Aus den Kieler Nachrichten vom 17.05.2010:
Kiel. Er war acht Jahre lang Hauptgeschäftsführer des TSV Bayer
Dormagen, eines Vereins mit knapp 5000 Mitgliedern, erfolgreichen
Fechtern, Leichtathleten und einem Handball-Bundesligisten. Seit
dem 1. Juli 2009 ist
Uli Derad (44) Manager des Handballmeisters
THW Kiel. Der ehemalige Nationalspieler blickt in den Kieler Nachrichten
auf zehn turbulente Monate zurück.
Wolf Paarmann sprach für die Kieler Nachrichten mit dem THW-Geschäftsführer.
- Kieler Nachrichten:
-
Herr Derad, Sie sind mit Ihrer Frau und
den beiden Töchtern aus dem Rheinland nach Dänischenhagen umgezogen. Haben
Sie und Ihre Familie sich inzwischen in der neuen Heimat eingelebt?
- Uli Derad:
-
Ja, längst. Wir alle fühlen uns hier sehr
wohl, genießen die Nähe zum Meer.
Mir, der ich aus dem Württembergischen
stamme, kommt dieser Menschenschlag zudem entgegen. Er ist
sehr direkt, das gefällt mir.
- Kieler Nachrichten:
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Noch immer ist unklar, ob es im Zuge der
Manipulationsaffäre zu einem Prozess vor dem Landgericht kommen wird. Wie
sehr belastet die ungeklärte Situation Ihre Arbeit und den Club?
- Uli Derad:
-
Meinen persönlichen Arbeitsalltag betrifft
es nicht. Für die Angestellten des Vereins, und damit auch für mich in
meiner Rolle als Repräsentant, ist die Situation dagegen schon belastend. Es
wäre wünschenswert, dass, wie auch immer, bald ein Schlusspunkt gesetzt
werden könnte. Die jüngste Diskussion um die Pokalgelder, die die SG an
uns verspätet ausgezahlt hat, zeigt ja, wie die Vorwürfe, die im Raum stehen,
immer wieder instrumentalisiert werden.
- Kieler Nachrichten:
-
Ihr Vorgänger Uwe Schwenker war jahrelang
das Sprachrohr des Vereins und auch der Bundesliga. Mit Ihnen ist es ruhiger
geworden. Strategie der neuen Führungsriege, oder auch typbedingt?
- Uli Derad:
-
Beides. Ich bin nicht als Schwenker-Kopie nach Kiel
gekommen, das war auch nicht gefordert. Es wäre falsch,
ihn kopieren zu wollen. Mir ist es wichtig, authentisch zu bleiben. Im
Sport ist es üblich, dass einem Neuzugang eine Eingewöhnungsphase zugestanden
wird. Das nehme ich auch für mich in Anspruch. Ich sage meine Meinung,
aber anders. Es liegt mir nicht, mich zu produzieren. Angesichts der
jüngsten Unruhen hat es dem Verein auch gut getan, in der
Öffentlichkeit leisere Töne anzuschlagen.
Zudem haben wir inzwischen eine neue Struktur, die - anders
als früher - eine Arbeitsteilung in der Pressearbeit vorsieht.
Ich bin für die sportlichen Belange zuständig, mit der angeblichen Manipulationsaffäre
beschäftigt sich der Aufsichtsrat, dessen Sprecher Hinrich Vater ist.
- Kieler Nachrichten:
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Die Verantwortlichen der SG Flensburg, die sich um das
Champions-League-Endspiel 2007
betrogen fühlen, wünschen sich eine "symbolische Geste der Versöhnung". Wären
Sie dazu bereit, und welche könnte das sein?
- Uli Derad:
-
Wie auch immer diese Versöhnungsgeste aussehen mag - sie sollte ehrlich
gemeint sein, nicht nur medienwirksam. Sonst ist sie nichts wert. Deshalb
sollten wir unsere Diskussionen auch nicht länger, wie zuletzt, in der Öffentlichkeit
austragen. Der THW hat ehrliches Interesse an einer guten Nachbarschaft.
Wir haben die SG zum nächsten "Unser-Norden-Cup" eingeladen,
aber sie mussten aus terminlichen Gründen absagen. Ich bin davon
überzeugt, dass sie gerne gekommen wären. Und wir hätten sie gerne als
Gäste gehabt.
- Kieler Nachrichten:
-
Zurück in die Zukunft: Welche Baustellen brennen Ihnen besonders unter den Nägeln?
- Uli Derad:
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Neben dem internationalen Terminkalender, der dringend durch
einen Vier-Jahres-Rhythmus für Europa- und
Weltmeisterschaften entlastet werden sollte, sind die Schiedsrichter, die
Sportgerichtsbarkeit, der nationale Spielplan und eine Reform für den Europapokal
die dringendsten Themen.
- Kieler Nachrichten:
-
Könnten Sie sich eine neue Struktur im Schiedsrichterwesen
wünschen, wie würde die aussehen?
- Uli Derad:
-
Ich wäre dafür, auf Profis zu setzen. Und warum
sollten in der Bundesliga, der stärksten Liga der Welt, nicht
auch ausländische Gespanne pfeifen? Die Qualität ist wichtig,
nicht die Herkunft. Im Moment sind die Schiedsrichter zudem
beim Deutschen Handball-Bund angesiedelt, es würde Sinn
machen, wenn die Liga für Aus- und Fortbildung sowie Ansetzung zuständig
wäre. Das gilt auch für die Sportgerichtsbarkeit, die, angesiedelt bei
Liga, schnellere Entscheidung ermöglichen würde. Es wäre wünschenswert,
dass Urteile innerhalb von fünf Tagen, maximal zwei Wochen, fallen.
Davon sind wir derzeit sehr weit entfernt.
- Kieler Nachrichten:
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Stichwort Spielplan: Wo könnte, neben Reduzierung der großen Turniere,
noch der Rotstift angesetzt werden?
- Uli Derad:
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Ziel sollte sein, die Termine für die Nationalmannschaften
zu vereinheitlichen. Im Moment haben die Deutschen
mehr Lehrgänge als die anderen Verbände, das sollte angeglichen werden.
Außerdem sollten sie gleichzeitig stattfinden. Es würde auch mehr Sinn
machen, die Lehrgänge auf das Saisonende zu verschieben, und nicht
mehr, wie bisher, mittendrin anzusetzen. Auch der Termin für
das All-Star-Game, ein Tag nach dem letzten Saisonspiel
(Kiel spielt am 5. Juni in Großwallstadt, Anm. der Red.), ist sehr unglücklich
für Spieler und Fans.
- Kieler Nachrichten:
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Was wäre die Alternative?
- Uli Derad:
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Ich gehe davon aus, dass dieses All-Star-Game am 6. Juni zum letzten Mal
der Saisonabschluss sein wird und schon im nächsten Jahr Anfang Februar,
also direkt nach der WM in Schweden, ausgetragen wird. Das hätte auch
den Vorteil, dass die Saison nicht unmittelbar nach einem großen Turnier
starten müsste, alle Spieler hätten länger Zeit, sich zu regenerieren.
- Kieler Nachrichten:
-
Welche Änderungswünsche haben Sie für den Europapokal?
- Uli Derad:
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Für die Champions League würde ich mir eine umfangreichere Vorqualifikationen
wünschen, um später in der Gruppenphase für mehr Ausgeglichenheit
zu sorgen. Die war in dieser Saison nicht gegeben.
- Kieler Nachrichten:
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Die Saison endet am 5. Juni. Was glauben Sie, was Ihnen dieser Tag bringen wird?
- Uli Derad:
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Ich hoffe, dass ich dann mit den Kieler Fans den einen oder anderen Titel feiern
kann. Ich habe viel davon gehört, welch unheimlich schöne Erlebnisse
diese Partys sein sollen. Ich würde es zu gern persönlich erleben. Am liebsten
schon am 5. Juni.
(Das Gespräch führte Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 17.05.2010)