Interviews mit Stefan Lövgren:
Kurz vor Weihnachen 2000
führte living sports-Mitarbeiter Sascha Klahn ein
Interview mit THW-Spielmacher
Stefan Lövgren.
- Zebra:
-
Bei den olympischen Spielen noch ein All-Star
und einer der besten Spieler des ganzen Turniers - in der Bundesliga
zur Zeit unter dem Durchschnitt: Durchlebt
Stefan Lövgren zur Zeit eine persönliche
Talfahrt beim THW Kiel?
- Stefan Lövgren:
-
Klar, mit meinen Leistungen in den letzten Wochen kann ich nicht
zufrieden sein. Ich muß der Mannschaft mehr helfen und das wird sich
auch bald wieder ändern. Die Olympiade
war die bislang größte Enttäuschung. Wir haben mit der Nationalmannschaft
vier Jahre lang für das große Ziel olympisches Gold gearbeitet.
Aber wenn man die Situation hier beim THW sieht, wird es jetzt wieder
Zeit nach oben zu gehen, davon bin ich überzeugt.
- Zebra:
-
Trotzdem, die alten Schweden Staffan Olsson
und Magnus Wislander werden nicht jünger.
In der Nationalmannschaft in Schweden steht ebenso ein Umbruch bevor
wie beim THW.
- Stefan Lövgren:
-
Aber das sind zwei verschiedene Situationen. In der Nationalmannschaft
bist du schon zufrieden, wenn Du dabei bist. Da kannst Du auch die
ersten 20 Spiele als junger Mann nur auf der Bank sitzen oder nur kurz
spielen. Im Verein willst Du schneller dabei sein, sonst wirst Du unsicher
und verlierst auch Dein Selbstvertrauen und zuletzt bist Du unzufrieden.
Staffan, Max
und auch Ola Lindgren (Nordhorn) sind auch in der schwedischen
Nationalmannschaft nur schwer zu ersetzen. Sie bringen unglaublich viel
Stabilität und Sicherheit. Dann spielt es sich für die Jungen leichter,
die mit mehr Tempo nach vorne gehen, aber auch Fehler machen.
- Zebra:
-
Apropos Tempo, Du liebst die schnelle skandinavische Spielvariante?
- Stefan Lövgren:
-
Ja, es kann gerne etwas schneller sein.
- Zebra:
-
Welcher Spielertyp liegt Dir dabei am meisten?
- Stefan Lövgren:
-
Mit dem kleinen Lubomir Vranjes verstehe ich mich gegen offensive
Abwehrreihen sehr gut. Das ist bei uns in Kiel natürlich schwerer,
da alle im Schnitt etwas größer sind und das Spiel dadurch
schon etwas langsamer ist.
- Zebra:
-
Was kann der THW in diesem Jahr noch leisten?
- Stefan Lövgren:
-
Das kommt natürlich ganz auf die nächsten Spiele an. Wenn wir
bis zur Pause alles gewinnen, ist noch alles möglich. Dann kommt
die große Pause im Januar und mit vollen Akkus können dann richtig
angreifen. Außerdem können wir auch nicht weiterhin soviel Pech haben.
So viele Verletzungen wie in diesem Jahr kann keine Mannschaft
kompensieren. Ich glaube, wir können noch einiges bewegen.
- Zebra:
-
Warum tun sich junge talentierte Spiele so schwer mit einem Angebot
des THW?
- Stefan Lövgren:
-
Bei anderen Vereinen redet man nicht so gut über den THW. "Die sind
arrogant" und so weiter. Auch Mike Bezdicek
hatte diese Art "Informationen" vor seinem Wechsel und war total
erleichtert, daß natürlich ganz das Gegenteil der Fall ist. Heute fühlt
er sich sehr wohl. Zudem wissen viele Spieler, daß sie beim THW
immer gute Leistungen bringen müssen, um viel zu spielen.
Bei ihren alten Vereinen haben sie ihren Stammplatz sicher und dieses
Risiko will der eine oder andere nicht eingehen.
Aber das ist der falsche Weg, um ganz nach vorne zu kommen.
- Zebra:
-
Wie siehst Du Deine Zukunft und die des THW?
- Stefan Lövgren:
-
Mein Vertrag läuft noch zwei Jahre und das ist eine sehr lange Zeit
im Sport. Ich fühle mich sehr wohl in Kiel. Die Voraussetzungen
sind mit der neuen großen Halle und dem professionellen Umfeld
mehr als optimal. Die Zuschauer machen alles mit - wir haben schlecht
gespielt un den letzten Wochen und trotzdem stehen die Fans hinter
uns - der THW wir noch viel erreichen. Am schwersten wir es sein,
Typen wie Wislander oder
Olsson zu ersetzen. Aber die Zukunft gehört
klar dem THW Kiel.
- Zebra:
-
Das Zebras und sicher auch alle THW-Fans wünschen Dir viel Glück
bei der WM in Frankreich und einen guten
Rutsch ins neue Jahr.
- Stefan Lövgren:
-
Das wünsche ich Euch und allen THW-Fans auch!
- Zebra:
-
Vielen Dank, Stefan.
(13.01.2001)
Interview: Sascha Klahn, entnommen dem THW-Hallenheft "Zebra".
Nach den ersten Spielen der Saison 2000/2001
führte Hallenheft-Redakteur Sascha Klahn ein
Interview mit THW-Spielmacher
Stefan Lövgren.
- Zebra:
-
Stefan, seit gut einem Jahr spielst Du nun in Kiel.
Wie fällt Dein Fazit nach der ersten Saison im Zebra-Dress aus?
- Stefan Lövgren:
-
Ich bin ganz zufrieden. Klar, muß ich ja auch sein bei den
Ergebnissen. Das erste Jahr in einer neuen Mannschaft mit einer
neuen Taktik ist natürlich immer besonders schwer.
- Zebra:
-
Doch Du hast Dich ganz gut in das System eingefunden?
- Stefan Lövgren:
-
Ich finde, daß es mit der Taktik schon ganz gut geklappt hat.
Allerdings habe ich mein eigenes Spiel, daß ein bisschen mehr nach
Halblinks tendiert, etwas verloren. Es ist für mich nicht ganz
so einfach, jetzt in der Mitte zu spielen. Aber es ist natürlich
richtig, sich erst der Taktik anzupassen und dann zum eigenen
Spiel zu finden.
- Zebra:
-
Etwas genauer, wie sieht Dein eigenes Spiel aus?
- Stefan Lövgren:
-
Mein eigenes Spiel geht mit ein bißchen mehr Druck in Richtung Tor.
Nicht um selbst zum Erfolg zu kommen, sondern um mehr Druck
auf die Abwehr auszuüben. Bislang habe ich mehr "Seitwärts-Handball"
gespielt.
- Zebra:
-
Nichts destotrotz geht es mit dem THW Kiel stetig vorwärts.
- Stefan Lövgren:
-
Das ist wahr. Vielleicht werde ich mein altes Spiel nicht
ganz wiederfinden, da ich jetzt auf der Mittelposition agiere.
Aber dennoch möchte ich meine alten Stärken weiter integrieren,
und dann wird es noch besser.
- Zebra:
-
Mit Morten Bjerre habt ihr einen
weiteren Rückraumspieler dazu bekommen. Seit Ihr jetzt noch
variabler geworden?
- Stefan Lövgren:
-
Morten ist eine eindeutige Verstärkung
für uns. Es ist gut, daß er nicht das gleiche Spiel wie
Staffan Olsson macht. Dadurch haben wir jetzt
zusätzliche Variationsmöglichkeiten.
Morten ist beweglicher und spielt mit mehr
Druck, während Staffan seine absoluten Stärken
in der Taktik und im spielerischen hat. Wir sind eindeutig variabler
geworden. Zudem verstehen wir uns alle schon jetzt sehr gut.
- Zebra:
-
Wie lauten Deine Ziele für diese Saison?
- Stefan Lövgren:
-
Die Ziele lauten genauso wie im letzten Jahr auch schon.
Ich möchte alle Spiele gewinnen und alle drei Titel holen.
Das ist natürlich nicht einfach, aber es ist ein Ziel.
Es ist eine sehr schwierige Saison mit vielen Bundesligaspielen und
den Olymischen Spielen und der Weltmeisterschaft.
Nur bei einer Vereletzung wären die beiden Pausen wegen der
internationalen Turniere ein echter Vorteil.
- Zebra:
-
Für Dich stehen in diesem Jahr fünf große Wettbewerbe auf
dem Programm. Ist es da nicht sehr schwer, die Spannung über
die ganze Saison aufrecht zu erhalten?
- Stefan Lövgren:
-
Nein. Mein Hauptantrieb ist es eigentlich, im Training immer
100 Prozent zu geben und ständig etwas dazu zu lernen.
Mit diesen kleinen Zwischenzielen ist es einfacher, als sich nur
auf ein großes Ziel wie ein Sieg bei den Olympischen Spielen auszurichten.
- Zebra:
-
Dennoch ist die olympische Goldmedaille Dein größter Traum.
- Stefan Lövgren:
-
Ja, das stimmt. Ich habe diese Medaille noch nicht gewonnen und
in diesem Jahr ist das mein oberstes Ziel. Natürlich ist
es sehr schwer. Und eigentlich wäre jetzt mal wieder eine andere
Nation an der Reihe, denn die Schweden haben die letzten drei
großen Turniere gewonnen. Aber das hat uns so ein riesen
Selbstvertrauen gegeben und nun haben wir ein
psychologischen Vorteil. Wir haben allerdings ein Problem. Da Andreas
Larsson (Nordhorn) und Christian Ericsson (Dormagen) verletzt
sind, ist Staffan Olsson unser einziger
Linkshänder im Rückraum.
- Zebra:
-
Eine Chance für den vierten Schweden im THW-Bunde, Jonas Ernelind?
- Stefan Lövgren:
-
Das ist eine Chance für Jonas. Wenn Pierre Thorsson
von Rechtsaußen auf Halbrechts rückt, könnte Jonas
außen nachrücken. Außerdem könnten wir einen zusätzlichen Linkshänder
gut gebrauchen. Eine weitere Verletzung, und dann könnten wir
ganz schnell wieder von Sydney aus zurück nach Hause fliegen ...
- Zebra:
-
Für die meisten Spieler Eurer Nationalmannschaft ist die Goldmedaille
das erklärte Ziel, die Öffentlichkeit erwartet die Schweden ganz
vorn. Ein ungeheurer Druck?
- Stefan Lövgren:
-
Bei den letzten Spielen in Atlanta war es noch schlimmer.
Alles andere als die Goldmedaille wäre damals ein Fiasko
gewesen, so wurde in allen Medien berichtet - und die Spieler haben
es am Ende geglaubt. Dort dachten alle, dies sei die letzte
Chance für unsere alten Spieler. Doch auch trotz der Silbermedaille
der Handball in Schweden ging weiter und die alten Spieler sind
immer noch dabei. Dieses Mal wird es wieder sehr schwer,
doch heute denken die Spieler anders. Für einige einzelne Spieler
ist es zwar die letzte Chance, aber für Schweden mit
Sicherheit nicht. 1996 haben uns im Endspiel richtig die
Nerven verlassen, der Druck und der Streß waren zu hoch. Ich glaube,
so etwas wird uns nicht wieder passieren.
- Zebra:
-
Werdet Ihr Euch Eure Lockerheit bewahren können?
- Stefan Lövgren:
-
Ich denke schon, daß wir uns unsere Lockerheit erhalten werden.
Wenn nicht, dann haben wir schon verloren.
- Zebra:
-
Und wie werdet Ihr Euch unter diesen Umständen die Lockerheit erhalten können?
- Stefan Lövgren:
-
Das ist sehr schwer zu beschreiben. Das ist einerseits ein Mix
aus den Spielern, andererseits sind es immer wieder die Überraschungsmomente
im Trainingslager. Unser Trainer Bengt Johansson hat ein
Gefühl für diese Mannschaft.
- Zebra:
-
Was erwartest Du in Sydney?
- Stefan Lövgren:
-
In Sydney geht nicht es nicht nur um Handball. Die
Olympischen Spiele sind für einen Sportler echt unglaublich.
Was ich in Atlanta erlebt habe ist fast unbeschreiblich.
Die Eröffnung, die ganzen Zeremonien - das ist etwas ganz
anderes als bloß das Handball-Turnier zu spielen. Es macht
riesigen Spaß, all die anderen schwedischen Sportler zu
treffen, das ganze Geschehen wirklich zu leben.
- Zebra:
-
Alles in allem eine sehr anstrengende Saison für Dich.
Hält die Konzentration für so viele Spiele?
- Stefan Lövgren:
-
Wenn alles gut klappt, spielt das überhaupt keine Rolle. Doch wenn
man sich verletzt, sieht es bei so einem Programm
folglich sehr schlecht aus. Wer sich über die gesamte
Dauer richtig konzentrieren kann, gewint auch die Deutsche
Meisterschaft. Doch wenn man nach vielleicht erfolgreichen olympischen
Spielen oder Weltmeisterschaften mal ein oder zwei Spiele
nicht bei der Sache ist und verliert, ist die Meisterschaft
unter Umständen schon verloren. Das ist ein wenig problematisch
an der ganzen Sache.
- Zebra:
-
Gibt es darüber hinaus weitere Ziel für Dich?
- Stefan Lövgren:
-
Ja. Ein ganz großes von Magnus Wislander
und mir ist es, das "Golf-Länderspiel" gegen Dänemark zu gewinnen.
Eines haben wir ja schon gewonnen.
- Zebra:
-
Vielen Dank für das Gespräch, Stefan.
Viel Erfolg für Dich alles Gute für die Olympischen Spiele in Sydney.
(27.08.2000)
Interview: Sascha Klahn, entnommen dem THW-Hallenheft "Zebra".