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Interview mit Dr. Dirk Büsch:

[Bild: Dr. Dirk Büsch] In seiner dritten Saison sitzt Dr. Dirk Büsch nun schon neben Noka Serdarusic auf der Trainerbank unseres THW Kiel. Der 35jährige Berliner bringt den akademischen Touch mit auf das Parkett: Er ist wissenschaftlicher Angestellter bei der Christian-Albrechts-Universität und tätig am Sportinstitut als Fachleiter für die Bereiche Badminton, Bewegungswissenschaft und natürlich Handball. Nur noch wenig Zeit bleibt ihm dabei für seine Hobbies: Motorradfahren und Lesen. Hallenheft-Redakteur Sascha Klahn traf im Februar unseren zweiten Mann im THW-Trainer-Gespann zu einem Gespräch und stellt "Büschi" einmal etwas näher vor.
Zebra:
Hast Du schon im Trainergeschäft gearbeitet, bevor Du zum THW gekommen bist?
Büsch:
Ich habe vorher bei den Reinickendorfer Füchsen in Berlin als Jugendtrainer gearbeitet und auch aushilfsweise in der zweiten Bundesliga der Frauen.
Zebra:
Warum bist Du Trainer geworden?
Büsch:
Das ist reizvoll. Man hat mich gefragt, ob ich das gerne machen würde. Ich habe es mir überlegt, da es ja auch ein großer Zeitaufwand ist, und nach einer Weile - nach ein paar Tagen oder Wochen - habe ich dann nochmal ein Gespräch mit Noka und mit Uwe geführt. Anschließend habe ich gesagt: okay, ich mache das erst einmal für zwei Jahre und dann sehen wir weiter.
Zebra:
Was waren das letztlich für Gründe, die Dich damals bewegt haben, hier nach Kiel zu kommen?
Büsch:
Es waren berufliche Gründe an der Universität hier in Kiel, die hatten mit Handball gar nichts zu tun.
Zebra:
Auch nach mittlerweile fast drei Jahren beim THW bedauerst Du es noch nicht, Berlin mit Kiel getauscht zu haben?
Büsch:
Nein, überhaupt nicht.
Zebra:
Was bedeutet es für Dich, hier in der ersten Mannschaft mit Noka Serdarusic zusammenzuarbeiten?
Büsch:
Ersteinmal ist es, wie schon gesagt, eine reizvolle Aufgabe. Es ist spannend, im Spitzen-sportbereich in irgendeiner Art und Weise aktiv zu sein, um zu lernen, wie dort das Spiel gespielt wird. Und dann ist es natürlich auch sehr interessant, mit einem Trainer wie Noka zusammen zu arbeiten, weil man vom ihm natürlich noch sehr viel lernen kann.
Zebra:
Was heißt es, Co-Trainer zu sein? Was sind Deine Aufgaben in Eurem Gespann?
Büsch:
Ich soll mich, wenn die Möglichkeit besteht, um die Torwarte kümmern, mit denen z.B. Torwarttraining machen. Wobei die Zeiten dafür gerade in der Saison sehr eingeschränkt sind, weil natürlich bei dem vollen Terminkalender, den wir haben, eine solche Möglichkeit sehr selten besteht. Desweiteren soll ich mich so ein bißchen um das Stretching, um das Auf- und Abwärmen und um das Krafttraining kümmern.
Zebra:
Du sagtest gerade, Eurer Terminplan ist sehr eng besetzt. Wie läßt sich das mit Deinem Beruf an der Universität vereinbaren?
Büsch:
Es ist zumindest das Wohlwollen des Institutes vorhanden, mich dabei unterstützen zu wollen, solange meine eigentlichen Aufgaben nicht darunter leiden. Das heißt, es dürfen keine Lehrveranstaltungen an der Universität ausfallen und Arbeitsstunden, die ich dadurch versäume, daß wir relativ viel unterwegs sind, muß ich auf jeden Fall nachholen. Das ist eine Vereinbarung, die man mit der Universität trifft. Diese mußte ich schriftlich zusichern.
Zebra:
Du führst ein Doktor-Titel. Für was bist Du "Doktor", was sind Deine Aufgaben an der Universität?
Büsch:
Ich bin Doktor der Philosophie im Fach Sportwissenschaft. Ich unterrichte Badminton und Handball als Sportart, zusätzlich eher theoretisch ausgelegte Lehrveranstaltungen im Bereich der Methodenlehre und Lehrveranstaltungen im Bereich der Bewegungswissenschaft.
Zebra:
Du kannst sicher Deine beiden beruflichen Tätigkeiten gut miteinander kombinieren und auch einige Ideen und Ansätze aus dem einen Betätigungsfeld in das andere mit herübernehmen. Profitiert das eine vom anderen und umgekehrt?
Büsch:
Das kann ich auf jeden Fall so sagen.
Zebra:
Gibt es konkrete Beispiele, die Du in Deinen Universitäts-Lehrplan mit einfließen läßt?
Büsch:
In der praktischen Ausbildung in der Sportart Handball ist die Abwehrarbeit bzw. das Abwehrverhalten ein eher untergeordnetes Kapitel. Andererseits hat es eine sehr hohe Bedeutung für das Verhalten zum Gegner, was natürlich für die Ausbildung von Lehrern in der Schule auch sehr wichtig ist. Deshalb profitiert man davon, gerade weil sich die Regeln geändert haben. Ich kann dieses gut an der Uni verwenden und sagen: euer Abwehrverhalten müßte so und so aussehen, wenn es denn regelgerecht sein soll. Gleichzeitig ist es auch ein Schutz, wenn Schüler spielen, weil eben die Möglichkeiten hier eingeschränkt sind, andererseits wieder sehr genau definiert ist, was erlaubt ist. Das heißt insbesondere in diesem Fall, die Schüler und ihre Lehrer gewinnen dadurch.
Zebra:
Kannst Du auch umgekehrt Erkenntnisse aus Deinem Universitätsberuf, aus der Methodenlehre, aus dem sportwissenschaftlichen Bereich, in den Bundesliga-Handball einbringen?
Büsch:
Soweit das möglichst ist: natürlich ja. Als Beispiel die Bedeutung des Stretchings, der Art und Weise, wie die Übungen gemacht werden sollen - diese Übungen ändern sich ständig. So etwas erfolgt selbstverständlich auch in Absprache mit unseren Krankengymnasten, was im übrigen gut funktioniert. Ohne die Zusammenarbeit wäre das wahrscheinlich auch gar nicht möglich. So versuche ich, da einen Bezug zur Sportwissenschaft herzustellen und mit einzubauen.
Zebra:
Wie sieht für Dich der normale, wöchentliche Trainingsalltag aus? Ihr müßt Euch fast ständig auf ein neues Spiel vorbereiten. Könnt ihr Euch in Anbetracht des engen Spielplans speziell vorbereiten?
Büsch:
Ja, auf die einzelnen Gegner können wir uns speziell vorbereiten. Das machen wir auf jeden Fall.
Zebra:
Hast Du da besondere Aufgaben. Trennen Noka und Du dabei klar die Aufgaben?
Büsch:
Die Sachen, die vor allen Dingen in den taktischen Bereich hineingehen, das Coaching, das sind die Sachen, die Noka alleine macht. Da ist er wahrscheinlich der versierteste Experte in der gesamten Liga. Das zeichnet ihn in ganz besonderem Maße aus, weil das kein anderer so gut kann: analysieren, was machen die Gegner, was spielen die Gegner. Und die Lösung zu finden, was mache ich dagegen, damit sie mit dieser Konzeption nicht erfolgreich sind. Da wird ihm auch keiner reinreden ... dürfen, können, müssen - das wäre auch Unsinn.
Zebra:
Du bekommst aber trotzdem ein paar von Nokas Geheimnissen am Handball mit?
Büsch:
Ein paar kriegt man natürlich mit.
Zebra:
Zur Zeit lernst Du bei Noka also noch die einen oder anderen wichtigen Tricks und kleinen Kniffe. Beabsichtigst Du später einmal mehr, als nur Co-Trainer zu sein?
Büsch:
Bisher habe ich kein Interesse daran, eine eigene Mannschaft zu führen und selbst eigenverantwortlicher Trainer zu sein, weil es in dem Bereich der Handball-Bundesliga bedeuten würde, die Entscheidung zu treffen, ob ich etwas an der Universität oder nur im Handballsport tun möchte. Hier sind meine Prioritäten bei der Universität.
Zebra:
Hast Du momentan überhaupt die Zeit, die Mannschaft zu jedem Spiel zu begleiten?
Büsch:
Wenn ich nicht gerade krank bin, dann fahre ich zu jedem Spiel mit.
Zebra:
Bist Du auch bei jedem Training dabei?
Büsch:
Nein.
Zebra:
Es wird langsam immer härter, es fällt der ein oder andere Spieler mehr aus. Du bist ja insbesondere auch für Stretching und Krafttraining zuständig. Was sind Deine Aufgaben für den Rest der Saison? Fallen diese nun zunehmend in den Bereich Gesundheit der Spieler und Verletzungsprävention?
Büsch:
Ja. Das ist aber etwas, was nicht hundertprozentig zufriedenstellend ist. Die Spieler sind natürlich nach einem Spiel oder auch nach einem Training erschöpft. Und dann sind sie natürlich nicht bereit, zusätzlich noch zu laufen und zu stretchen. Einige Spieler haben es aber so verinnerlicht und akzeptiert, daß das sehr hilfreich und für sie gut ist Ð andere widerum nicht. Und das ist halt die Diskrepanz dabei. Aber egal, ob man gewinnt oder verliert, man muß es tun. Auch wenn es schwerfällt, weil ansonsten bei den ganz kurzen Regenerationszeiten, die wir haben, natürlich diese Kleinigkeiten nach dem Spiel oder nach dem Training immer etwas damit zu tun haben, besser und schneller zu regenerieren und beim nächsten Spiel wieder die maximale Leistungsfähigkeit zu erbringen. Hier geht es um Profi-Handball. Man kann es natürlich über die Einsicht machen, aber letztendlich muß es jeder tun, weil jeder Spieler natürlich verpflichtet ist, seine Leistungsfähigkeit zu erhalten und das Bestmögliche dafür zu tun, damit es auch so bleibt. Genau so ein Kriterium ist es, wenn ein Spieler verletzt ist, seine Leistungsfähigkeit schnellstmöglich wieder herzustellen.
Zebra:
Du kennst den Gesundheitszustand der Mannschaft. Was erwartest Du für den Rest der Saison?
Büsch:
Was ich mir wünsche oder was ich erwarte? - Erstens wünsche ich mir, daß wir heute gewinnen. Und vom Potential der Mannschaft bin ich auch überzeugt, daß es heute klappen wird. Und zweitens werden wir in der Meisterschaft versuchen, das Bestmögliche herauszuholen. In erster Linie geht es darum, unsere eigenen Spiele zu gewinnen - natürlich haben wir auch Flensburg noch hier, was gut ist, um den Abstand zu verkürzen. Das heißt aber auch, daß wir von unseren Spielen keines mehr verlieren dürfen, um uns die Chance auf die Meisterschaft zu bewahren. Ich glaube allerdings auch, daß die anderen Mannschaften wie Flensburg und Lemgo noch ein, zwei oder vielleicht auch drei Spiele verlieren werden, und daß es nachher am Ende der Saison ein ganz knapper Ausgang wird, der im Zweifelsfall sogar über das Torverhältnis entschieden wird.
Zebra:
Das heißt, der Endspurt wird auch auf der Bank kein leichter Job werden. Du stehst ständig unter hoher Anspannung ...
Büsch:
Wenn Du nicht angespannt bist, dann bräuchtest Du den Job gar nicht machen. Dann macht er keinen Spaß!
Zebra:
Wie läßt Du Deine Anspannung auf der Bank raus? Kannst Du von der Bank aus noch viel machen, Einfluß auf das Spielgeschehen nehmen - oder macht das auch nur Noka allein?
Büsch:
Es macht in erster Linie, d.h. ausschließlich, Noka, weil er derjenige ist, der beim Coachen das Sagen hat. Du kannst nur mal dem einen oder anderen Spieler gut zureden, wenn er verworfen hat, ihm sagen, das es nicht so schlimm ist, oder das der Torwart immer früh runtergeht und er soll beim nächsten Mal hoch werfen. Oder er soll lieber auf der Wurfarmseite vorbeigehen, weil dort der Gegenspieler schwächer ist. Aber das ist auch alles, was man machen kann. Das taktische Ganze ist Sache des Chef-Trainers.
(15.03.99)
Interview: Sascha Klahn, entnommen dem THW-Hallenheft "Zebra".

Mehr Infos über Dr. Dirk Büsch unter Spielerporträt Dr. Dirk Büsch.