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12.06.2012 Champions League / Geschichte

Zebra-Journal: Steinzeit der Champions League

Alles begann mit einem Städteturnier - Königsklasse ging 1993 an den Start

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 11.06.2012:

Über die Anfänge des Handball-Europapokals hat sich längst der Staub der Geschichte gelegt. Und doch kann sich Manfred Korn noch exakt erinnern an die Partien aus der Steinzeit des europäischen Hallenhandballs. "Das erste Spiel gegen Lüttich haben wir gewonnen", kommt seine Antwort wie aus der Pistole geschossen.
1956 vertrat der viermalige Internationale mit der TSG Haßloch die deutschen Farben im "Coupe d'Europe Inter-Villes", dem Europa-Cup der Stadtmannschaften, wie der Wettbewerb in seiner ersten Spielzeit hieß. "Das war schon ein großes Abenteuer", erinnert der 77- Jährige.

Aber wieso Haßloch? Der Club aus der Pfalz war damals Südwestdeutscher Meister, hatte aber in der Meisterschafts-Endrunde nur Platz sechs belegt, hinter Meister Berliner SV und dem THW Kiel; die "Zebras" galten als eine der besten Mannschaften Europas, als sie beim Osterturnier 1956 in Kopenhagen den Gastgeber besiegt und auch den schwedischen Champion Örebro in Schach gehalten hatten. Aber nicht Kiel mit Hein Dahlinger startete im neuen Europapokal. Sondern Haßloch. "Damals ging es nach dem Prinzip, wer zuerst kommt, der mahlt zuerst", erklärt Korn, und da sich der Haßlocher Manager jener Jahre, Siegfried Perrey, sofort gemeldet habe, startete eben Haßloch für die Bundesrepublik. Und Ostberlin für die "Sowjetzone", die DDR, die der Welthandballverband IHF am 31.8./1.9.1956 in Stockholm nach langen Debatten als Mitglied aufgenommen hatte.

Die Kongressberichte jener Tage zeugen vom geringen Stellenwert, den die Funktionäre dem neuen Clubwettbewerb anfangs beimaßen. "Am Samstag stand der französische Vorschlag, einen 'Europa-Cup der Städte' ins Leben zu rufen und diese Veranstaltung erstmals noch in der Saison 1956/57 auf französischem Boden zu organisieren, als erster Punkt auf die Tagesordnung", hieß es in der Deutschen Handballwoche (DHW), die diesen Beschluss übrigens nicht zu den 13 wichtigsten Kongress-Beschlüssen zählte. "Es handelt sich dabei um ein Hallen-Turnier, das vornehmlich der Propagierung dieser Sportart dienen soll, aber auch (.) für die kleinen Nationen sicherlich manche Anregung bieten kann. Als der Herr Vizepräsident mit 13 schon interessierten Stadt-Vertretungen zu argumentieren versuchte, ergab sich allerdings beim Zählen der 'Kandidaten' aus Dänemark, der Tschechoslowakei, Rumänien, Schweden, Westdeutschland, Ungarn, Spanien, Portugal, Luxemburg und Belgien vorerst nur die Zahl '10'." Das Fragezeichen hinter Westdeutschland war vielsagend; offenbar konnte sich die DHW nicht vorstellen, dass ein westdeutsches Team teilnehmen wollte.

Der französische Antrag wurde schließlich, da IHF-Präsident Hans Baumann dafür eintrat, genehmigt. In Wirklichkeit hatte die Sportzeitschrift L'Equipe den neuen Wettbewerb initiiert, wie schon den Landesmeisterpokal im Fußball 1955. Als Prag im Viertelfinale gegen Bukarest (24:19) 3000 Fans anzog, bemerkte die DHW, die Resonanz sei "ein Zeichen, dass der von der Pariser L'Equipe angeregte Wettbewerb zur Werbung für den Handball beiträgt".

Womöglich mag dieser Hintergrund auch zu dem Skandal beigetragen haben, den Korn dann im Viertelfinale mit Haßloch in Paris erlebte. Damals, erinnert er sich, "sind wir vom Schiedsrichter benachteiligt worden, wo es nur ging". Die TSG verlor vor 5000 Fans im Pariser Coubertin-Stadion trotz 13:6-Führung mit 15:18 Toren. "Pfälzer wurden zerpfiffen", hieß die Schlagzeile in der DHW, Berichterstatter Perrey tobte.

Das Finale am 9. März in Paris gewann schließlich Prag, dessen Auswahl identisch war mit Dukla Prag, gegen den schwedischen Meister Örebro mit 21:13, gerühmt wurde insbesondere die Torwartkunst von Jiri Vicha. Teams aus zwölf Handballverbänden hatten teilgenommen, bis 1963 waren es Mannschaften aus insgesamt 22 Ländern (siehe auch Europapokal 62/63). Erster deutscher Sieger war Frisch Auf Göppingen 1960, mit den legendären Kempa-Buben. Bis 1966, als DHfK Leipzig sich in die Siegerliste einschrieb, dominierten indes Teams aus dem Ostblock. 1967 begann die ruhmreiche Ära des VfL Gummersbach, der bis 1983 insgesamt fünf Triumphe feiern konnte und auf dieser Basis den Ruf als erfolgreichste Mannschaft der Welt besaß. Womöglich aber profitierte das Team um Legenden wie Hansi Schmidt, den Brand-Brüdern und Erhard Wunderlich aber auch davon, dass ab 1966 bis in die 1970er Jahre hinein der Deutsche Handballbund (DHB) den Wettbewerb organisierte. Auf Gummersbach folgte die erneute Vorherrschaft des Ostblocks, der jugoslawische Meister Metaplastika Sabac, SKA Minsk und RK Zagreb waren der Maßstab bis zu dem Moment, als der Wettbewerb mit der Gründung der Europäischen Handball-Föderation (EHF) anno 1991 eine neue Zäsur erfuhr. Ab 1993 firmierte die EHF den Landesmeisterpokal um in Champions League. Vorbild war das Beispiel des "großen Bruders", erzählt Michael Wiederer. "Wir haben uns damals natürlich an der UEFA-Champions-League des Fußballs orientiert", sagt der EHF-Generalsekretär. Die neue Idee, für die Runde der letzten Acht zwei Vierergruppen zu bilden, aus denen sich der Sieger für das Finale qualifizierte (also auf K.o.-Runde in Hinund Rückspiel zu verzichten), wurde zunächst argwöhnisch beäugt. "Aber schon die erste Saison hat gezeigt, dass das Gruppenspielsystem den Clubs sehr behagt", so Wiederer.

1996 schließlich wurden in der Runde der letzten 16 dann in vier Vierergruppen gespielt, später gingen 32 Clubs in acht Gruppen in die Gruppenphase. Ab 2006/07 gab es erstmals zwei Gruppenphasen. Seit 2010 erst existiert das Final Four so, wie es heute ausgetragen wird. Mit Einführung der Champions League dominierte die spanischen Clubs, von 1994 bis 2001 siegten sie in Serie, allein der FC Barcelona holte den Titel fünfmal in Folge (und löste damit Gummersbach als erfolgreichstes Team der Welt ab). Der SC Magdeburg war der erste deutsche Champions-League-Sieger. Und seit 2005 machen die spanische Asobal und die deutsche Bundesliga die Titel unter sich aus, der THW Kiel, BM Ciudad Real (Atletico Madrid) und der FC Barcelona. Und der Wert dieses Titels ist inzwischen so hoch, wie man es sich 1956 bei der Gründung des Wettbewerbs nicht vorstellen konnte. "Für mich ist es der größte Event der Welt, wichtiger noch als Olympische Spiele", sagt der Trainer des THW Kiel, Alfred Gislason.

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 11.06.2012)


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