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19.12.2010 Bundesliga

ZEBRA: Profis an die Pfeife?

Aus dem offiziellen THW-Magazin "ZEBRA", von living sports:

Die Schiedsrichterleistungen geben immer wieder Anlass zur Kritik. Der Profi-Schiedsrichter ist deshalb wieder im Gespräch - der Deutsche Handballbund verschließt sich allerdings einer Diskussion.
So deutlich hat man Peter Rauchfuß, Schiedsrichterwart des Deutschen Handballbundes (DHB), selten schimpfen hören: "Eine Einführung von Profi-Schiedsrichtern jetzt oder in nächster Zeit halte ich für absurd", hatte der 65-Jährige in einem Interview auf der offiziellen Verbandshomepage dhb.de gesagt. Für ihn habe sich das Thema Profi-Schiedsrichtertum "absout erledigt" - und das nicht nur wegen der nach seiner Ansicht kaum zu stemmenden Kosten: "Da die wirtschaftliche Situation, die Frage der Finanzierung, die Altersversorgung, der Versicherungsschutz und vieles mehr. Es bleiben so viele Fragen offen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass jemand dieses Risiko auf sich nehmen würde." Eine Befragung der 15 Schiedsrichterpaare des Elite-Kaders habe zudem eine eindeutige Ablehnung der Profi-Idee zu Tage gebracht. "Wer setzt schon auf eine temporäre Vollprofi-Karriere maximal bis zum 50. Lebensjahr zu Lasten einer soliden beruflichen Ausbildung, Anstellung und Karriere?", fragt Rauchfuß, der in der Doppel-Belastung der Schiedsrichter durch einen Vollzeit- und eben den Handball-Job am Abend und an den Wochenenden durchaus einen Vorteil sieht:: "Bisher haben wir uns alle dadurch ausgezeichnet, dass wir uns im vielfältigen beruflichen Umfeld durchgesetzt haben und Persönlichkeit entwickelt haben. Wie soll das ein Vollprofi denn tun, wenn er nie etwas anderes gemacht hat?"

Doch während sich die Diskussion für den Deutschen Handballbund offenbar bereits erledigt hat, bevor sie richtig geführt worden ist, sieht die TOYOTA Handball-Bundesliga durchaus noch eine Menge Gesprächsbedarf. "Die Leistungen der Schiedsrichter werden der Qualität des Spiels nicht gerecht. Darüber sollte man sich Gedanken machen", sagt beispielsweise HSV-Sportdirektor Christian Fitzek. "Es muss etwas passieren", ist Uli Derad überzeugt. Der THW-Geschäftsführer gehört zu denjenigen, die vehement eine Professionalisierung des Schiedsrichterwesens fordern. "Das muss nicht unbedingt heißen, dass wir Profi-Schiedsrichter haben müssen", stellt Derad klar. "Aber wir müssen bessere Rahmenbedingungen schaffen, die es den Unparteiischen ermöglichen, sich optimal auf ihre Rolle vorzubereiten und sich intensiv mit dem Handball auseinander zu setzen." Dazu gehöre auch, dass auf internationaler Ebene nicht anders gepfiffen werde als in der TOYOTA Handball-Bundesliga. "Ich denke da auch an das Abpfeifen der Kreisläufer-Sperren und das passive Spiel, das zum Teil sehr unterschiedlich ausgelegt wird." Diese Diskussion von Vornherein mit dem Argument abzuwehren, das sei alles nicht machbar, hält Derad für falsch. "Wir wollen die Schiedsrichter unterstützen, und deshalb sollten sich alle Beteiligten mit den Vorschlägen ernsthaft auseinandersetzen."

Die Rolle der Schiedsrichter ist offenbar auch einer der Hauptgründe, warum die TOYOTA HBL den Grundlagenvertrag mit dem DHB unlängst zum 30. September 2011 aufkündigte. "Wir wollen mehr für Ausbildung und Entwicklung der Schiedsrichter tun", erklärt Liga-Chef Frank Bohmann. "Der Handball hat in den vergangenen 15 Jahren eine rasante Entwicklung genommen, mit der die Unparteiischen Schritt halten müssen." Die Qualität der Schiedsrichter sei entscheidend für die Qualität des Spiels insgesamt, so Bohmann weiter. Und deshalb gehöre eine angemessene Bezahlung dazu. "Eine gute Bezahlung ist wichtig, damit die Unparteiischen auch unparteiisch bleiben können. Wir müssen darüber nachdenken, einen globalen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Schiedsrichter einen Großteil ihrer Freizeit und ihres Urlaubs opfern", fordert Bohmann.

Die TOYOTA HBL schlägt dem DHB eine gemeinsame Schiedsrichterkommission vor, die die Qualifizierung der Schiedsrichter sicherstellen und auch die Ansetzungen vornehmen soll. "In solch einer Kommission müssen nicht zwangsläufg nur Schiedsrichter sitzen", konkretisiert Uli Derad den Vorschlag. "Denkbar wäre es, dass auch ehemalige Handballtrainer und Juristen in diesem Gremium mitarbeiten. Es ist nur wichtig, dass wir das Schiedsrichterwesen transparenter gestalten", fordert Derad. "Wir alle wollen gute Handball-Schiedsrichter, momentan kann man aber Zweifel hegen, ob alles dafür getan wird, dass wir diese auch langfristig bekommen", sagt der THW-Geschäftsführer. Deshalb sollten DHB und TOYOTA HBL darüber reden, wie man das Schiedsrichterwesen langfristig gemeinsam weiter entwickeln könne.

Ein Vorschlag, der beim DHB offenbar auf wenig Gegenliebe stößt. "Der Standard unserer besten Referees genießt weltweit ein hohes Ansehen, und die Aus- und Weiterbildung im DHB dient vielen Verbänden als Vorbild. So wie wir aufgestellt sind, stehen wir gut da", meint Rauchfuß - und bekommt Schützenhilfe von DHB-Vizepräsident Horst Bredemeier: "In der Breite hat der DHB die besten Schiedsrichter weltweit." Und auch Lars Geipel, der mit seinem Partner Marcus Helbig als einziges deutsches Gespann für die kommende Weltmeisterschaft nominiert wurde, steht der Einführung des Profi-Schiedsrichters kritisch gegenüber. "Die Einführung von Profi-Schiedsrichtern würde unsere Unabhängigkeit von der Liga und vom Handballbetrieb insgesamt gefährden. Es kann nicht sein, dass sich die Vereine am Ende den Schiedsrichter selbst aussuchen." Das, unterstreicht Uli Derad, sei auch gar nicht gewollt. "Ganz im Gegenteil: Wir wollen nur bessere Rahmenbedingungen schaffen, damit die Unparteiischen in Ruhe ihrer 'Arbeit' auf der Platte nachgehen können und es nicht dazu kommt, dass innerhalb von einer Woche ein- und dasselbe Schiedsrichtergespann zwei Spiele einer Mannschaft pfeift - das ist unprofessionell."

(von Christian Robohm, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "ZEBRA", von living sports)


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