19./20./21.10.2008 - Letzte Aktualisierung: 21.10.2008 | Champions League |
Update #3 | Spanische Pressestimmen, KN-Spielbericht, Stimmen, Spielbericht und Statistik ergänzt... |
Vom Publikum angepeitscht, zeigten die Katalanen auch sofort, dass die Defensive das neue Prunkstück der Mannschaft darstellt. Der Ungar Nagy und der Schwede Jernemyr im Mittelblock, daneben mit den beiden Dänen Nöddesbo und Boldsen ebenfalls große "Brocken". Aggressiv traten die Spieler aus der 6:0-Deckung heraus, um vor allem die Kieler Halbpositionen im Rückraum außer Gefecht zu setzen. Dies gelang anfangs auch sehr gut, doch der THW ließ sich davon nicht beirren. Mit vollster Konzentration wurden die Spielzüge vorgetragen, geduldig und mit Spielwitz - soweit es die aggressive Barca-Abwehr ermöglichte - der besser postierte Nebenmann gesucht. So legten die Kieler zunächst stets vor, Kavticnik, Lövgren, Karabatic, Klein und Ahlm erzielten die ersten fünf Treffer - allein dies schon ein Indiz für die Unberechenbarkeit des Kieler Angriffsspiels. Einzig Kim Andersson fand kein Mittel gegen die Störangriffe insbesondere Boldsens, doch zeigte der Schwede immerhin tolle Anspiele.
Allerdings glich der FC Barcelona jeweils postwendend aus, erlaubte dem THW nicht einmal eine Zwei-Tore-Führung. Besonders Rückraumriese Laszlo Nagy und Linksaußen Juan Garcia taten sich als Torschützen hervor. Als Marcus Ahlm nach Foul an Kreisläufer Garabaya eine Zeitstrafe kassierte, nutzte Barcelona dann sogar sein gefürchtetes Überzahlspiel, um mit 9:7 in Führung zu gehen. Die Hausherren wechselten früh durch, was die engagierte Kieler Deckung um den agilen Börge Lund im Mittelblock immer noch vor einige Probleme stellte. Nachdem der kurzfristig verpflichtete Mittelmann Ben Amor auf 11:8 erhöhte und Lund dabei auch noch vom guten slowenischen Schiedsrichtergespann auf die Bank geschickt wurde, drohte der THW erstmals den Anschluss verlieren zu können. Doch dank einer wichtigen Parade Omeyers gegen Lozano und einem abgefangenen Kreisanspiel hielten sich die Zebras in Unterzahl schadlos und konnten durch den mittlerweile auf die Mitte gerückten Karabatic sogar verkürzen.
Als kurz darauf auch endlich Barcelona die erste Strafzeit aufgebrummt bekam, glichen Kavticnik und Karabatic sogar wieder aus. Auch von einem erneuten Zwei-Tore-Rückstand beim 13:15 und einer durch zwei Minuten bestraften Unsportlichkeit von Christian Zeitz ließen sich die Kieler nicht beirren. Unterstützt durch einen sich langsam steigernden Thierry Omeyer, der besonders Linksaußen Garcia mehrere Bälle von außen und auch einen Siebenmeter "abkaufte", gelang bis zum Ende des ersten Durchgangs erneut der Ausgleich. Experten, die ein Duell auf Augenhöhe erwarteten, sahen sich zum Pausenpfiff endgültig bestätigt.
Und so lief es auch erst einmal weiter: In schneller Folge schraubten Hansen, Klein und der bis dahin überragende Nagy das Ergebnis auf 17:16 für die Gastgeber, ehe eine siebenminütige Torflaute eintrat. Die Kieler Deckung hatte sich nun endgültig auf Barcelonas Angriffe eingestellt, von Lozano und Boldsen war nicht mehr viel zu sehen. Auch über außen fanden die Katalanen kein Mittel: Garcia traute sich nach seinen Fehlwürfen nicht mehr, Rocas scheiterte gleich zweimal an Omeyer. Aber auch die Zebras kamen gegen die weiterhin gut gestaffelte Barca-Abwehr nicht zurecht, insbesondere der immer unglücklicher agierende Kim Andersson rieb sich weiter erfolglos an der Deckung auf.
Gislason reagierte auf die allgemeine Torarmut und brachte nun wieder den im letzten Jahr gegen Barcelona überragenden Filip Jicha ins Spiel, Nikola Karabatic übernahm wieder die Spielmacherposition von Lövgren. Dieser Wechsel leitete die erste richtig starke Phase der Zebras ein. Zwar traf zunächst Mikkel Hansen zum 18:16, doch danach spielte nur noch der THW: Sechs Tore in Folge gelangen den Gästen nun, allein dreimal traf dabei Jicha. Zudem zog Omeyer nun endlich Laszlo Nagy den Zahn, wodurch Barcelona von nun an das Glück über den Kreis versuchte. Die Anspiele waren aber ein gefundenes Fressen für den aufmerksamen Kieler Mittelblock. Plötzlich stand es 22:18 (43.) für den THW, und es wurde spürbar leiser im Palau Blaugrana.
Dies änderte sich aber schnell wieder. Lozano kämpfte sich mit einer Einzelleistung durch und verkürzte für die Blau-Roten. Der THW wollte per Schneller Mitte die Zuschauer wieder verstummen lassen. Dabei zog sich aber der aufs Tor zudribbelnde Börge Lund ohne Fremdeinwirkung eine böse Achillessehnen-Verletzung zu, der Norweger wurde sofort gestützt vom Parkett geführt. Ein herber Verlust für den THW, insbesondere in der Abwehr. Die Kieler wirkten auch geschockt, zumal sie auch noch Karabatic für zwei Minuten verloren. Nagy und zweimal Nöddesbo per Gegenstoß nach Ballverlusten von Andersson und Jicha bedeuteten binnen 150 Sekunden wieder den Ausgleich (47.). Die Halle kochte, der THW schien zu schwächeln.
Doch in genau dieser Drangphase der Gastgeber warf Alfred Gislason die grüne Karte auf den Zeitnehmertisch und stellte seine Mannschaft auf die Schlussphase ein. Die zweite starke Kieler Phase sollte nun beginnen. Erneut war Filip Jicha mit zwei Treffern zum 24:22 die Initialzündung hierfür, doch ein unfassbar starker Thierry Omeyer zwischen den Pfosten stahl ihm sogar noch die Show. Reihenweise brillierte der französische Olympiasieger nun gegen Hansen, Nöddesbo und sogar Kapitän Tomas, der weder Gegenstoß noch Strafwurf an Omeyer vorbeibringen konnte. Das Selbstvertrauen, das der Torhüter ausstrahlte, sprang nun auch auf die anderen Spieler über, Ahlm per Gegenstoß, Kavticnik aus dem Rückraum und erneut Ahlm nach schönem Anspiel von Zeitz bedeuteten das 27:22 (52.) für die Zebras - die Vorentscheidung.
Es wurde bereits klar, dass weder Heimmannschaft noch -publikum an eine Wende glaubten. Die Kieler Fans skandierten lautstark "Jetzt geht's los", das Team von Cadenas ließ merklich die Köpfe hängen. Karabatic und Zeitz demütigten die Gastgeber mit zwei weiteren Treffern zum 29:23 weiter. In den Schlussminuten gelang den Katalanen nicht mehr als noch eine leichte Ergebniskosmetik. Der THW Kiel hat also im sechsten Anlauf endlich die "Festung" in Barcelona gestürmt und damit gleichzeitig die ersten Punkte für die Zwischenrunde gesammelt - sofern sie erreicht wird. Doch daran zweifelt wohl mittlerweile niemand mehr.
Bereits am Mittwoch allerdings geht es schon weiter für den THW, der um 19.30 Uhr in der 3. Runde des DHB-Pokals den Bundesliga-Aufsteiger Stralsunder HV empfängt.
(Sascha Krokowski)
Wir müssen uns nichts vormachen, vor uns liegt noch viel Arbeit. Wir haben hier ja nicht in den letzten Sekunden verloren, sondern eine deutliche und verdiente Niederlage gegen einen überlegenen Gegner eingesteckt. Fatal war unser Angriff, ein Positionsspiel hat praktisch nicht stattgefunden. Und wenn wir dann mal eine Möglichkeit hatten, dann stand da in der zweiten Halbzeit Thierry Omeyer. Fantastisch, was der alles gehalten hat.
Internationale Top-Teams gewinnen auch auswärts große Spiele. Wir haben heute bewiesen, dass wir so ein Top-Team sind. Wir haben zwar noch nicht die Champions League gewonnen, aber das waren dennoch zwei sehr wichtige Punkte. Was mich traurig macht, ist die Verletzung von Börge Lund. Ich weiß noch gar nicht genau, was er hat. Aber es sah sehr schlimm aus.
In der ersten Halbzeit haben wir nicht schlecht, aber auch nicht besonders gut gespielt. Trotzdem stand es Unentschieden. Wir wussten, dass Barca das Tempo in der Deckung nicht durchhalten wird und haben geduldig auf den richtigen Moment gewartet. Das war eine grandiose Team-Leistung. Warum es bei mir erst gar nicht, dann aber immer besser lief, kann ich nicht erklären. Am Ende war ich froh, beim Sieg mitgeholfen zu haben.
Kiel hat uns mit seiner tödlichen Waffe, dem Tempogegenstoß, erledigt und Thierry Omeyer. Für uns heißt es jetzt, Kopf hoch. Das war ein Gruppenspiel, für das es zwei Punkte gab. In Kiel sind wieder zwei zu vergeben. Trotzdem weiß ich natürlich, wie schwer es wird, dort zu gewinnen. Aber möglich ist alles.
In der Champions League haben die drei weiteren deutschen Starter ihre dritten Partien bereits am Mittwoch und Donnerstag absolviert - allesamt erfolgreich.
Zunächst setzte der in der Liga schwächelnde HSV Hamburg seinen Siegeszug in der Gruppe D fort und siegte am Mittwoch beim serbischen Meister Roter Stern Belgrad deutlich mit 38:22 (17:12).
Auch die SG Flensburg-Handewitt feierte einen Kantersieg. In der Gruppe F setzte es einen souveränen 38:20 (20:8)-Heimsieg über Zaporozhye (UKR). Nach dem zweiten Sieg im dritten Spiel ist auch der Vizemeister auf einem guten Weg, die zweite Gruppenphase zu erreichen.
Und auch die CL-Debütanten, die Rhein-Neckar Löwen, blieben in der Königsklasse in der Erfolgsspur. Das erste Heimspiel gewannen die Löwen gegen den polnischen Meister Wisla Plock deutlich mit 38:25 (20:14) und liegen mit nun 5:1 Punkten mehr als im Soll.
Alle Ergebnisse des CL-Spieltages finden Sie hier.
Aus den Kieler Nachrichten vom 20.10.2008:
44 gespielte Minuten lagen hinter dem THW, als der Norweger nach einem Gerangel plötzlich mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden zurückblieb. "Er hat einen Knall in der Wade gespürt. Das ist ein Anzeichen für eine Beschädigung der Achillessehne", erklärte THW-Arzt Detlef Brandecker kurz nach dem Schlusspfiff. "Vielleicht ist sie nur angerissen. Das wird die Untersuchung in Kiel zeigen. Trotzdem wird er lange, lange ausfallen." Den Weg zurück ins Mannschaftshotel konnte Lund nur auf Krücken bewältigen.
Die Verletzung seines bis dahin in der Deckung mit Nikola Karabatic, Marcus Ahlm und später Filip Jicha vorzüglich agierenden Abwehr-Spezialisten stand, wenn auch spät, stellvertretend für die vor allem in der ersten Halbzeit knüppelharte Begegnung. Im Sekundentakt prallte gestählte Körperkraft ohne Rücksicht auf Verluste aufeinander. Mit hohem Tempo und viel Aggressivität versuchte "Barca", den THW aus dem Tritt zu bringen. Im Kampf um das Spielgerät klammerten sich zunächst Jernemyr, Nagy und Boldsen an Marcus Ahlm wie Schiffbrüchige an treibendes Strandgut. Nach Ahlms Zeitstrafe (12.) ging diese Taktik erstmals auf, "Barca" erspielte sich durch Lazlo Nagy (7) und den flinken Linksaußen Juanin Garcia einen 11:8-Vorsprung (18.). Die "Aficion" lechzte nun lautstark nach einem Kantersieg des FC. Doch die Auszeit von THW-Trainer Alfred Gislason brachte den THW wieder in ruhiges Fahrwasser. Und das trotz der Fehlwürfe von Filip Jicha, Karabatic' Lattenkracher und dem mit einer Zeitstrafe bedachten Wechselfehler von Kim Andersson, Jicha und Lund. Beim 13:13 durch Dominik Klein war der Deutsche Meister wieder voll im Spiel.
Lediglich 4000 Zuschauer in der nun "einst" gefürchteten Heimspielstätte des FCB, von denen der Großteil als Vereinsmitglieder traditionell auch noch freien Eintritt besitzt, wurde anschließend Zeuge einer zweiten Kieler Halbzeit, mit der der THW die stolzen Katalanen mitten ins Herz traf. Und zwar ohne Betäubung. Dafür aber mit der Philosophie des schnellen Spiels. Die Abwehr packte dermaßen zu, dass ein Tempogegenstoß nach dem anderen auf das spanische Tor rauschte.
FCB-Torwart Kaspar Hvidt ließ sich entnervt auswechseln. Zu zwei anderen wichtigen Mosaiksteinchen der eindrucksvollen Darbietung der "Zebras" mutierten zudem Filip Jicha und Torwart Thierry Omeyer. Dem Franzosen wurde bei seinen 20 Paraden nicht einmal das Prädikat "Weltklasse" gerecht.
Jicha schoss den THW zum 22:18 (43.). Und selbst, als "Barca" diesen Rückstand noch einmal durch den starken Kreisläufer Jesper Noddesbo egalisierte (22:22), behielt Kiel die Nerven. Auch Christian Zeitz, der sich bei seiner Hakelei mit Boldsen und Noddesbo den Unmut der FCB-Fans eingebrockt hatte, diese aber mit seinem ersten Treffer zur 29:23-Vorentscheidung (56.) für den THW zum Gehen animierte. Von einer Zentnerlast befreit, reckte Alfred Gislason die Fäuste in die Höhe. "Ich bin überglücklich. Dieser Sieg war sehr wichtig", meinte Gislason. Auch für ihn persönlich. Nicht nur für den THW bedeutete er im sechsten Anlauf den ersten Sieg. Auch Gislason befreite sich gestern vom Fluch Palau Blaugrana.
(von Frank Molter, aus den Kieler Nachrichten vom 20.10.2008)
Aus den Kieler Nachrichten vom 20.10.2008:
Am Personaleingang des Palau Blaugrana, der Heimat der rot-blauen Handballer, sitzt Alfred Gislason auf einem Mauervorsprung. Neben ihm schiebt eine TV-Crew ihre großen Kisten in die Halle. Gislason blinzelt in die Sonne und schließt die Augen. Als würde er darüber sinnieren, welchen Dreh seine Kabinensprache nehmen muss, damit die Mannschaft des THW Kiel nicht zum sechsten Mal mit leeren Händen aus Barcelona abreist.
Was der Isländer seinem Personal infiltrierte, bleibt seine Sache. Dass er damit nicht ganz falsch gelegen haben kann - wie auch in seinen geschickt platzierten Auszeiten während des Spiels - ist auch klar. Die Champions-Trophy in Veszprem einmal ausgenommen, war es gestern Gislasons internationale Nagelprobe mit dem THW. "Ich bin schon so lange in diesem Wettbewerb dabei. Deshalb habe ich an so was gar nicht gedacht", sagt der 49-Jährige." "Immerhin habe ich die Champions League ja auch schon mal gewonnen. Für die Mannschaft war es wichtig. Sie weiß jetzt, dass man hier eben nicht immer verliert."
Drei Siege aus drei CL-Spielen hat der THW nun auf dem Konto. Rosige Zeiten für den Deutschen Meister, die laut Gislason noch nicht beendet sein sollen: "Wir können noch viel besser spielen als heute", sagt er - nach einem Auswärtssieg beim FC Barcelona.
(von Frank Molter, aus den Kieler Nachrichten vom 20.10.2008)
Aus den Kieler Nachrichten vom 21.10.2008:
Die spanische Presse lobt den THW für den Sieg in Barcelona und besonders Torhüter Thierry Omeyer.
Omeyer hat Kiel den Sieg im Palau Blaugrana beschert. Die unfassbaren Reflexe des Franzosen raubten Barca die Moral. Auch Hvidt war nicht schlecht, aber Omeyer schwang sich zu einem beeindruckenden Niveau auf.
Barca hat gegen eine wahre Spitzenmannschaft und insbesondere zwei Goldmedaillengewinner von Peking verloren. Dank Omeyer im Tor und dem Dirigenten des Kieler Orchesters, Karabatic, fuhr der THW einen magischen Sieg ein. Eine eisenharte Deckung und das wunderbare Zusammenspiel waren die Höhepunkte des Kieler Konzerts.
Kiel steht eine Stufe über Barca. Der FC versuchte alles, traf in der zweiten Halbzeit aber auf eine unglaubliche Abwehr, in der Omeyer spielte, als käme er von einem anderen Planeten. Er wurde zum Albtraum der Katalanen.
Klare Schlappe für Barca. Omeyer erwischte einen bravourösen Abend.
Keine Fiesta zum 100. EC-Heimspiel für Barca. Karabatic zu halten, ist immer eine Herkules-Aufgabe. In Abwesenheit des Gladiators Iker Romero war es Omeyer, der Barca die Nerven raubte.
Ein Wahnsinnsspiel mit deutschem Sieg, in dem Omeyer brillierte. Seine zweite Halbzeit bleibt unvergesslich.
Karabatic warf Barca um.
(zusammengestellt von Frank Molter, aus den Kieler Nachrichten vom 21.10.2008)
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