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03.04.2012 Mannschaft

Kieler Nachrichten: Fritz: "Ich hatte Burnout"

Ehemaliger THW-Torhüter lüftet Geheimnis, will andere mit seinen Erfahrungen schützen

Aus den Kieler Nachrichten vom 03.04.2012:

Mannheim. Beim SC Magdeburg reifte Henning Fritz zum Nationaltorhüter, 2001 wechselte er nach Kiel, startete beim Rekordmeister THW richtig durch und wurde 2005 zum Welthandballer des Jahres gekürt. Dann der Schock: Die steil aufstrebende Karriere bekam eine Delle - für Unbeteiligte aus dem Nichts heraus. 2006 verlor der heute 37-Jährige sogar seinen Stammplatz. Jetzt lüftete Fritz das Geheimnis: "Ich hatte Burnout-Symptome", bekennt er, "meine Karriere stand kurz vor dem Aus."
Warum er erst jetzt, sechs Jahre später, öffentlich über seine Krankheit spricht? Das sei eben ein sensibles Thema, sagt der zweifache Familienvater. Aber in letzter Zeit betreffe es immer mehr Menschen. "Öffentlich wurde meine Krankheit durch ein Gespräch mit der Sport-Bild. Eher zufällig."

Fritz ist längst wieder gesund, steht seit 2007 zwischen den Pfosten der Rhein-Neckar Löwen, allerdings läuft sein Vertrag im Juli aus, "eine Verlängerung wird es wohl nicht geben", sagt der gebürtige Magdeburger. "Ich fühle mich noch fit, muss aber abwarten, ob ein Angebot von einem anderen Club kommt." Daher plant Fritz zweigleisig, stellt die Weichen für ein Leben nach dem aktiven Sport. "Handball könnte weiter eine Rolle spielen", sagt er. Schon jetzt bringt er sich in die Initiative "Fit ist hip" für den Verein "Kinderwelt" ein. Ziel sei es, Kindern durch viel Bewegung bei der Stressbewältigung zu helfen. Henning Fritz kennt sich aus.

Rückblende. 2001 hatte der SC Magdeburg die Vertragsverlängerung mit dem damals besten deutschen Torhüter schlicht verschlafen. Ex-THW-Manager Uwe Schwenker war hellwach, holte Fritz an die Förde. Eine neue Zeitrechnung begann, der Torhüter sammelte Titel und Pokale am Fließband, machte sich auch international eine großen Namen. Vorläufige Höhepunkte waren der EM-Gewinn 2004 mit der Nationalmannschaft, dann die Wahl zum Welthandballer. "Eine tolle Zeit, ich habe sie genossen", erinnert sich Fritz.

Doch die Erfolge erkaufte er sich mit Stress, extrem viel Stress. Torhüter stehen unter besonderer Anspannung, körperlich und mental. "Es geschah schleichend", erinnert er sich. Schon in der Vorbereitung auf die Saison 2005/2006 habe er bemerkt, "dass irgendwas nicht mit mir stimmt. Meine Beweglichkeit war eingeschränkt, der Körper blockierte, ich dachte nur noch: Katastrophe." An eine Pause, die er dringend benötigt hätte, war nicht zu denken. Trainer Noka Serdarusic brauchte seinen besten Mann. Doch Fritz schaffte es nicht mehr, verlor sein Selbstvertrauen, außerdem den Rückhalt des Vereinstrainers.

Den Lichtschalter im dunklen Loch fand er dennoch; mit Hilfe seiner Frau, eisernem Willen und dem Zufall. Marcus Baur, sein Nationalmannschaftskollege aus Lemgo, brachte Fritz mit Ullrich Konradis Musiktherapie AVMS zusammen. Sie wirkte. So gut, dass Henning Fritz bei der Heim-WM 2007 an alte Tage anknüpfte, zur tragenden Säule der Weltmeistermannschaft von Heiner Brand avancierte und ins All-Star-Team gewählt wurde.

Er habe aus dieser schweren Zeit gelernt, erfahren, dass es im Leben gute und schlechte Zeiten gebe, sagt er heute. "Das hat mich stark gemacht, jetzt möchte ich mit meinen Erfahrungen helfen, dazu beitragen, dass andere Menschen gar nicht erst krank werden."

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 03.04.2012)


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