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12.02.2013 Bundesliga

Kieler Nachrichten: "Fall Glandorf" endet mit einem Vergleich

Detlev Brandecker: "Eine Lösung im Sinne des Handballs"

Aus den Kieler Nachrichten vom 12.02.2013:

Flensburg. Eines schickt das Gericht vorweg. "Wir haben alle keine Ahnung von Handball", sagt die Vorsitzende Richterin Hille-Grit Gutbier gestern, als die Güteverhandlung im Saal 409 des Landgerichts Flensburg beginnt. Dass diese mit den Hauptbeteiligten Dr. Detlev Brandecker und Holger Glandorf enorme Auswirkungen haben könnte für den Leistungshandball, womöglich für den gesamten Spitzensport, dessen sind sich die drei Richter und die Parteien indes bewusst.
Man strebe einen Vergleich an, sagt Rechtsanwalt Helmar Maeder, der den Kieler Arzt Brandecker vertritt. Das sei besser "anstatt die Handballwelt von allen Seiten zu beleuchten". Der "Fall Glandorf", um den es hier geht, hatte Schlagzeilen gemacht. Dem Handballprofi von der SG Flensburg-Handewitt, Weltmeister von 2007, hatte im April 2012 eine Notoperation über sich ergehen lassen müssen. Vorausgegangen war eine Cortison-Spritze, die Brandecker als Arzt der deutschen Nationalmannschaft dem Linkshänder im Strandhotel Glücksburg verabreicht hatte. Dass Brandecker seit 1989 die Spieler des Erzrivalen THW Kiel betreut und nur zeitweise die Nationalspieler, erhitzte die Gemüter zusätzlich.

Glandorf hatte damals Probleme mit den Schleimbeuteln, war von Klubärzten aber konservativ behandelt worden. Ohne Spritzen. Beim Aufwärmen vor dem Länderspiel in Danzig hatte er erneut über Probleme geklagt, also wurde eine Behandlung vereinbart. Glandorf ging es nach der Injektion zunächst, wie von Brandecker prophezeit, etwas schlechter, dann deutlich besser. Doch nach einigen Tagen, als der Lehrgang schon beendet war, bekam der Flensburger hohes Fieber, die Entzündungswerte schnellten hoch, identifiziert wurde ein multiresistenter Staphylococcus aureus-Keim (MRSA).

"Das ist ein gefährliches Krankheitsbild", erklärte Glandorfs Anwalt Olaf Matlach. "Der Fuß kann versteifen. Der Fuß kann abgenommen werden. Man kann sterben, wenn man nicht die Konstitution eines 29-Jährigen hat." Alles dies blieb Glandorf erspart. Seit September trainiert er wieder, im vergangenen Dezember spielte er überragend. Acht Monate zuvor hatte ihm das Karriereende gedroht. Deswegen dreht sich nun alles nur um die Frage: Ist Glandorf korrekt über die Risiken einer solchen Behandlung aufgeklärt worden?

Wäre Glandorf ein Patient wie jeder andere, so die Richterin, hätte Brandecker wohl nicht regelkonform aufgeklärt, wie es die Klageschrift behauptet. Aber Glandorf ist ein Handballprofi, da verhalte sich die Sache anders. "Ein Berufssportler ist kein überängstlicher Mensch, er übt einen gefährlichen Beruf aus", sagt die Richterin. In dessen Vertrag mit der SG Flensburg-Handewitt steht sogar, dass der Klub über medizinische Behandlungen entscheiden könne.

Am Ende einigen sich die Parteien auf einen Vergleich, auch im zweiten Verfahren, das die SG Flensburg wegen Glandorfs Ausfalls angestrengt hatte. Über die Summen wird Stillschweigen vereinbart. Aber die 50 000 Euro Schmerzensgeld, die Glandorfs Anwalt forderte, waren dem Gericht zu viel. Ein Zehntel davon vielleicht, sagte die Richterin.

"Das ist eine Lösung im Sinne des Handballs", sagt Detlev Brandecker, andernfalls hätte ein Urteil womöglich Konsequenzen für die gesamte sportärztliche Behandlung im Leistungssport gehabt. "Ich kann mit dem Vergleich gut leben", sagte der THW-Arzt weiter und bezeichnete die Atmosphäre während der Verhandlung als "konstruktiv offen". Positiv verbuchen konnte er, dass das Gericht an seiner Behandlungsweise nichts auszusetzen hatte. Und außerdem: "Es ist kein Tischtuch zerschnitten, wir können uns in die Augen schauen. Wir sind doch alle froh, dass Holger wieder spielen kann."

Auch SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke sagte, dass er zufrieden sei mit dem Ergebnis. Und Glandorf sagte, er wolle über die Sache am liebsten nicht mehr reden.

(von Erik Eggers, aus den Kieler Nachrichten vom 12.02.2013)


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