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1997. Arno Ehret, ehemals weltbester Linksaußen, räumte als Trainer das Feld. Er war der fünfte Übungsleiter, der sich binnen neun Jahren an diesem Job versucht hatte. "Genau genommen wollte den Job niemand haben", sagte damals Brand, der als Ehrets Assistent sich in die Pflicht nehmen ließ.

Brand erblickte dieser Tage in den Augen seiner gefeierten WM-Helden Entschlossenheit und den Glauben an das eigene Leistungsvermögen. Daran lässt sich vieles fest machen, was der Gummersbacher verändert hat. "Diese Teilnahmslosigkeit in den Augen der Aktiven" habe ihn beim Olympia-Scheitern 1996 in Atlanta fast zum Wahnsinn getrieben. Keine Leidenschaft, so gut wie niemand, der die Ärmel aufkrempelte. Er forderte damals "eine gewisse Verrücktheit" bei seinen Spielern. Die Schnelligkeit der Pässe und ihre Genauigkeit lasse sich üben. Nicht aber Nervenstärke, "und nicht Intuition", sagt er.

Am 30. März 1979 im ungarischen Tatabanya gab der Spieler Brand den Pass zu Joachim Deckarm. Dieser prallte mit Gegenspieler Panovics zusammen, stürzte und fiel mit einem doppelten Schädelbruch in ein langes Koma. Seitdem ist er behindert. Eine tiefe Freundschaft verbindet die beiden Männer. Danach habe Brand sich kaum mehr getraut, einen Pass zu spielen, ohne darüber nachzudenken, was passieren könne.

Auf der Trainerbank hat er sie wieder gefunden, die Intuition. Vielleicht blieb ihm auch gar keine andere Wahl. Nie war ein Team vor einem globalen Kräftemessen so von Verletzungen gebeutelt worden. Pech? Oder ein klein wenig "Verletzungsglück"? Als Andrej Klimowets Wade nicht mehr der Belastung standhielt, berief Brand mit Christian Schwarzer einen Vertreter jener "goldenen Generation" zurück, die eigentlich "silberne" heißen müsste. Ein Entscheidung, die sich genauso auszahlte wie die Vasallentreue zu Torhüter Henning Fritz. Beide wurden zu Erfolgsgaranten. Ein wenig Glück gehört eben auch zu großen Siegen. Den bundesweiten Rausch um die WM herum aber - daran hat Heiner Brand gearbeitet wie kein Zweiter.

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 06.02.2007)


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