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23.05.2008 Karlchens Einwurf

Zebra-Journal: Karlchens Einwurf

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 23.05.2008:

Wann werden die Wissenschaftler an der Kieler Universität endlich auf dieses Phänomen aufmerksam? Wann endlich gibt es eine Dissertation in Volkskunde oder Soziologie über ein neues Volksfest im Norden Deutschlands? Denn neben dem "Kieler Umschlag" und der "Kieler Woche" hat sich ein neues, regional typisches, Fest etabliert - die Feier der "Deutschen Handball-Meisterschaft" vor dem Rathaus.
Zum 14. Mal bereits wurde die Schale gen Himmel gestemmt und die Volksfest-Besucher jubelten den schwarz-weißen Brauchtumsinitiatoren Lövgren, Karabatic & Co zu.

Von einem Brauch sprechen die Volkskundler, wenn etwas nicht beliebig geschieht, sondern einer Regelmäßigkeit und Wiederkehr unterliegt. Im ersten Fall nennt man es Zufall oder auch Flensburg, im zweiten Fall Brauchtum und Kiel. Wann also kommen die Wissenschaftler und untersuchen die Riten dieses Brauchtums? Zum Beispiel das Entgegennehmen der Meisterschale, wobei es zu unterschiedlichen Variationen kommen kann: man denke an die Meisterschaft 1994, als Trainer Noka Serdarusic sie mehr oder weniger wie Wellblech in Falten legte oder die diesjährige Version, in der die Spieler in Gottlieb-Wendehals-Manier mit einer Polonaise durch die Halle zogen. Zu den Riten gehört auch die Verabschiedung der Spieler, die den Verein verlassen. Der Wissenschaftler kann hier ein Paradoxon beobachten, also einen scheinbaren Widerspruch. Denn obwohl es sich um einen Abschied handelt, ist es zugleich auch eine Visitenkarte des Vereins. Sie sagt, wer auch immer zu uns kommt, wird hier mit Anstand und Zuneigung behandelt.

Der Höhepunkt des sich im Brauchtum verankerten Volksfestes "Deutsche Meisterschaft" ist der Auftritt auf dem Balkon des Rathauses und das Zelebrieren der Meisterschaft auf der NDR-Bühne. Hier sind erstaunliche Entwicklungen zu beobachten. Nehmen wir nur den Inquisitor, den THW-Kapitän Stefan Lövgren. Als er vor etwa acht Jahren "Sommartide" schmetterte, war es einzig die ungebrochene Zuneigung der Fans, die verhinderte, dass der Platz sich schlagartig leerte. Musik-Inquisitor Dieter Bohlen hätte die Darbietung sicher als musikalische "Titanic-Fahrt" tituliert. Ganz anders in diesem Jahr. Lövgren legte eine Performance auf das Parkett, bei der die Noten nur so durch die Luft perlten und es schon erste Anfragen diverser Kirchen- und Seniorenchöre gegeben haben soll, die sich diese Stimme sichern wollen. Der studierte Volkskundler würde nun sicher anmerken, dass im Jahre 2000 die Haare von Lövgren grün, nun aber golden waren. Stefan - die goldene Stimme von Partille. Ein schwedischer Ort, der sonst vor allem dafür berühmt ist, dass sich hier eine Straße mit einer Eisenbahnlinie kreuzt. Die Feierlichkeiten des neuen Volksfestes enden dann in einer rituellen Begegnung mit geistigen Getränken. Schließlich schmücken die Spieler sich am nächsten Tag mit dunklen Sonnenbrillen. Solidarisch hat dann die gesamte Stadt mit den THW-Akteuren Kopfschmerzen.

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 23.05.2008)


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