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Deutschland hat's nicht gepackt: In einer unglaublich dramatischen Partie
unterlag die deutsche Mannschaft im
Viertelfinale Spanien mehr als unglücklich
mit 26:27 (13:11). Wieder einmal unterlag die DHB-Sieben in einem
entscheidenden Spiel. War's das Quentchen Glück das fehlte oder waren es
die Nerven?
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19. Minute: Dujshebaev trifft zum 8:5.
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Bis zum Stand von 5:5 (13. Minute) war das Spiel der deutschen Auswahl
gegen Angstgegner Spanien ausgeglichen, dann zogen die
Iberer durch zwei Gegenstoßtreffer von Urdangarin und
Guijosa und zwei weitere Tore von Talant Dujshebaev und Enric Masip auf
9:5 (20.). Verantwortlich dafür war eine hohe Fehlwurfzahl und mehr als
sechs Fangfehler auf der Seite der deutschen.
Nach dem 10:6 durch den GWD-Minden-Spielmachr Dujshebaev (21.)
kamen dann aber die Minuten der DHB-Sieben: Acht Minuten lang gelang
Spanien kein Tor, dafür traf die deutsche Mannschaft aber sechsmal in Folge:
12:10 führte das Team von Heiner Brand nach 28 Minuten in einem Spiel das
deutlich ruppiger geworden war.
Eine ganz starke Phase der deutschen Mannschaft, in
der Torwart Jan Holpert, der zwölf Glanzparaden zeigte und einen Siebenmeter hielt,
eine Topleistung zeigte.
Doch die Spanier gaben nicht auf, verkürzten auf 11:12 durch ihren besten Mann,
den Welthandballer 1999, Rafael Guijosa vom FC Barcelona. Gut, daß Frank Behren
30 Sekunden vor der Pause zum Halbzeitstand von 13:11 traf.
Im zweiten Durchgang behielt die DHB-Sieben zunächst weiter das Heft in der Hand,
führte mit 18:15 (38.) und 19:16 (40.). Dann aber der Einbruch: Nun trafen
die Spanier sechsmal in Folge während Deutschland torlos blieb: 22:19 (48.).
Die Halle, zu etwa gleichen Teilen von Fans beider Lager besetzt, glich nun einem Hexenkessel,
in der sich der spanische Torwart Barrufet besonders in den letzten Minuten
als starker Rückhalt seiner Mannschaft erwiesen hatte.
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54. Minute: Bernd Roos gleicht zum 23:23 aus.
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Doch das Team von Heiner Brand gab nicht auf, kämpfte sich wieder heran, glich
durch einen Gegenstoß von Bernd Roos zum 23:23 (54.) endlich wieder aus.
In den letzten Minuten stand das Spiel dann auf des Messers Schneide.
Urdangarin traf zum 24:23 (54.), von Behren glich zum 24:24 (55.) aus,
Guijosa besorgte von Außen die erneute Führung für Spanien zum 25:24 (56.),
Stefan Kretzschmar traf vom Kreis zum 25:25. Als Bernd Roos mit einem
erneuten Gegenstoßtreffer zwei Minuten vor
das 26:25 erzielte, keimte Hoffnung beim deutschen Anhang auf.
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Noch 40 Sekunden: "Kretzsche" trifft nur die Latte!
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Anlaß für Hoffnung war auch noch in der letzten Minute
gegeben, nachdem
Lozano zum 26:26 ausgeglichen hatte, denn
die deutsche Mannschaft war in Ballbesitz und zudem in Überzahl nach
einer Zeitstrafe gegen die Spanier.
Linksaußen Stefan Kretschmar wurde frei angespielt, er warf - und traf
nur die Latte. Statt des erhofften Siegtreffers waren die Spanier in
Ballbesitz. 14 Sekunden waren noch zu spielen, als die Iberer Freiwurf
am deutschen Kreis hatten. In Unterzahl spielten sie
Guijosa an, der völlig frei am Kreis stand und vier Sekunden vor
Abpfiff sicher zum 27:26-Endstand für Spanien verwandelte.
"Kretzsche mußte schiessen. Wir machen ihm keine Vorwürfe", sagte
Nationalmannschaftskapitän
Klaus-Dieter Petersen.
"Er war völlig frei, da muß er werfen. Wenn das Ding drin ist,
würden wir ihn jetzt noch feiern."
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Jubel um den überragenden Spieler der Spanier:
Welthandballer Rafael Guijosa.
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Überschäumender Jubel bei den Südeuropäern,
selbst die anwesende spanische Königin Sofia und und ihre Tocher Prinzessin Cristina,
Ehefrau des spanischen Rückraumstars Inaki Urdangarin, standen auf den Stühlen.
Auch die deutschen Spieler ließen ihren Emotionen freien Lauf, einigen
standen die Tränen in den Augen.
Bester Spieler bei Spanien war Rafael Guijosa mit 9/1 Toren.
Für Deutschland war Stefan Kretzschmar mit sechs Toren am
erfolgreichsten, er hatte aber leider im entscheidenden Augenblick
Wurfpech.
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Bundestrainer Brand: "Spanien war nicht besser."
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Bundestrainer Heiner Brand fand erst in der Pressekonferenz die Fassung wieder:
"Spanien war nicht besser, aber glücklicher.
Es war ein Fight bis aufs Messer, nur haben wir die Big Points nicht gemacht
und in der Schlußphase sind uns entscheidende Fehler unterlaufen.
Im Spiel zweier Klasseteams entscheiden Kleinigkeiten.
Zum Schluß wurde das Tor der Spanier für uns
immer kleiner. Aber wir haben uns mit zwei Nachlässigkeiten in der Abwehr zum
Schluß das Spiel selber kaputt gemacht." Spaniens Coach Roman Seco hatte das
"glücklichere Ende" für sich und sein Team gesehen: "Wir hatten die Niederlage schon vor Augen."
Brand:
"Wenn man in der letzten Sekunde verliert ist das ganz bitter, aber so ist eben Sport",
versuchte Brand das Geschehene zu verarbeiten. Sein Team nahm er ausdrücklich in
Schutz:
"Ich kann und will der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Wenn man 60 Minuten
fightet und sicher nicht die schlechtere Mannschaft ist, dann passieren schon mal
Konzentrationsfehler. Die Spanier waren in ihrer Leistung genauso schwankend."
Von Resignation sei bei ihm keine Spur:
"Den Kern der Mannschaft werden wir um einige Junge ergänzt wiedersehen.
Die Jungs spielen gerne Handball, auch im Nationaltrikot."
Auch er selbst stellt sein DHB-Engagement nicht in Frage.
"Verträge pflege ich einzuhalten. Der läuft bis 2002."
Der verletzte Daniel Stephan zu der Niederlage: "Man kann nicht mal sagen, dass die
Stimmung deprimierend ist, das wäre zu wenig.
An die Partie werden alle Beteiligten sicherlich noch die nächsten Wochen denken.
Bei einigen fließen jetzt noch die Tränen."
"Heiner Brand hat eine ganz tolle Truppe zusammen.
Sie hat teilweise technisch brillanten Handball gezeigt",
versuchte IOC-Vizepräsident Thomas Bach zu trösten.
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Bei den Deutschen flossen Tränen.
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Nun muß die DHB-Auswahl am Freitag um 11.30 Uhr (2.30 Uhr MESZ) im
Plazierungsspiel gegen Ägypten antreten.
Ausgerechnet Ägypten, das dem deutschen Team den Platz eins in
Gruppe A vermasselte.
Wäre ein Viertelfinale gegen Slowenien leichter gewesen?
Bundestrainer Brand: "Das ist eine Hypothese, die man aufstellen kann und die durch das
Spiel der Slowenen (Anmerkung: 22:33 gegen Rußland) bestätigt wurde."
Andererseits: "Wer ins Halbfinale will, muß
auch Spanien schlagen können."
Auch Pitti ist momentan "fertig mit Jack und Büx":
"Wenn zwölf Kerle in der Kabine sitzen und heulen, weiß ich nicht, ob wir noch in der Lage
sind ein gutes Spiel [gegen Ägypten] hier abzuliefern. Wir sind Profis, aber keine Maschinen."
"Wir haben hier eine Woche lang beste Werbung für den Handball betrieben", meinte
Heiner Brand nach der völlig unnötigen Niederlage,
"jetzt stehen wir mit leeren Händen da, es ist unfassbar."
Seine bittere Erkenntnis:
"Wir waren nicht in der Lage, die Big Points zu machen.
Da fehlt uns die Erfahrung aus Finalspielen bei großen Turnieren".
Dennoch hätten seine Jungs überragend gekämpft und
"gezeigt, daß wir sogar besser sein können als
die besten Mannschaften der Welt".
"Es war das Spiel zweier Spitzenmannschaften", analysierte Brand,
"und wir haben eine sehr, sehr gute Abwehrleistung gezeigt. Phasenweise
gab es vielleicht zu viel Einzelaktionen, die den Spielfluß dann
ins Stocken gebracht haben, aber zum Schluss war es einfach nur Pech. Pech, Pech, Pech."
Brand ist sich gewiß,
"daß in dieser Mannschaft echte Kerle stecken.
Deshalb wird der Kern Truppe für die WM im Januar zusammen bleiben. Lediglich mit
Volker Zerbe ist abgesprochen, daß er nach Olympia für das Nationalteam nicht mehr zur Verfügung steht."
Das war jedoch schon seit längerem bekannt.
Die anderen Spieler werden wohl erstmal eine paar Tage brauchen, um
die Niederlage zu verkraften:
"Da kommen jetzt sicher bei vielen die Gedanken in Richtung Rücktritt.
Das sollte man aber niemals nach einem Spiel wie gegen Spanien entscheiden,
sondern erst, wenn man alles verarbeitet hat", warnte Daniel Stephan vor übereilten Reaktionen.
Den Frust versuchte man in der Nacht zum Mittwoch im
"Braukeller" herunterzuspülen. Heute ging's auf einen Stadtbummel,
um für das Spiel gegen Ägypten am Freitag mental wieder frei
zu werden. Das dürfte nicht leicht sein.
Bundestrainer Brand:
"Ich weiß noch nicht, wie ich so schnell für Motivation sorgen kann.
Es mangelt an Zeit, das Team ausreichend vorbereiten zu können."
Auch Kapitän Petersen weiß, wie
schwierig es jetzt ist, eine gute Leistung zu bringen:
"Das ist doch der totale Schwachsinn. Hier geht's um Medaillen.
Wenn man dann auf diese Art und Weise rausfliegt, wie soll man sich da noch motivieren?"
"Pitti" war nach der Niederlage besonders sauer,
"weil wir eindeutig die bessere Mannschaft waren.
Wir haben 60 Minuten verbissen gekämpft.
Und dann sind es Kleinigkeiten, die entscheiden. Aber so ist das im Sport."
Aber war es nicht das beste Turnier, daß die deutsche Mannschaft
seit langem gespielt hat?
"Bis heute ja. Aber dafür können wir uns nichts kaufen.
Und wer fragt später schon nach der Leistung, wenn wir hier Fünfter oder Achter werden."
Rafael Guijosa, der die deutsche Mannschaft fast alleine aus den
Medaillenträumen aufweckte, meinte nach dem Spiel:
"Wir haben Glück gehabt." Und weiter:
"Ich sehe Stefan Kretzschmar wirklich gern, er ist ein Spieler mit viel Intuition."
Und "Wir hatten schon fast verloren und Deutschland hätte sich den Sieg verdient gehabt.
Bisher waren sie die beste Mannschaft im Turnier."
Das hört man sicher gern, aber kaufen kann man sich dafür auch nichts.
- Spanien:
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Barrufet (1.-60.), Nunez (drei 7m);
Ugalde, Xepkin, Guijosa (8/1), Masip (5/4),
Urdangarin (3), Olalla (1), Dujshebajev (3),
Lozano (2), Perez, Ortega (2);
- Deutschland:
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Jan Holpert (SG Flensburg-Handewitt, 1.-60.),
Henning Fritz (SC Magdeburg, ein 7m);
Mike Bezdicek (GWD Minden, 1),
Frank von Behren (GWD Minden, 4/1),
Bogdan Wenta (SG Flensburg-Handewitt),
Stefan Kretzschmar (SC Magdeburg, 6),
Christian Schwarzer (FC Barcelona, 3),
Klaus-Dieter Petersen (THW Kiel),
Volker Zerbe (TBV Lemgo, 3),
Markus Baur (HSG D/M Wetzlar, 4/2),
Jörg Kunze (TV Großwallstadt, 1),
Bernd Roos (TV Großwallstadt, 3);
Trainer: Heiner Brand
- Schiedsrichter:
-
Garcia / Moreno (Frankreich)
- Zeitstrafen:
-
Spanien: 4 (Dujshebajev, Masip, Urdangarin, Ortega);
Deutschland: 4 (Bezdicek, von Behren, zweimal Roos)
- Siebenmeter:
-
Spanien: 6/5 (Holpert hält gegen Guijosa);
Deutschland: 5/3 (von Behren scheitert an Nunez, Baur an den Pfosten)
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:1, 1:1, 1:2, 2:2, 2:3, 3:3, 3:4, 5:4, 5:5, 9:5, 9:6, 10:6, 10:12, 11:12, 11:13;
2. Hz.: 13:15, 13:16, 14:16, 14:17, 15:17, 15:18, 16:18, 16:19, 17:19, 22:19,
22:21, 23:21, 23:23, 24:23, 24:24, 25:24, 25:26, 26:26, 27:26
- Zuschauer:
-
6000 (ausverkauft) ("Pavillon 2", Sydney/AUS)
- Spielgraphik:
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