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04.03.2009 Interview

Zebra-Interview mit Thierry Omeyer: Erfolgreich und familiär

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Thierry Omeyer.
Klicken Sie für weitere Infos! Thierry Omeyer.

Olympiasieger, Weltmeister und Gewinner der Champions League: Thierry Omeyer ist einer der erfolgreichsten Handballer aller Zeiten. Im ZEBRA-Interview spricht der Franzose über die Familie, Staatsempfänge bei Nicolas Sarkozy, Goldmedaillen und den Charakter eines Torhüters.
Ein typischer Nachmittag im Hause Omeyer. Tochter Manon macht fleißig ihre Hausaufgaben, und zeigt ihrem Vater Thierry stolz die Ergebnisse in Mathe. "Papa, cinq moins deux ca fait trois." Fünf minus zwei macht drei. Zwischen Champions League, Bundesliga und Nationalmannschaft bleibt dem 32-jährigen Torhüter immer noch genügend Zeit für die alltäglichen Dinge des Familienlebens - und für ein ausführliches Interview.
Zebra:
Olympia, WM, Bundesliga - wie motiviert man sich bei diesem Stress?
Thierry Omeyer:
Mit der Nationalmannschaft und dem THW Kiel kann ich so viel erreichen. Da ist es trotz des vollen Terminplans wirklich einfach, motiviert zu sein und von einem auf den anderen Moment alles zu geben für die jeweilige Mannschaft.
Zebra:
Welcher Erfolg mit Frankreich bedeutet Ihnen mehr?
Thierry Omeyer:
Die olympische Goldmedaille war das größte, was man als Sportler gewinnen kann. Alle herausragenden Sportler dieser Welt waren in Peking, und ich hatte das Gefühl, als ob man noch ein wenig mehr für sein Land spielt als sonst. Die Welt- und Europameisterschaften sind schon ein Erlebnis, seinen Kindheitstraum von den olympischen Spielen jedoch wahr zu machen, ist unbeschreiblich. So eine Chance bekommt man nicht oft.
Zebra:
Wo haben die Medaillen bei Ihnen zu Hause ihren Platz gefunden?
Thierry Omeyer:
Bis jetzt haben meine Medaillen keinen besonderen Platz. Viele Leute fragen mich immer noch, ob ich mal eben meine Goldmedaille zeigen kann, also liegt sie irgendwo in einer Schachtel rum. Ich werde vielleicht meine Medaillen und Auszeichnungen nach meiner sportlichen Karriere in einer schönen Vitrine oder einem Schrank verstauen. Zurzeit möchte ich durch die Medaillen aber auch gar nicht an vergangene Titel erinnert werden. Sie würden mich ablenken. Womöglich ließen sie mich auf meinen vergangenen Erfolgen ausruhen. Ich schaue jedoch nur nach vorn und fokussiere schon den nächsten Titel.
Zebra:
Ihr Frau Laurence war mit in Peking. Wie hat Ihre Familie bei der WM in Kroatien mitgefiebert?
Thierry Omeyer:
Meine Frau und meine Tochter Manon haben das Finalspiel mit den Frauen von Bertrand und Guillaume Gille in Hamburg gesehen. Leider konnten sie das Endspiel nicht live in Kroatien sehen, da Manon einen Tag später zur Schule musste. Das geht vor.
Zebra:
Ist Ihre Tochter nicht auch Ihr kritischster Fan?
Thierry Omeyer:
Sie sagt nicht unbedingt viel zum Beruf ihres Papas. Natürlich freut sie sich über eine Auszeichnung, die ich verliehen bekomme, und guckt mit Begeisterung die Spiele. Ich glaube auch, dass sie beurteilen kann, ob ich gut gespielt habe. Aber in erster Linie bin ich ja ihr Vater und nicht der Torhüter.
Zebra:
Sie sind oft unterwegs - ein notwendiges Übel?
Thierry Omeyer:
Ich mag den Stress, das Reisen und auch das Wohnen im Hotel. Das gehört einfach zu meinem Beruf, dem Sport, dazu. So ein Monat wie der WM-Januar, in dem man fast keinen Tag zu Hause ist, ist jedoch schwierig. Man freut sich dann auf die Stunden im Kreis der Familie.
Zebra:
Lernt man solche Moment mehr zu schätzen?
Thierry Omeyer:
Sicherlich schätzt man diese wenige Zeit daheim mehr, als wenn man sie in großen Mengen hätte. Für meine Tochter ist es jedoch schwer, wenn ich ihr erzähle, dass ich am nächsten Tag wieder zum Auswärtsspiel muss. Dann ist sie traurig. Sie möchte am liebsten viel Zeit mit mir verbringen, mit mir spielen und mir vieles zeigen. Manon sagt dann oft: "Papa du darfst nicht gehen." Solch ein Moment ist nicht einfach für mich. Wenn ich dann aber einmal zu Hause bin, gibt es von mir selten ein "Nein" für sie. Ich möchte ihr in der Zeit, die ich da bin, nicht auch noch etwas verbieten.
Zebra:
Ist die Belastung eines Torhüters mit der eines Feldspielers zu vergleichen?
Thierry Omeyer:
Ich gehe in keine Zweikämpfe und bin nicht das ganze Spiel über im Angriff-Abwehr-Wechsel. Bei Torhütern ist das Spiel vielmehr eine Kopfsache. Man muss sich vorbereiten, Videos schauen. Wenn ich dann im Tor stehe, bin ich 60 Minuten lang höchstkonzentriert. Das ist anstrengend und kräftezehrend. Einen direkten Vergleich zu den Belastungen eines Feldspielers würde ich jedoch nicht ziehen wollen.
Zebra:
Liegt die Einschätzung der Belastung auch an der Torhüterpersönlichkeit?
Thierry Omeyer:
Ja, es hat sicherlich damit etwas zu tun. Mit den Jahren lernt man, ein Spiel zu lesen, zu lenken und seine Energie einzuteilen. Man bekommt Erfahrung. Es gibt viele Situationen, die einem Torhüter einiges abverlangen. Man startet ein Spiel gut und hält viele Bälle in den ersten Minuten - dann läuft alles gut. Kommt man jedoch nicht gleich ins Spiel, muss man trotzdem kämpfen und weitermachen. Als junger, unerfahrener Torhüter mag man anfangs daran verzweifeln, später belastet einen das nicht mehr so sehr.
Zebra:
Wie würden Sie sich als Torhüter beschreiben?
Thierry Omeyer:
Ich habe mir früher viele verschiedene Techniken angesehen und versucht, von allen zu lernen. Ich hoffe, dadurch einen Mix von allen zu vereinen. Wichtig ist, nicht jedes Mal in die gleiche Ecke zu gehen oder die gleiche Technik zu haben, sondern den Gegner immer wieder überraschen zu können. Als Torhüter hat man ja nicht nur die Aufgabe, ein Tor zu verhindern. Ich arbeite auch viel mit Psychologie und möchte mit dem Gegner spielen - das ist auch Kopfsache. Ich möchte dem Gegner durch meine Körperhaltung zeigen, dass ich ich alles halten werde. So versuche ich, ihn zu verunsichern. Ein Torhüter hat eine große Verantwortung und kann ein Spiel durch sein Auftreten entscheiden. Ich mag den Druck und h abe Spaß dabei, der letzte Mann zu sein. Deshalb bin ich Torwart geworden.
Zebra:
Wo lernt man das?
Thierry Omeyer:
Das kommt mit der Zeit. Wenn man jung ist, sucht man nach einer Niederlage den Fehler ausschließlich bei sich. Wenn man älter wird, weiß man, dass man mal schlecht gespielt hat. Aber man fängt nicht an, an seinen Fehlern zu verzweifeln, sondern lernt das Abhaken. Zweifel am eigenen Können spürt der Gegner.
Zebra:
Worin unterscheiden Sie sich von Andreas Palicka?
Thierry Omeyer:
Ich warte lange, bis ich mich für eine Ecke entschieden habe. Andreas ist schnell und explosiv.
Zebra:
Ist es wichtig, zwei unterschiedliche Torwartcharaktere im Team zu haben?
Thierry Omeyer:
Viele Leute behaupten das. Ich bin mir dessen jedoch nicht so sicher. Was zählt, ist die Leistung. Natürlich kann es ein Vorteil sein, durch einen technisch anders agierenden Torhüter noch einmal frischen Wind ins Spiel zu bringen. Aber ob das von großer Bedeutung ist? Das glaube ich nicht.
Zebra:
Was interessiert Sie sonst?
Thierry Omeyer:
Meine Familie steht an erster Stelle. Ich surfe aber auch gerne im Internet, spiele Poker und schaue Filme. Ich zappe auch ein wenig durchs deutsche Fernsehen. Meistens bleibe ich bei den Sportsendungen auf DSF und Eurosport hängen. Eben alles, was so ziemlich jeder Familienvater in seiner Freizeit macht.
Zebra:
Haben Sie auch Interesse an der Politik?
Thierry Omeyer:
Ich verfolge nicht jeden Tag das politische Geschehen, jedoch war ich schon zwei Mal bei Jacques Chirac und nun auch schon zwei Mal bei unserem aktuellen Präsidenten Nicolas Sarkozy in den Elysee-Palast eingeladen.
Zebra:
. wegen herausragender sportlicher Leistungen.
Thierry Omeyer:
Es ist eine Ehre, vom Staatspräsidenten eingeladen zu werden, dort kommt schließlich nicht jeder hin. Nach Olympia wurden alle französischen Sportler geehrt. Nach der Weltmeisterschaft durften wir Handballer ein weiteres Mal zu Sarkozy. In ein paar Monaten sollen wir noch einmal vorbeikommen. Dann gibt es einen Verdienstorden.
Zebra:
Waren Sie beim Besuch des Präsidenten aufgeregt?
Thierry Omeyer:
Das allererste Mal 2001 war ich schon etwas nevös. Nach drei weiteren Besuchen ist man jedoch nicht mehr ganz so aufgeregt - man kennt das dann schon.
Zebra:
Hat Sarkozy denn Ihre Spiele verfolgt?
Thierry Omeyer:
Sarkozy sagte, dass er die Finalspiele gesehen habe. Ein paar Minuten habe ich während des Empfangs mit ihm sprechen können. Er wusste, dass ich der Torhüter des Teams bin - er hat also wirklich ein Spiel gesehen! Ansonsten kann ich mich daran erinnern, dass Sarkozy wirklich so klein ist, wie es im Fernsehen immer scheint (lacht). Später kann ich auf jeden Fall meinen Enkeln von diesen Besuchen erzählen .
(Das Gespräch führte Annika Stöllger, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)


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