Von Anne Jobas, mit freundlicher Genehmigung aus "Lebensart" 10/2007:
Als Spieler nannten sie ihn "Mister
Gegenstoß", denn die Tempogegenstöße
des Handballers
Uwe Schwenker waren gefürchtet. Heute
ist der ehemalige Nationalspieler Manager der THW Kiel GmbH und Co. KG und legt auch hier noch immer
ein hohes Tempo vor. Gefürchtet
ist er nicht mehr, eher geschätzt. Wegen seiner Kompetenz und seinem
Gespür dafür, seinen Verein und den Handballsport in Deutschland
weiter voran zu bringen.
Beim Gegenstoß ist das so: Schneller als die anderen
muss man sein und trotzdem beim abschließenden Wurf
aufs Tor wohl überlegt und mit gedrosseltem Tempo den
Ball am Torhüter vorbei ins Ziel bekommen. Eine
Symbolik für das, was auch die Arbeit des Managers
Uwe Schwenker beschreibt. Schnell voran auf neuen Wegen
und am Ende besonnen zum Ziel. Seitdem er 1992 zum
Manager des THW Kiel wurde, hat er kontinuierlich
dafür gesorgt, dass an die Stelle der alten
Vereinsstrukturen nach und nach modernstes Management
trat. Die Zahlen belegen diese von ihm vorangetriebene
Entwicklung der Professionalisierung. Waren es
anfänglich noch 1,7 Millionen Mark, beträgt der Etat
heute 6,5 Millionen Euro und ist damit einer der
höchsten der Handball- Bundesliga. Die Kieler
Ostseehalle ist bei jedem Bundesligaheimspiel bis auf
200 Plätze per Dauerkarte ausverkauft. In der Saison
2006/2007 schaffte der Rekordmeister das Handball-Triple:
Deutscher Pokal, Deutsche Meisterschaft und
zum ersten Mal die Krone: Championsleague-Sieger. Für
"Mister Gegenstoß" haben sie längst andere Titel
kreiert: "Uli Hoeness des Handball", "Architekt des
Kieler Erfolgsmodells", "Vordenker der Liga".
Eine sportverrückte Familie
Auch in den Zeiten seiner aktiven Handballer-Zeit hat
er Titel gesammelt. Sportliche. Obwohl er in einer
sportverrückten Familie zunächst mit dem Fußball
spielen begann. Handball, da war der Vater der große
Star. "Hinni" Schwenker, Anfang der sechziger Jahre
als Linksaußen einer der erfolgreichsten deutschen
Handballspieler und sogar Weltmeister mit dem
deutschen Nationalteam. Er muss das Talent seines
Sprösslings früh erkannt haben, denn eines Tages nahm
er ihn einfach mal mit zu einem Sichtungsturnier.
Klein-Uwe wurde sofort entdeckt und marschierte durch
bis zur Junioren-Nationalmannschaft. "Der ständige
Vergleich mit meinem Vater war anfangs nicht so
schön", gesteht Schwenker.
"Die ersten Jahre waren nicht leicht."
Er spielte zunächst beim TV Grambke-Bremen und war
beruflich beim Bremer Senat beschäftigt. Und die
Liebe? Auch da ging er zunächst ganz Kopf gesteuert
ans Werk. "Ich habe zu meinem Kollegen gesagt. Die
nächste Auszubildende, die hier durch die Tür kommt,
die heirate ich!", erzählt
Schwenker und grinst. "Ja,
und dann kam Karin!" Blond, schlank, sportlich hat sie
ihm den Kopf verdreht. Sie war es auch, die entschied,
wo es nach dem Abstieg des TV Grambke hinging. "Ich
hatte mehrere Angebote", sagt
Schwenker, "auch vom VfL
Gummersbach, damals ja wirklich die Hochburg des
Handballs in Deutschland!" Aber das jung verliebte
Paar ging 1980 lieber nach Kiel. "Ich musste ihr aber
versprechen, dass wir nach fünf Jahren wieder zurück
gehen", beichtet der THW-Chef und schmunzelt.
Mittlerweile ist Tochter Annika in Kiel geboren, aus
dem Zurückgehen wurde bis heute nichts. "Die ersten
Jahre waren
nicht leicht", sagt
Schwenker. "Morgens früh raus zur
Bundeswehr und dann abends gleich zum Training, am
Wochenende die Spiele mit dem THW und dann ja auch
noch die Nationalmannschaft, da war wenig Platz für
unsere Beziehung." Aber der Erfolg entschädigte und
gipfelte 1984 in der Silbermedaille bei den
olympischen Spielen in Los Angeles.
standing ovations in der Ostseehalle
1986 trat er zurück aus der Nationalmannschaft und
übernahm 1988 eine Versicherungsagentur. "Neben dem
Sport wollte ich etwas Solides", erinnert er sich. In
dieser Zeit ging es mit dem deutschen Handball bergab.
Drei Jahre haben die Trainer ihn bekniet, doch wieder
für die Nation zu spielen. Irgendwann gab er nach,
wollte bei der B-Weltmeisterschaft helfen, den
bundesdeutschen Handball wieder in die Erstklassigkeit
zu führen. "Und dann kam das berühmte Spiel gegen
Bulgarien", berichtet
Schwenker und noch heute spürt
man seine Empörung, "zweimal wurde ich eingewechselt,
zweimal wieder raus genommen und hatte nicht einmal
den Ball bekommen!" Es blieben seine einzigen
Einsätze. "Ich fühlte mich geradezu vorgeführt und
habe die Konsequenzen gezogen!" Er packte seine Koffer
und reiste ab! Beim THW Kiel wurde er danach wie ein
Held gefeiert. Mit standing ovations in der
Ostseehalle. 1992 beendete er dann endgültig seine
aktive Laufbahn. Der THW Kiel bot ihm den
Geschäftsführerposten an. Seine Jahre an der
Wirtschaftsakademie, an der er BWL studiert hatte,
kamen ihm nun zugute. Was ihn an der Aufgabe lockte,
waren die günstigen Rahmenbedingungen, das regionale
Netzwerk und die unglaubliche Identifikation der
Menschen im Land mit dem THW Kiel. "Bei jedem Spiel
diese Menge begeisterter Leute in der Ostseehalle, da
musste man doch was draus machen", war damals der ihn
treibende Gedanke. Und er machte.
Schnell voran auf neuen Wegen...
Gerade noch hatte er mit seinen Mannschaftsspielern in
der Kabine geschwitzt, nun musste er ihnen zum Teil
bittere geschäftliche Wahrheiten nahe bringen, musste
von ihnen akzeptiert werden als Chef neben der Platte.
"Ich wurde damals unglaublich gestützt von meinem
Beirat und den Gesellschaftern, das waren keine
leichten Geschichten!" Die wirklich harten aber kamen
erst noch.
Schließlich hat er es im Handball tagtäglich mit
modernem Menschenhandel zu tun.
Uwe Schwenker bleibt
auch hier solide. Holt sich Top-Leute nur, wenn sie
als Typen ins Team passen, lässt sich auf keine
Gehaltspokerspielchen ein. Seriös wirtschaften,
erfolgreich spielen. Zusammen mit Trainer
Noka Serdarusic funktioniert das seit 14 Jahren. "Mein
Trainer und ich, das hat schon eheähnliche Züge",
lacht
Schwenker. Ist das das Erfolgsgeheimnis? "Die
Basis für den Erfolg des THW ist, glaube ich, harte
Arbeit. Wir haben auf den wichtigen Positionen die
richtigen Leute, die mitziehen und sich neuen
Herausforderungen stellen." Die Aufstellung stimmt
also. Auf der Platte und hinter den Kulissen. Und
Schwenker ist einer, der auch über den Tellerrand
schaut. "Der Fußball macht es vor, der Handball ist so
facettenreich geworden. Heute muss viel an den
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gearbeitet werden,
schließlich wollen wir unsere Spieler die kommenden
Jahre halten und ein hohes Identifikationspotenzial
schaffen", sagt Schwenker. Darum setzt
Uwe Schwenker
neben der Jagd nach neuen Titeln darauf, diese
Mannschaft zusammen zu halten, die für viele schon
jetzt als die beste der Welt gilt.
... und am Ende besonnen zum Ziel.
Sportlich geht kaum mehr als in der vergangenen
Saison. Nicht nur der eigene Verein, auch der Handball
insgesamt erlebte durch den Gewinn der
Weltmeisterschaft im eigenen Land einen echten Hype.
"Das ist eine große Chance, jetzt müssen wir unter
Beweis stellen, dass wir etwas daraus machen", sagt
er. Er wird mit Sicherheit etwas daraus machen und
dabei schnell voran schreiten. Denn wer sollte "Mister
Gegenstoß" schon aufhalten? Aber dieses Mal wäre es
besser, wenn die anderen mit ihm Schritt hielten.
Besser für den Handball.
(Von Anne Jobas, mit freundlicher Genehmigung aus "Lebensart" 10/2007)