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Die Handball-Woche.
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Von Dr. Oliver Schulz, aus der "Handball-Woche" 29/2008:
Spätestens wenn am 10. August der erste Ball fliegt, rückt die
Hauptstadt des Reichs der Mitte in die Mitte des weltweiten
Handballinteresses: aus den beiden Sechsergruppen qualifizieren
sich die besten vier Nationen für das Viertelfinale. Große
Ereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten voraus, und so hat
jedes Team begonnen, sich akribisch auf die
Olympischen Spiele in Peking vorzubreiten.
Spanien: Erste Schritte in Granada
Die "Seleccion" von Trainer Juan Carlos Pastor begann ihre
Vorbereitung in Granada am Fuße der Sierra Nevada. Kaum
angekommen teilte
Demetrio Lozano -
Ex-Kieler und ältester Feldspieler im Kader - der
Nachrichtenagentur EFE voller Vorfreude mit, Olympische
Spiele seien zweifellos das wichtigste, schönste und für
einen Sportler mit den meisten Träumen behaftete Ereignis.
Nicht mit dabei sind die verletzten Rolando Urios und
Chema Rodriguez. Nach der Rückkehr aus Granada steht Mitte
Juli ein zweiwöchiges Trainingslager bei Madrid an. Die
Teilnahme am Straßburger Eurotournoi gegen Island, Frankreich
und Ägypten sollen Pastor abschließend Aufschluss darüber
geben, welche zwei Akteure er noch aus seinem Kader streicht.
Linksaußen David Davis sprach in der Sportzeitung "Marca"
von einer Todesgruppe und gab das - schwer zu erreichende -
Ziel aus, eine Medaille zu gewinnen. In Peking wolle man
so weit oben wie nur möglich landen, blickte sein Coach
voraus und versicherte dem Blatt den hervorragenden
körperlichen Zustand seiner 16 Männer. Müdigkeit aufgrund
der nur kurzen Verschnaufpause der Spieler werde von der
Vorfreude auf das Spektakel verdrängt.
Frankreich: Aus dem Gebirge ans Meer
Frankreichs Nationaltrainer Claude Onesta, zuletzt
vorübergehend in den Fokus San Antonios geraten, scharte
seine Spieler zunächst zu einem zweiwöchigen Krafttraining
im Wintersportzentrum La Toussuire in den Savoyer Alpen um
sich. Nach dreitägiger Pause sind die Spieler zur zweiten
Vorbereitungsphase mittlerweile in Dünkirchen angekommen,
wo eine Woche lang der Handball wieder stärker in den
Vordergrund rückt.
Während an der Küste noch alle 21 Spieler zugegen sind, die
schon in den französischen Alpen schwitzten, muss Onesta
seinen Kader bis zum dritten Abschnitt der Vorbereitung
verkleinern: vom 17.-21. Juli trifft die Equipe Tricolore
bei einem Turnier in Krasnodar u.a. auf Russland und
Afrikameister Ägypten. Vom 24.-28. Juli nimmt die Mannschaft
schließlich am Eurotournoi teil, wo sie sich erneut mit
Ägypten, aber auch mit Spanien und Island messen wird. Am 1.
August kommt der Tross in Paris zusammen und wird von dort
nach Fernost aufbrechen.
Um vor Olympia den Stellenwert des Handballs und den
Bekanntheitsgrad der Spieler beim heimatlichen Publikum zu
erhöhen, wurde eigens eine Informationskampagne ins Leben
gerufen. Auf der Seite experts-handball.com kann man sich nun
nahezu über jeden Schritt der Männer um Kapitän Olivier
Girault informieren.
Dänemark: Optimaler Start gegen Ägypten
Die Europameister um Ulrik Wilbek zeigten Ende Juni Ägypten,
auf das sie auch zum Auftakt in Peking treffen werden, zweimal
klar seine Grenzen auf. Mit Blick auf die knappen Ergebnisse
Deutschlands gegen die Nordafrikaner sprach der Coach gegenüber
"Ekstrabladet" von einem nahezu idealen Start der Vorbereitungen.
Vom physischen Zustand der Mannschaft beeindruckt, nahm er
selbstbewusst den Kampf um olympisches Gold ins Visier und setzt
auf Schlagwörter wie Freiheit und Eigenverantwortlichkeit seiner
Spieler. Nachdem sich Wilbek mit der Auslosung sehr zufrieden
zeigte, würde er die Truppe nur allzu gern zum zweiten Mal in
diesem Jahr zu einem Titel führen.
Den letzten der 14 begehrten Plätze hatte sich der routinierte
Linkshänder Klavs Bruun Jörgensen vor Youngster Mikkel Hansen
gesichert. Der 20-jährige - zukünftig in Diensten Barcelonas -
soll allerdings im Falle einer Verletzung eines Kollegen einspringen.
Am 27. Juli messen sich die Rot-Weißen zunächst mit Nachbar
Schweden. Wenig später ist eine Art Allstar-Team der Liga ihr
Gegner, bevor es am 3. Juli auf die Reise geht. Vier Tage vor
dem Startschuss gegen Ägypten feilen die Dänen in Peking in
einem Testspiel gegen Frankreich am letzten Schliff.
Island: Zahlreiche deutsche Legionäre im Kader
Als Gudmundur Gudmundsson, Nationaltrainer auf der Vulkaninsel,
letzte Woche seinen 19 Mann starken Kader bekanntgab, fiel der
hohe Anteil von Spielern mit deutscher Vergangenheit ins Auge.
Sechs Akteure spielen in der Bundesliga, darunter die
Neuverpflichtungen Svavarsson und Ingimundarson, zwei stehen
in der Zweiten Liga unter Vertrag. Weitere sieben Akteure haben
der höchsten deutschen Spielklasse inzwischen wieder den Rücken
gekehrt. Auf Halbrechts soll der junge Runar Karason (Fram)
den aus persönlichen Gründen pausierenden Holmgeirsson vertreten.
Island hat am 18./19. Juli zwei Heimspiele gegen Spanien angesetzt.
Eine Woche später treffen die Männer aus dem Nordatlantik beim
Eurotournoi in Straßburg erneut auf die Iberer sowie auf Frankreich
und Ägypten.
Kroatien: Sommerfreuden in Zadar
Während seiner Vorbereitungsphase in Zadar trat Kroatien jüngst
zweimal gegen Nachbar Bosnien an. 4000 Zuschauer sahen am Donnerstag
Abend in der Heimatstadt der Valcic-Brüder im ersten Spiel nach
einer bereits zur Pause beruhigenden 19:11 Führung einen überlegenen
38:24 Sieg. Der junge Linksaußen Manuel Strlek war mit sechs Treffern
bester Schütze des Teams von Coach Lino Cervar und Co-Trainer Slavko
Goluza.
24 Stunden später rief Kroatien an gleicher Stelle erneut eine
starke Leistung ab und ließ Bosnien beim 35:17 nicht den Hauch einer
Chance. Diesmal war der vielversprechende Regisseur Domagoj Duvnjak
mit acht Toren am treffsichersten. Strlek und Duvnjak sind indes
nur zwei wohlklingende Namen einer ganzen Reihe junger, hungriger
Nachwuchsspieler. In Kürze stehen zwei Partien gegen Tunesien an.
Russland: Zweimal gegen Deutschland
Mitte Juni hatte sich Russland durch ein 26:26 und 34:30 gegen
Weißrussland sein WM-Ticket gesichert. Nur eine Woche später nahm
die "Sbornaja" in Minsk an einem Viernationenturnier mit just
Weißrussland, Litauen und Georgien teil. Im Finale gelang dem
Gastgeber mit 27:25 die Revanche.
Vom 17.-21. Juli findet in Krasnodar ein Viernationenturnier mit
Russland, Frankreich, Ägypten und einem noch zu benennenden Team
statt. Eine Woche später trifft Vladimir Maximovs Truppe in Köln
bzw. Halle/Westfalen zweimal auf die deutsche Auswahl. Die
Osteuropäer werden übrigens auch Deutschlands erster Prüfstein
bei der WM 2009 in der kroatischen Grenzstadt Varazdin sein.
Brasilien: Ribera beruft vier Legionäre
Im vorläufigen Aufgebot von Brasiliens katalanischem Übungsleiter
Jordi Ribera stehen mit Souza und Rui bzw. Borges und Ertel je
zwei Spieler, die über Erfahrungen aus der Bundesliga bzw. der
Liga Asobal verfügen. Die meisten der verbleibenden einheimischen
Akteure spielen entweder für Metodista, Pinheiros oder Sao Caetano.
Die Südamerikaner absolvieren zunächst bis Mitte Juli ein
Trainingslager in Sao Paulo. Zur Akklimatisierung reist der
Tross am Monatsende dann für eine Woche nach Japan bzw. Korea,
wo vier Freundschaftsspiele auf dem Programm stehen. Erster
olympischer Gegner der Grün-Gelben wird - wie schon vor vier
Jahren in Athen - Frankreich sein. Metodistas zuletzt
angeschlagener Torhüter Alexandre Morelli Vasconcelos, schon
damals zwischen den Pfosten, will in China eine bessere
Platzierung als in Griechenland erreichen. Seinerzeit verlor
Brasilien das Spiel um Platz 9 gegen Island mit 29:25.
(von Dr. Oliver Schulz, aus der "Handball-Woche" 29/2008)