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29.07.2009 Verein / Interview

"Handball-World": Uli Derad: "Keine Fragen offen, wer die Verantwortung hat"

Von Frank Schneller, © 2009 www.handball-world.com:

Uli Derad: "Ich muss und werde Niemandem nacheifern."
Klicken Sie zum Vergrößern! Uli Derad: "Ich muss und werde Niemandem nacheifern."

Uli Derad hat vor fast einem Monat seinen neuen Posten als Manager des THW Kiel angetreten. "Uwe Schwenker hat einen großen Namen", würdigt er seinen Vorgänger, mit dem er eine Zusammenarbeit nicht ausschließt, aber feststellt: "Der Auftrag lässt auch keine Fragen offen, wer die Verantwortung hat." Die Vergleiche mit dem Vorgänger stören Derad laut eigener Aussage nicht. "Seine Fußspuren sind groß. Ich aber werde meine eigenen hinterlassen", so der neue Mann, der unterstreicht: "Ich komme als bisheriger Geschäftsführer des Gesamtvereins TSV Bayer aus dem Umfeld eines absoluten Weltkonzerns." Und Derad gibt sich angriffslustig: "Bei allem Respekt vor der noch stärker gewordenen Konkurrenz: So eine Feier will ich auch so früh wie möglich miterleben."
Handball-World:
Herr Derad, schon etwas eingelebt in Kiel?
Uli Derad:
Ja, durchaus. Ich bin sehr gut aufgenommen worden allerseits und habe auch gute Voraussetzungen angetroffen. Meine ersten Arbeitswochen beim THW laufen aber auch unter dem besonderen Umstand ab, dass ja nicht nur ein neuer Geschäftsführer in meiner Person neu anfängt, sondern auch ein neuer Aufsichtsrat installiert wurde, der Wirtschaftsauschuss sich neu positioniert und es zudem weitere personelle Veränderung auf der Geschäftsstelle gegeben hat.
Handball-World:
Die Handballszene fragte und fragt sich, ob der THW nach dem 30.6. weiter und in welchem Umfang auf Ihren Vorgänger Uwe Schwenker baut, oder aber nach dem ja auch noch nicht ausgestandenen Skandal eine strikte Trennung vornimmt ...
Uli Derad:
Uwe Schwenker hat einen großen Namen. Es ist doch klar, dass seine Zukunft und die Frage, ob bzw. welche künftige Verbindung es zwischen ihm und dem Verein geben wird, diskutiert wurde und wird. In der Branche und hier in Kiel. Es gibt an mich den klaren Auftrag, den THW weiterhin in der Spitze zu positionieren. Das geht am besten mit Teamwork und Kräftebündelung. Aber der Auftrag lässt auch keine Fragen offen, wer die Verantwortung hat.
Handball-World:
Der neue Aufsichtsratchef Klaus-Hinrich Vater sagte öffentlich zu Monatsbeginn: "Solange das Verfahren gegen Schwenker läuft, kann es keine vertragliche Bindung mit ihm geben." In Einzelfällen wolle man aber auf sein Know-how zurückgreifen. Emanzipiert sich der THW genug von der zwar sehr verdienten, aber zuletzt vor allem außerhalb Kiels eben umstrittenen Figur Uwe Schwenker?
Uli Derad:
Mein Interesse ist nur das Wohl des THW. Meine Zeit in Kiel begann am 1.7. - da war der Umbruch schon eingeleitet. Der THW emanzipiert sich natürlich. Vielmehr: Er wandelt sich. Das haben die Personal-Veränderungen und die Gründung eines Aufsichtsrates doch dokumentiert. Sie müssen auch allen Beteiligten zugestehen, dass sie es mit neuen, zum Teil völlig veränderten Situationen zu tun haben und sich daran gewöhnen müssen.
Handball-World:
Stören Sie die Vergleiche mit Ihrem Vorgänger?
Uli Derad:
Nein. Das ist doch gar nicht mein Thema. Wir haben eine Übergabe gemacht, die war problemlos. Es stellen sich derzeit andere Fragen für mich. Denn: Was den THW derzeit beschäftigt, die Strukturänderungen, denen er sich unterzieht, ist an sich elementarer als der Wechsel Schwenker-Derad. Der Umbruch, der gerade stattfindet, dazu gehört vor allem auch der Abschied Stefan Lövgrens, ist nicht nur auf Uwe und mich zu reduzieren. Seine Fußspuren sind groß. Ich aber werde meine eigenen hinterlassen. Ich muss und werde Niemandem nacheifern.
Handball-World:
Sie kommen vom letztjährigen Aufsteiger Dormagen, der einen nur bruchteilgroßen Etat im Vergleich zu Ihrem neuen Arbeitgeber hat - kommt Ihnen der THW Kiel nicht wie eine andere, eine viel größere Welt vor?
Uli Derad:
Ich bin jetzt bei einem der weltbesten Vereine und will mit den neuen Gremien, Mitarbeitern sowie Trainer Alfred Gislason und der Mannschaft dafür sorgen, dass der THW das auch bleibt. Ich mag einerseits vom klein wirkenden Handballklub TSV Dormagen kommen. Aber, und das muss man nicht unterschätzen, ich komme als bisheriger Geschäftsführer des Gesamtvereins TSV Bayer aus dem Umfeld eines absoluten Weltkonzerns. Und bin seit langem im Ligapräsidium ...
Handball-World:
... was manchem Konkurrenten missfällt, wie man hört, weil der angebliche Bestechungs-Skandal noch nicht aufgeklärt ist und es heißt, der THW wolle weiter Zugriff auf die Geschehnisse in der HBL-Führung haben.
Uli Derad:
Ja, das habe ich auch gehört. Aber da ich ja jetzt ein Kieler bin, überrascht mich das nicht, zumal ich weiß, woher diese Stimmungsmache kam. Es ist ja bekannt, wer jahrelang versucht hat, den THW zu übertrumpfen. Damit kann und muss ich ja auch leben. Gehört wohl zum Säbelrasseln dazu, zum 'guten Ton' also nahezu ...
Handball-World:
Nach dem Motto: Neid muss man sich erarbeiten ...
Uli Derad:
Sinngemäß ja. Der THW hatte immer viele Neider. Das liegt am überragenden Erfolg, mit dem ich selbst aber nicht ansatzweise kokettiere, denn ich hatte daran ja keinen Anteil. Aber ich vertrete jetzt die schwarzweißen Farben und werde mich - intern und extern - entsprechend positionieren, denn ich identifiziere mich total mit der neuen Aufgabe, mit meinem neuen Arbeitgeber und dem Verein. Viel mehr als Neid erfuhr ich im Vorfeld übrigens Zustimmung. Die Glückwünsche zu meinem Wechsel waren zahllos.
Handball-World:
Nach den Gratulationen ging es ziemlich schnell ans Eingemachte: Sie haben u.a. gleich die jahrelange Kooperation mit dem benachbarten Zweitligisten Altenholz beendet ...
Uli Derad:
Ja. Weil sie aus unserer Sicht in dieser Form keinen Sinn mehr machte, auch nicht für die Spieler. Zudem wollen wir unser Regionalligateam aufbauen und als Unterbau mehr an die Profis binden. Das ist Trainer Alfred Gislason und mir wichtig. Diese Maßnahme entsprach ja auch Alfreds konzeptionellen Vorstellungen. Alle stehen hinter dieser Entscheidung - ich will beispielsweise auch unter unseren Teams noch mehr Identifikation schaffen, also ist diese Entwicklung auch ein Zeichen an unsere Jugend und die 2. Mannschaft. Ich habe großen Respekt vor der Leistung des TSV Altenholz, aber ich kann es nicht allen Seiten recht machen. Das ging in Dormagen nicht und es geht in Kiel auch nicht.
Handball-World:
Ein Angebot vom THW - darf man sich eine solche Chance überhaupt entgehen lassen?
Uli Derad:
Wenn Sie mich direkt damit meinen: Ich begreife diese neue Aufgabe natürlich als Chance und Ehre für mich. Wie Alfred Gislason es vor einem Jahr auch empfunden haben wird und es dann angepackt hat. Doch ich gehe davon aus, dass auch ich dem THW viel geben kann, sonst wäre ich nicht gekommen. Zwar bin ich neu in Kiel, aber sicherlich kein unbeschriebenes Blatt in der Sport- und Funktionärsszene. Meine Kontakte sind entsprechend. Ich fühle mich daher gut gewappnet für die neue Aufgabe - und freue mich darauf. Sie ist hochspannend.
Handball-World:
Worauf freuen Sie sich am meisten?
Uli Derad:
Einerseits auf die Stadt, die Menschen hier und auf die schöne Gegend. Ich habe schon festgestellt, dass es mir sehr gut am Wasser gefällt. Das Meer hat schon was! Es ist ein neuer Lebensabschnitt für meine Familie und mich. Und natürlich freue ich mich auf diese tolle Mannschaft und ihren Trainer, auf die professionelle Haltung dieses Teams und der Leute drum herum. Die Sparkassen-Arena, die Fans. Ich finde, wenn es um den Handball geht, hier natürlich ganz andere Bedingungen vor als in Dormagen. Außerdem habe ich schon oft gehört, wie schön es sein soll, am Saisonende auf dem Rathausbalkon zu stehen und einen Titel mit den Fans zu feiern. Bei allem Respekt vor der noch stärker gewordenen Konkurrenz: So eine Feier will ich auch so früh wie möglich miterleben.
(von Frank Schneller, © 2009 www.handball-world.com)


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