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30.12.2005 Medien / Bundesliga

"Handball-Woche": "Der THW Kiel ist in vielen Nuancen viel weiter"

Die "Handball-Woche".
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Aus der "Handball-Woche", von Erik Eggers:

Am Tag nach der Niederlage ist Stefan Hecker keineswegs in Depressionen verfallen. Natürlich hatten sie beim VfL Gummersbach schon geträumt von dem großen Coup, von einem Heimsieg gegen den Deutschen Meister THW Kiel, der dem Rekordmeister sogar die Chancen auf den ersten Titel seit 1991 erhalten hätte.
Aber das 32:34 am Dienstag Abend in der stimmungsvollen Kölnarena, in der 19250 Zuschauer begeistert einem großen Handballabend folgten, findet der VfL-Geschäftsführer im Rückblick dann doch "fast logisch". Dem geschulten Blick des früheren Torwarts, der 561 Bundesliga-Einsätze auf dem Buckel hat, waren die vorhandenen Unterschiede auf dem Spielfeld nicht entgangen: "Der THW Kiel ist einfach in vielen Nuancen viel weiter. Jeder von denen hat viel mehr Erfahrungen, wie man mit solchen Situationen umgeht."

Diese Feinheiten lassen sich benennen. Als eines der gravierendsten Mankos der Gummersbacher im Spitzenduell erwies sich der mangelnde Glaube. "Meine Spieler haben nicht den Mut gehabt", haderte Trainer Velko Kljaic, ihm fehlten die "Rambo-Typen", die sich hineinstürzen in den Gegner. Allein der halblinke Daniel Narcisse, Kreisläufer Robert Gunnarsson und Abwehrchef Frank von Behren hätten diese Qualitäten erkennen lassen, befand Kljaic.

Auf der anderen Seite stand da diese schwarz-weiße Armee von furchtlosen Wikingern, die sich selbst durch Serien von technischen Fehlern nicht aus der Ruhe bringen ließen. Mit welcher Einstellung, mit welchem Biss und mit welcher Wucht man in ein solches Handballspiel geht, "das haben die Kieler uns vorgemacht", war von Behren beeindruckt.

Zudem reicht das Personal des VfL schlicht noch nicht heran an den Weltklasse-Kader der Kieler. Noch sind die Blau-Weißen im Rückraum auf die Wurfkraft der Franzosen Narcisse und des Koreaners Kyung-Shin Yoon angewiesen, und wenn, wie Dienstag geschehen, Linkshänder Yoon einen schlechten Tag erwischt, dann fehlen dem Klub einfach die Optionen.

Als der THW in der zweiten Halbzeit den überragenden Narcisse in Manndeckung nahm, brach das Rückraumspiel beinahe zusammen. Auf der anderen Seite ist fast jeder der Rückraumspieler beim THW eine gefährliche Waffe, die ein Spiel allein entscheiden kann. Wenn Kim Andersson oder Nikola Karabatic nicht treffen, dann hat Kiel immer noch einen Christian Zeitz oder den schlauesten aller Handballer, Stefan Lövgren.

Je länger das Spiel dauerte, desto offenkundiger der Vorteil, der sich daraus erwuchs. Während sich der zunehmend müde VfL mühsam herankämpfte und minutenlange Angriffe für ein Tor benötigte, konterten die Kieler, wenn es sein musste, innerhalb von nur wenigen Sekunden. Vor allem die Kälte, mit der Kiel den Zwei-Tore-Vorsprung zur Pause innerhalb von 210 Sekunden vorentscheidend auf sechs Tore erhöhte, imponierte VfL-Torhüter Steinar Ege: "Die kommen einfach da raus und knallen uns diese vier Tore um die Ohren."

Wenn die Ankündigung des Kieler Coaches Noka Serdarusics tatsächlich wahr wird, einen "noch schnelleren und spektakuläreren Handball zu spielen, damit noch mehr Leute in die Hallen kommen", dann wird der THW, daran besteht kaum ein Zweifel, in eine neue Dimension vordringen und womöglich bald auch den ersehnten Titel in der Champions League gewinnen.

Diesem atemberaubenden Tempo des Branchenführers mittelfristig zu folgen, traut Kiels Manager Uwe Schwenker am ehesten dem VfL Gummersbach zu. Wer in nur vier Jahren aus einem bankrotten Klub einen seriös geführten Meisterschaftsanwärter formt, wer in einem Hinrundenspiel 20.000 Zuschauer in die Kölnarena zieht und wer als einziger Klub der Bundesliga ein DAX-Mitglied auf dem Trikot trägt, sagt Schwenker, der sei als Konkurrent verdammt ernst zu nehmen. Der VfL Gummersbach ist endgültig zurück auf der Landkarte des deutschen Handballs.

(Von Erik Eggers, aus der "Handball-Woche")


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