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Uli Derad:
"Es kann auf Dauer doch nicht sein, dass wir unsere Spieler
abstellen müssen, ohne dafür entsprechende Gegenleistungen zu erhalten."
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Natürlich ist es
Uli Derads (44)
vordringlichste Aufgabe, als Manager des THW Kiel mitzuhelfen,
dass der Klub Titel gewinnt. Doch jetzt aber erhielt er eine
Einladung nach Wien, um mit der IHF, der EHF, weiteren
Verbandsvertretern und Klubmanagern über das große Ganze zu
diskutieren. Im Rahmen der
EURO 2010
lud die IHF zu einem intensiven Gedankenaustausch über die
seit Jahren strittigen Kalenderfragen.
Uli Derads Standpunkt ist dabei eindeutig.
- HBL:
-
Sie reisen morgen nach Wien, allerdings nicht nur, um sich
die Finalspiele der EURO 2010 anzuschauen.
Es gibt da eine Einladung der IHF an die Klubs. Was steckt dahinter?
- Uli Derad:
-
Der Präsident der Internationalen Handball-Federation, Dr. Hassan
Moustafa, hat die Kontinentalverbände, vier Nationalverbände und
vier Klubs eingeladen, um über einen gemeinsamen Wettkampfkalender
zu sprechen.
- HBL:
-
Klingt vielversprechend. Wer wird denn an dieser Gesprächsrunde
teilnehmen?
- Uli Derad:
-
Neben den Vertretern der Kontinentalverbände werden wohl die
Verbandspräsidenten der Verbände Frankreichs, Spaniens, Kroatiens
und Deutschlands am Tisch sitzen. Zudem dürfen die Klubs aus Zagreb,
Montpellier, Ciudad Real und der THW Kiel daran teilnehmen.
- HBL:
-
Klingt so, als ob auf einmal Bewegung in eine Sache kommt, die eine
Herzensangelegenheit der TOYOTA HBL ist, in der aber in den vergangenen
Monaten nichts mehr passiert ist.
- Uli Derad:
-
Es ist so, dass wir in Wien erst einmal nur diskutieren werden,
Meinungen austauschen, aber sicher keine Entscheidungen in irgendeine
Richtung treffen werden. Dennoch ist es begrüßenswert, dass die
Diskussion um dieses leidige Thema aktuell startet. Zudem die Vereine
bislang in solche Gespräche nicht eingebunden waren. Auch das ist ein
Zeichen der internationalen Verbände und ermöglicht uns allen, die
unterschiedlichen Standpunkte zu den drängenden Themen rund um den
Wettkampfkalender darzulegen.
- HBL:
-
Ihr Standpunkt ist im Grundsatz doch klar, oder?
- Uli Derad:
-
Es gibt schon einige klare Grundpositionen, die ich vertrete. So fände
ich es wünschenswert, statt der bisher fünf Großveranstaltungen in einem
Vierjahres-Zeitraum nur noch drei auszurichten. Das heißt, dass sowohl
die WM als auch die EM nur noch alle vier Jahre stattfänden. Zudem müssen
wir dringend mit den Verbänden über die Anzahl der Abstelltage der
Nationalspieler sprechen.
- HBL:
-
Das heißt konkret?
- Uli Derad:
-
Alle Nationalspieler verdienen ihr Geld in ihrem Klub. In den Profiligen
der USA, z.B. der NBA absolvieren die Spieler inklusive Nationalmannschaftsspielen
teilwiese 130 Spiele im Laufe einer Saison, davon aber rund 85 bis 90 Prozent
für ihren Arbeitgeber. Das ist im Handball ein viel krasseres Missverhältnis.
Die Spieler müssen den Klubs wieder in einem umfangreicheren Maße zur Verfügung
stehen. Deshalb ist es so wichtig, im Umkehrschluss eben über gewisse Abstelltage
für die Nationalmannschaft zu diskutieren und diese festzulegen. Es geht nicht
zuletzt auch um die Gesundheit unserer Spieler, die erst überlastet werden,
dann verletzungsanfälliger werden. Die Reduzierung dieser Abstelltage ist
einfacher bei weniger Großereignissen. Das gilt nicht nur für WM und EM, auch
die Qualifikationen für diese Veranstaltungen müssen auf den Prüfstand.
- HBL:
-
Immer wieder ist auch von den so genannten Abstellprämien die Rede,
mit der die Klubs finanziell entschädigt werden sollen.
- Uli Derad:
-
Die Belastungen der Klubs - vor allem die finanziellen - müssen auf ein
Mindestmaß reduziert werden. Wenn ein Klub einen Spieler zur Nationalmannschaft
abstellt, dann muss er über Abstellprämien dafür entschädigt werden, um
wenigstens eine Teil-Refinanzierung gewährleistet zu sehen. Zudem gilt es,
den Versicherungsschutz der Spieler bei Nationalmannschafts-Maßnahmen neu
abzuklopfen. Es kann auf Dauer doch nicht sein, dass wir unsere Spieler
abstellen müssen, ohne dafür entsprechende Gegenleistungen zu erhalten.
- HBL:
-
Das sind aber schon große Themen für ein erstes Gespräch.
- Uli Derad:
-
Wir freuen uns dennoch auf den ersten Informationsaustausch und werden dann
abwarten, was in der Folge passiert. Ich werte das einfach mal als positives
Signal und hoffe, dass das künftig bestätigt wird.
- HBL:
-
Sie fahren aber als Vertreter des THW Kiel nach Wien, oder haben Sie
einen offiziellen Auftrag der TOYOTA HBL im Gepäck?
- Uli Derad:
-
Ich bin zwar Präsidiumsmitglied der TOYOTA HBL, aber zu diesem
Gedankenaustausch reise ich als Manager des THW Kiel. Dennoch bin
ich fest davon überzeugt, dass sich die Klubs in den Grundideen
einig sind. Es gibt da zum Beispiel den Wunsch aller Erstligisten,
die Saison von September an ohne Unterbrechungen durchzuspielen
und erst danach die entsprechenden Großereignisse zu veranstalten.
Auch das ist eine wichtige Sache, die in diese Kalenderdiskussion
gehört, wie auch der Zeitpunkt der Juniorenmeisterschaften. Es kann
nicht sein, dass diese in die Vorbereitungszeit der Bundesligisten
fallen.
- HBL:
-
Sie sprechen für die Klubs der Liga. Sehen das Ihre Kollegen aus
den anderen europäischen Ligen auch so?
- Uli Derad:
-
Ich kann nicht für alle sprechen, gehe aber davon aus, dass solche
Dinge elementare Bedürfnisse aller Spitzenklubs in Europa betrifft.
Es ist deshalb wichtig, dass es - wie es die Fußballer ja auch
geschafft haben - einen großen Jahreskalender gibt mit einer Belastung
für die Klubs in vertretbarem Maße und entsprechenden Entschädigungen.
Ich bin positiv gestimmt, dass das Treffen in Wien weitere
Diskussionsanstöße geben wird.
(Das Interview führte die HBL)