Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
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Börge Lund: "Die Atmosphäre bei den Heimspielen ist atemberaubend."
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Ein wenig müde und geschafft klingt
Börge Lund
wenige Tage nach seiner Operation an der Achillessehne.
Den Blondschopf des THW Kiel hat es im
Spiel in Barcelona
böse erwischt. Im ZEBRA-Interview spricht der 29-jährige Norweger
aus Bodö aber nicht nur über seine Verletzung.
- Zebra:
-
Was genau ist in Barcelona passiert?
- Börge Lund:
-
Meine Achillessehne war zu drei Vierteln gerissen,
und nun stehen mir fünf bis sechs Monate Pause
bevor. Das ist allerdings auch das Maximum,
also hoffe ich doch insgeheim, dass es
vielleicht ein bisschen schneller gehen könnte.
- Zebra:
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Was ging Ihnen im Moment der Verletzung durch den Kopf?
- Börge Lund:
-
Mein erster Gedanke war: Mein Gegenspieler ist mir
von hinten in den Fuß gelaufen oder hat mich getreten.
Doch als ich mich umgeschaut habe, war dort
niemand. Ein wenig später erinnerte ich mich,
dass Freunde aus der Nationalmannschaft mir
schon einmal erzählten, dass sie dieses Gefühl
hatten, und am Ende eine gerissene Achillessehne
dabei herausgekommen war - also wusste ich
in etwa, was es hätte sein können. Leider
hat mich mein Gefühl nicht getäuscht.
- Zebra:
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Und das, wo es gerade sportlich aufwärts ging .
- Börge Lund:
-
Als Sportler ist so eine lange Pause wirklich bitter.
Egal, zu welchem Zeitpunkt sie kommt. Dies ist meine
erste richtig schwerwiegende Verletzung, und so werde
ich ab jetzt viele neue Erfahrungen machen und lernen
müssen, damit umzugehen.
- Zebra:
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Wie haben Sie die ersten Tage nach der Operation verbracht?
- Börge Lund:
-
Die ersten Tage habe ich nur auf dem Sofa gelegen.
Noch ist es nicht so schwer, mit der Verletzung
umzugehen. Das wird erst nach ein bis zwei
Monaten kommen. Dann, wenn ich meine Mitspieler
auf dem Feld spielen und trainieren sehe.
Und ich bemerke, dass ich nicht dabei sein kann.
- Zebra:
-
Versuchen Sie trotzdem, Positives darin zu sehen?
- Börge Lund:
-
Das fällt schwer. Ich hoffe einfach, nur noch
stärker aus der "Zwangspause" herauszugehen.
- Zebra:
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Bis vor einigen Wochen lief es sportlich wesentlich besser
als in der vergangenen Saison. Sind Sie in Kiel angekommen?
- Börge Lund:
-
Ich habe mich vom ersten Tag an in Kiel wohlgefühlt.
Die Mannschaft, die Stadt und die Atmosphäre sind
toll. Was mir anfangs gefehlt hat, waren die
Spielzeiten. Doch das war in den letzten
Monaten auch besser geworden. Umso ärgerlicher
ist es, nun gebremst zu werden.
- Zebra:
-
Was haben Sie in dem einen Jahr in Kiel lieben gelernt?
- Börge Lund:
-
Was wirklich anders ist als sonst überall, wo ich schon
gewesen bin, ist die Atmosphäre bei unseren Heimspielen.
Die liebe ich wirklich - sie ist atemberaubend.
- Zebra:
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Wie haben Sie es sich zu Hause gemütlich gemacht?
- Börge Lund:
-
Meine Frau Tone macht all das, was mit Einrichtung, Stil
und Möbeln zu tun hat - es ist ein bunter Mix aus allem.
Norwegischer und deutscher Stil, aber auf jeden Fall
sehr modern. Wir machen es so, wie es uns gefällt,
dann fühlen wir uns wohl.
- Zebra:
-
Zweifelsohne gehören Sie zu den hervorstechenden Persönlichkeiten beim THW .
- Börge Lund:
-
Viele denken das. Doch ich bin vom Charakter her eher etwas
zurückhaltend und stehe im Hintergrund. Also vielleicht mag
ich durch mein Äußeres auffallen, in Wirklichkeit bin ich
aber anders, was die anderen auf den ersten Blick nicht wahrnehmen.
- Zebra:
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Ist Kiel Ihnen vielleicht ein bisschen zu schlicht?
- Börge Lund:
-
Die Stadt ist in keinem Fall langweilig. Ich brauche
kein großes Programm oder große Möglichkeiten in
einer Stadt. Durch den Sport und meine Familie
habe ich nicht wirklich Zeit, etwas anderes zu
machen. Ich genieße es einfach, den Moment zu
leben, und das nicht mit großen Attraktionen,
sondern im Kreise meiner Familie. In Norwegen
haben wir in einer Stadt gewohnt, die gerade
einmal 45 Einwohner hat.
- Zebra:
-
Bodö - Ihr Heimatort - liegt am Polarkreis. Man könnte meinen, Sie passen überhaupt nicht in eine Großstadt.
- Börge Lund:
-
Kiel ist auch keine typische Großstadt für mich. Hamburg
schon eher, doch in Kiel ist vieles persönlicher,
die Menschen sind mehr zusammen. Das gefällt mir,
aber sicherlich sind Bodö und Kiel zwei Extreme
und völlig unterschiedlich.
- Zebra:
-
Haben Sie Ihre Heimat denn erst wertschätzen können, nachdem Sie ins Ausland gewechselt sind?
- Börge Lund:
-
Ja, auf jeden Fall. Als ich damals nach Dänemark gekommen bin,
wusste ich, was ich in meiner Heimat so genossen habe.
Als ich irgendwann zurückkam, merkte ich, wie schön
dort doch alles ist. Man sieht dies erst im Nachhinein.
Es ist doch auch bei vielen anderen Dingen so,
dass man sie erst dann zu schätzen weiß, wenn
man sie nicht mehr hat.
- Zebra:
-
Was sind das für Gefühle, wenn Sie nach Hause zurückkehren?
- Börge Lund:
-
Es ist jedes Mal schön zurückzukehren, die Familie und die Freunde
zu sehen. Das gibt einem Kraft, auch wenn ich dann nur
für ein paar Tage dort bin.
- Zebra:
-
Ist Börge Lund ein Naturtyp?
- Börge Lund:
-
Ich bin weißgott kein Mensch, der durch die Natur streift.
Das bin ich früher nicht gewesen, und das bin ich auch
heute noch nicht. Ich mache keine ausgiebigen Spaziergänge,
doch ich freue mich, die Natur zu sehen - ich genieße
zum Beispiel die Aussicht in Norwegen und genieße
dies auf meine Art und Weise.
- Zebra:
-
Wollen Sie, Ihre Frau Tone und Ihr Sohn Lukas nach der sportlichen Karriere nach Bodo zurückkehren?
- Börge Lund:
-
Ja unbedingt!
- Zebra:
-
Man könnte meinen, Sie seien der Typ Rocker, der gerne auf die Piste geht und feiert .
- Börge Lund:
-
Ob man aussieht wie ein Rocker oder ob man einer ist - das
ist ein großer Unterschied. Die Leute, die nur vom
Äußeren her urteilen, sind mir zu oberflächlich.
Ich liebe schon die Musik, doch habe ich für mehr
gar nicht wirklich Zeit. Durch unseren Sohn Lukas
sind wir erwachsener geworden und setzen unsere
Prioritäten anders. Es geht nicht immer nur ums
Feiern und Spaß haben. Für meine Karriere war es
auch von Vorteil, das Glück mit der Familie zu haben.
Als ich in Dänemark war, gab es nur Handball und
eben die Musik - man hat sich zwischenzeitlich
gar nicht mehr so auf den Sport konzentriert,
sondern mehr auf das Abendprogramm. Inzwischen
stehen Familie und Sport im Vordergrund.
- Zebra:
-
Musik ist aber weiterhin eines Ihrer großen Hobbys?
- Börge Lund:
-
Auf jeden Fall. Ich war schon öfter auf Festivals in Dänemark
und Konzerten, Musik ist eine meiner Leidenschaften und
hilft mir beim Abschalten vom Sport. Letztes Jahr
habe ich es aber nur zu zwei oder drei Konzerten
geschafft. Schade, dass nur sehr wenige Konzerte
in der Kieler Sparkassen-Arena statt finden.
- Zebra:
-
Welches war Ihr letztes Konzert?
- Börge Lund:
-
Das letzte Mal waren wir bei den Smashin Pumpkins in Hamburg.
Für ein gutes Konzert reisen wir auch gerne mal - und
wenn es eben nur nach Hamburg ist.
- Zebra:
-
Welche Bands sind momentan bei Ihnen angesagt?
- Börge Lund:
-
Es gibt zurzeit doch wirklich unglaublich viele Gruppen
und Bands, die aus dem Boden schießen. Eine wirklich
gute Musikgruppe habe ich aber in den letzten Monaten
nicht neu kennengelernt. Ich interessiere mich
für norwegische Musik, aber auch deutsche Künstler
finde ich durchaus gut. Ich bin beispielsweise
ein Fan von Reamon und Rammstein - Rockmusik eben.
- Zebra:
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Wie viele CDs haben Sie in Ihrem Haus?
- Börge Lund:
-
Wir haben vier volle CD-Ständer, die vom Fußboden bis
zur Decke reichen. Ich meine, es sind zwischen 400
und 600 CDs, die sich dort stapeln. Mir liegt halt
etwas an einem schönen Album, bei dem man das Booklet
herausnehmen und die Texte nachlesen kann. Man hat
etwas in der Hand und nicht nur eine Datei auf dem
Computer. Die CDs habe ich dann grob nach Alphabet
sortiert, anders behält man bei den Mengen auch
keinen Überblick und findet nichts wieder (lacht).
- Zebra:
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Sind Sie ein ordnungsliebender Mensch?
- Börge Lund:
-
Bei einigen Dingen, wie zum Beispiel meinen CDs, ist
mir die Ordnung schon wichtig. Ich habe auch gemerkt,
dass ich in der Beziehung mit mir selbst strenger
geworden bin. Früher sah es bei mir zu Hause so aus,
als wäre eine Bombe eingeschlagen. Je älter ich wurde,
desto ordentlicher sah es bei mir aus. Heute freue
ich mich, wenn ich in ein aufgeräumtes Zuhause komme.
(Das Gespräch führte Annika Stöllger, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)