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05.05.2012 Bundesliga

Kieler Nachrichten: Abpfiff: Füchse: Wunder begann mit Rechnungen im Schuhkarton

Aus den Kieler Nachrichten vom 05.05.2012:

Auf die Vergangenheit angesprochen, erzählt Bob Hanning gerne folgende Geschichte: Es ist die von einem kargen Büro im wenig schmucken Stadtteil Lichtenberg, für das er sich Computer, Schreibtisch und einen Stuhl borgen musste. Von einem Schuhkarton, in dem sich die Rechnungen stapelten. Es ist die Geschichte von 17 Dauerkarten, die er als Manager der Füchse Berlin in der Saison 2005/2006 verkauft hat. Zwei davon an seine Eltern, die ihm, der Robert heißt, seinen Spitznamen gaben, weil sie Fans von Bob Dylan sind. Am 26. Mai werden diese Füchse im Halbfinale der Champions League Gegner des Handballmeisters THW Kiel sein.
Ein Märchen, das eng mit Hanning verbunden ist. Einst aus Hamburg vertrieben, wurde er, der sich wegen seiner Größe (1,69m) auch schon als Napoleon ablichten ließ, auf der Suche nach einer richtig kniffligen Aufgabe bei den Füchsen fündig. Zwei Jahre später stiegen sie in die Bundesliga auf, in der vergangenen Spielzeit qualifizierte sich das Team von Dagur Sigurdsson erstmals für die Champions League. Wer glaubte, ein Strohfeuer zu erleben, sah sich getäuscht. Die Erben der Reinickendorfer Füchse waren gekommen, um zu bleiben.

Der gelernte Kaufmann Hanning achtete darauf, kleine Schritte zu machen. Mit Auge eine Mannschaft zu formen. Verpflichtungen wie die von Silvio Heinevetter, Sven-Sören Christophersen, des polnischen Mittelmannes Bartolomiej Jaszka oder des dänischen Kapitäns Torsten Laen sind nur einige seiner Coups. Ein weiterer war Iker Romero, dessen Transfer vom FC Barcelona von vielen als Marketing-Gag einsortiert worden war. Doch eben jener Romero war ein Garant dafür, dass die Berliner im Viertelfinale der Champions League einen Elf-Tore-Rückstand gegen Leon aufholen konnten.

Auf dem langen Weg ins Licht stolperten die Füchse nur einmal und das über die eigenen Füße. Weil ein Kurierdienst zwei Pakete vertauschte, strandeten ihre Lizenzunterlagen im Februar vergangenen Jahres in Wien. Genauer Zielort unbekannt. Am Bestimmungsort, der Geschäftsstelle der Handball-Bundesliga (HBL) in Dortmund, kam am letzten Tag der Abgabefrist dagegen ein Paket an, das Holzschmuck und Spielzeug enthielt. Absender unbekannt. Ein Anruf um neun Uhr, hektisch verpackte Unterlagen im Taxi zum Bahnhof, im verspäteten ICE nach Dortmund, um 14.45 Uhr im Ziel - 45 Minuten vor Ablauf der Frist. So gezittert wurde im Fuchsbau zuletzt, als im Jahr 2005 die Lizenz für die Zweite Liga im dritten Anlauf erstritten wurde.

In der Sportstadt Berlin sind die Füchse, deren A-Jugend Hanning als Trainer zur deutschen Meisterschaft geführt hat, längst angekommen. Auch wenn die Zahl der Dauerkarten bei 2000 stagniert, ist die 9000 Zuschauer fassende Max-Schmeling-Halle oft ausverkauft. Wer in Berlin lebt, steht angesichts der breiten Kultur- und Sportpalette täglich vor der Qual der Wahl. Darauf haben die Füchse regiert. Mit den Eisbären, den Alba-Basketballern und den Volleyballern, die als Berlin Recycling (BR) Volleys vor mehr als 7000 Zuschauern schmettern, werben sie unter dem Logo "Sportmetropole Berlin". Die Clubs betreiben eine gemeinsame Facebook-Seite, tauschen Ideen aus. Wer 35 Euro zahlt, kann sechs Spiele dieser Vereine sehen, die ein buntes Spektakel bieten, was vor allem jene anlockt, die mehr als Tore erleben wollen. Während der Fußball sich mit Hertha BSC im freien Fall befindet, haben sich in der Hauptstadt die Sportarten aus der zweiten Reihe ein großes Stück vom Kuchen abgeschnitten. Die Füchse, deren Geschäftsstelle längst an den schicken Gendarmenmarkt umgezogen ist, sind dabei. Satt sind sie noch nicht.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 05.05.2012)


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