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14.10.2008 Handball international

Zebra: Hatz ohne Ende?!

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Heute begehen die Zebras das 15. Pflichtspiel der neuen Saison, dabei ist diese erst 46 Tage alt. Eine Terminhatz, die an die Substanz geht. Abhilfe sollte auf dem EHF-Kongress in Wien geschaffen werden.
Durchschnittlich alle drei Tage hat der THW Kiel bisher eine Begegnung in der Champions League, der TOYOTA Handball-Bundesliga und im DHB-Pokal zu bestreiten gehabt, mindestens 14 folgen noch bis zum 27. Dezember. Hinzu kommen für die Nationalspieler im Dress des THW Kiel noch EM-Qualifikations- und Vorbereitungsspiele auf die Weltmeisterschaft in Kroatien im Januar. Obwohl von allen Seiten beklagt und bedauert, geht die Terminhatz im Handballsport unverdrossen weiter - und ein Ende des kräfteraubenden Wahnsinns ist nicht in Sicht. Auf dem Kongress der Europäischen Handball Föderation (EHF) Ende September in Wien wollten sich über 200 Klub- und Verbandsfunktionäre erneut mit dem alles bestimmenden Thema beschäftigen.

Diskutiert und erörtert wurde ausgiebig - herausgekommen ist dabei allerdings einmal mehr wenig. Denn die Frage, wie der Handball-Kalender mit Klubwettbewerben, Welt- und Europameisterschaften in Zukunft moderater gestaltet werden kann, wurde erneut verschoben. Immerhin: Eine neugeschaffenen Arbeitsgruppe soll der EHF-Exekutive bis zum März 2009 ein Ergebnis präsentieren. Vorsitzender der Kommission ist EHF-Vizepräsident Jean Brihault, die Ligen Europas vertritt der deutsche Ligaverbands-Präsident Rainer Witte, die nationalen Verbände werden vom Dänen Morten Stig Christiansen vertreten, für die Klubs spricht Joan Marin vom Champions-League-Sieger Ciudad Real, und Jan Tuik wird die Interessen der EHF wahrnehmen. Vordringliches Ziel der Kommission: ein Terminvorschlag für die Europameisterschaften nach 2010. Gerade oder ungerade Jahre, Januar oder September, Status Quo oder Terminentzerrung - diese Fragen sollen bis März kommenden Jahres geklärt werden.

Für einen Großteil der heutigen Handball-Stars bringen eventuelle Ergebnisse der Kommission voraussichtlich aber wenig. "Bei der EM in Serbien 2012 wird wohl im Januar gespielt", sieht Rainer Witte aktuell noch keine Möglichkeiten der Änderung. "Der Vorschlag der Kommission muss immerhin erst durch mehrere Instanzen." Außerdem seien die Spannungen zwischen EHF und IHF ein weiterer Grund, warum man nicht auf kurzfristige Ergebnisse hoffen dürfe. Wenn die Europameisterschaften in ungerade Jahre wechseln würden, kollidierten sie direkt mit der von der IHF veranstalteten Weltmeisterschaft. "EHF und IHF müssen ihren Wettkampfkalender aufeinander abstimmen, sonst geht das alles nicht", befürchtet DHB-Vizepräsident Horst Bredemeier weiteren Klärungsbedarf.

"Der Handball muss nach vorne gebracht werden, und alle Beteiligten - auch die Vertreter von IHF und EHF - müssen an einem Strang ziehen", betont Witte, der in den - oberflächlich betrachtet - mauen Beschlüssen von Wien trotzdem eine Besserung erkennen kann: "Die Klubs profitieren am meisten." Dabei spielt er weniger auf die körperliche Belastung der Spieler, sondern vielmehr auf die finanzielle Entschädigung der Vereine an, die Nationalspieler für Europameisterschaften abstellen müssen. Mindestens 400.000 Euro oder maximal zehn Prozent der Einnahmen einer Europameisterschaft sollen demnach an die Vereine ausgeschüttet werden, die Spieler abstellen. Außerdem erhalten die Verbände der EM-Teilnehmer zwanzig Prozent der Einnahmen. "In Deutschland wird der Verband dieses Geld an die Klubs weitergeben", verspricht Witte einen Geldsegen für die Vereine der Bundesliga.

Die haben auch in diesem Jahr wieder extrem mit den Nachwehen des internationalen Terminkalenders zu kämpfen. Europameisterschaften im Januar, die Olympischen Spiele in Peking im August und seitdem wieder Bundesliga, DHB-Pokal und europäische Klubwettbewerbe wie die Champions League - vor allem die Stars der Liga haben mit diesem Wahnsinns-Programm mit zwei Spielzeiten ohne Pause zu kämpfen.

"Allen Spitzenmannschaften sind die Nachwirkungen der Olympischen Spiele anzumerken", sagt beispielsweise THW-Kapitän Stefan Lövgren. "Der Trainingszustand der Peking-Fahrer ist nun einmal nicht der gleiche wie unser, zudem müssen die Enttäuschten das Erlebte erst einmal verarbeiten."

Lövgren, der im kommenden Jahr seinen Abschied vom Leistungshandball feiern wird, spricht angesichts der Belastungen und der Terminflut gar von einer "Bankrotterklärung für den Handball": "Es gab zwei, drei Jahre, in denen ich durchgehend leicht verletzt war, ohne eine Chance, das auszukurieren. Für den Körper war das eine Katastrophe." Auch Nationalspieler Christian Zeitz zog aus ähnlichen Erfahrungen jetzt Konsequenzen: "Ich war die letzten zwei Jahre dauerverletzt, habe die großen Turniere aber trotzdem immer mitgespielt", erklärte der Kieler Halbrechte, warum er zunächst auf weitere Länderspiele verzichten möchte. THW-Kapitän Lövgren geht sogar noch einen Schritt weiter: Könnte er seine Karriere heute noch einmal planen, so der Schwede, würde er sich viel eher Auszeiten von der Nationalmannschaft gönnen. "Europameisterschaften alle zwei Jahre gab es früher nicht, die Champions League ist viel größer geworden", sieht Lövgren den Handball durch den aufgeblähten Terminkalender am Scheideweg. "Die Jungs, die heute mit 19 oder 20 Jahren den Durchbruch in der Bundesliga schaffen, werden nie im Leben spielen können, bis sie 39 oder 40 Jahre alt sind."

Eine Situation, die auch HSV-Trainer Martin Schwalb befürchtet. "Der Rhythmus von fünf großen Nationalmannschaftsturnieren in vier Jahren wird vorerst bestehen bleiben", so Schwalb, "und weiterhin auf dem Rücken der immer gleichen Spieler ausgetragen." Ausgerechnet die Stars des Sports seien die Leidtragenden dieser Entwicklung. "Das Pensum der Spieler geht weit über die Schmerzgrenzen hinaus", findet auch HSV-Geschäftsführer Piet Krebs.

Wohin das bereits jetzt geführt hat, macht Stefan Lövgren an einem Beispiel fest: "Schon in der Vorrunde der Europameisterschaft war das spielerische Niveau nicht gut, die schnelle Mitte haben alle Mannschaften abgeschafft, weil es körperlich nicht durchzuhalten war." Der Sport schieße sich damit ein Eigentor. Das sieht auch Flensburgs Sportlicher Leiter Anders Dahl-Nielsen so: "Die Jungs sind nicht mehr fit. Zuletzt war es nicht mehr seriös, was wir den Spielern und Fans zu bieten hatten." Deshalb fordert Lövgren die Spieler auf, aktiv etwas für den Schutz ihrer Körper und Karrieren zu tun: "Wenn mehr und mehr Stars sagen: Tut mir leid, das wird mir zu viel, dann werden die Fernsehverträge nicht mehr so gut dotiert sein. Die Frage ist, wer damit anfängt", fordert der Kieler Kapitän seine jüngeren Leidensgenossen auf, sich ein Mitspracherecht notfalls zu erzwingen: "Vorher wird kein Umdenken stattfinden."

Das hat auch der EHF-Kongress gezeigt. THW-Manager Uwe Schwenker fasste die Resultate der Zusammenkunft gewohnt kurz zusammen: "Bis zum Jahr 2012 wird nichts passieren." Zu spät, wie nicht nur Schwenker findet. "Bevor in vier Jahren eine Entscheidung gefallen ist, verlieren wir eine Handballgeneration", blickt Schwalb in eine düstere Zukunft des Handballs - so denn auch bei den nächsten Treffen nichts Greifbares herauskommt.

(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)


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