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30.08.2001 Medien

Lozano: Schwenkers Krachers

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In der Juli-Ausgabe des Handball-Magazins fand sich ein ausführlicher Bericht über die Verpflichtung von Demetrio Lozano. Hier nun der Artikel mit freundlicher Genehmigung des Handball-Magazins.
Zehn Titel sammelten die Zebras in den zurückliegenden sieben Jahren. Und sieben fetten Jahren, so wissen bibelfeste Menschen, folgen gewöhnlich sieben magere. Demnach müßte es mit dem THW Kiel zügig steil bergab gehen. "Irrtum", sagt Uwe Schwenker und winkt ab. "Wir hatten in der vergangenen Saison mit Platz fünf zwar einen kleinen Hänger, doch der ist erklärbar und kann passieren." Demnächst, kündigt der Kieler Manager an, sei mit den Zebras wieder voll und ganz zu rechnen: "Ich verspreche: Auch in Zukunft werden wir zu den Topadressen in Deutschland und Europa zählen."

Die Konkurrenz bleibt staunend zurück und kocht

Lozano: Der angekündigte "Transferkracher".
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Das sind starke Worte, die indes von einer massiven Personalpolitik abgefedert werden. Das Manager/Trainer-Duo Schwenker/Serdarusic bereitet den personellen Umbruch vor. Ein notwendiger Schritt. Das Kieler Publikum ist verwöhnt, außerdem faßt die im Umbau befindliche Ostseehalle ab der kommenden Spielzeit 10000 statt bisher 7250 Zuschauer. Eine noch höhere Anforderung, mit Außergewöhnlichem aufzuwarten. Kiel handelte nach dem Motto klotzen, nicht kleckern. Und verursachte bei der Konkurrenz teils ungläubiges Staunen, teils fühlte sich diese gar überfahren.

Beispiel Magdeburg. Als der SCM im THW-Revier wilderte, um Rückraum-As Nenad Perunicic (30) loszueisen, vernachlässigte man den Blick für die eigenen Leute. Schwenker lockte Keeper Henning Fritz (26) von der Elbe an die Förde. Das Beste aus Kieler Sicht: Der Nationaltorhüter war ablösefrei zu haben, SCM-Manager Bernd-Uwe Hildebrandt kochte. Beispiel Johan Pettersson (28): Im Spätherbst 2000 sicherte sich der THW die Unterschrift des eigenwilligen schwedischen Linkshänders aus Nordhorn für drei Jahre ab 2002. Manager Bernd Rigtering sprach von Verrohung der Sitten. Im Mai einigten sich Spieler und beide Klubs auf einen vorzeitigen Wechsel schon für die kommende Saison - gegen eine ansehnliche Ablösesumme. Neulinge drei und vier sind Piotr Przybecki (28) und Sebastian Preiß. Der polnische Rückraumschütze verläßt TUSEM Essen, Deutschlands hoffnungsvollstes Kreisläufer-Talent kommt von der HG Erlangen und startet beim THW mit einem Zweitspielrecht für den Zweitligisten TSV Altenholz.

Der angekündigte "Transferkracher" folgte erst recht spät. Als die Türen der Transferbörse fast schon ins Schloß gefallen waren, präsentierten Schwenker und Serdarusic der staunenden Öffentlichkeit den Namen Demetrio Lozano Jarque. Ein kühnes Ansinnen. Der 25jährige Vollbluthandballer gilt als zentrale Figur im FC Barcelona, dem erfolgreichsten Handballklub des Kontinents in den 90er Jahren, wenn nicht gar des gesamten Jahrhunderts. Bisher hatte es keiner auch nur gewagt, beim großen FCB um einen Spieler nachzufragen. Jetzt dieser dreiste Abwerbungsversuch.

Lozanos Trainer ist ein Respekt einflößender, stolzer Mann. Und mit über 60 nationalen wie internationalen Titeln erfolgreich wie kein zweiter auf dem Globus. Valero Rivera schwieg zunächst. Er ist es gewohnt, selbst zu bestimmen und auszuwählen. Auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz während der spanischen Pokalendrunde fand Rivera seine Sprache wieder - und beschwerte sich mit galligen Worten. Es zieme sich nicht, mitten in einer sportlich wichtigen Phase die Konzentration einer Mannschaft mit Wechselgeschichten zu stören. Der Überraschungstransfer schien in Gefahr. Doch Rivera beruhigte sich wieder und blieb seinen Grundsätzen treu: Wer Barca nicht freiwillig dienen will, muß gehen. Per Fax verkündeten die Katalanen ihre grundsätzliche Bereitschaft, den bis 2003 datierten Vertrag mit Lozano zu Gunsten des THW aufheben zu wollen.

In 36 Stunden wurden die Feinheiten ausgehandelt

In 36 Stunden war alles perfekt.
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Wenige Tage später traf das künftige Zebra zwischen zwei Pflichtspielterminen in seiner neuen Wahlheimat ein. 36 Stunden blieben, um Feinheiten des Drei-Jahres-Vertrages auszuarbeiten und die Unterschrift zu leisten. Vorbehaltlich der später erwarteten schriftlichen Zustimmung Barcas und des Ergebnisses der sportärztlichen Untersuchung von THW-Mannschaftsarzt Dr. Detlev Brandecker.

Am Ende freuten sich alle. Der breitschultrige Rückraumstratege, der sein dünnes Haupthaar mittlerweile ganz abgeschoren hat und ein wenig an Fußballstar Ronaldo erinnert, glaubt an eine erfolgreiche Zeit mit Kiel. "Hier gibt es so viele gute Spieler, mit dem THW kann ich alles gewinnen", prophezeite der gebürtige Madrilene, nachdem er feierlich im Kreise der THW-Gesellschafter unterschrieben hatte.

Der richtige Mann für künftige Kieler Höhenflüge

Noka Serdarusic ist froh, Demetrio Lozano künftig auf seiner Seite zu wissen. "Der paßt auch menschlich", glaubt der Kieler Trainer. Frisch noch ist die Erinnerung an die dramatischen Halbfinalspiele der Champions League gegen Barcelona. Da war der 1,96 Meter große Lozano Kopf und Torjäger gleichermaßen. 15mal schenkte er seinem künftigen Arbeitgeber insgesamt ein. Zuviel für den THW, um gewinnen zu können. Am Ende fehlte ein Tor zum Finaleinzug. Weil just zu diesem Zeitpunkt die Unruhen um Perunicic aufkeimten, kam Schwenker die Idee. "Lozano, das wär's." Erste Kontakte wurden über einen Vermittler beim Hinspiel geknüpft, nach dem Rückspiel in Barcelona traf man sich zum persönlichen Gespräch. Streng geheim. Jetzt nimmt Demetrio Lozano in den Kieler Planspielen für erneute Höhenflüge eine zentrale Rolle ein. Weniger, weil seine Hobbys Bergsteigen und Paragliding sind, sondern vielmehr, weil er auch auf dem Spielfeld Mut, Durchsetzungsvermögen und Sinn für das Miteinander mitbringt. Lozano gilt als kompakter Handballer, ist auf allen Positionen im Rückraum einsetzbar und verfügt über ein bemerkenswertes Wurfrepertoire.

Die Bundesliga ist das Größte für den erfolgreichen Südländer

"Deme" in action.
Klicken Sie zum Vergrößern! "Deme" in action.
Stellt sich nur die Frage: Was zieht einen von der Sonne verwöhnten Südländer, der in Barcelona Kultur, Erfolg und Geld genoß, in die feuchtkühle norddeutsche Tiefebene? Demetrio Lozano, der den knapp zwölf Plusgraden an seinem ersten Kieler Frühlingstag trotzig mit einem engen, grünen T-Shirt begegnete, mußte nicht lange überlegen. "Das Wetter spielt keine Rolle. Ich suche die sportliche Herausforderung. Für mich als Spieler ist die Bundesliga das Größte." Spanische Klubs, so der 106malige Nationalspieler, feierten zwar viele Erfolge in europäischen Wettbewerben, aber die Liga Asobal beherberge nur wenige Spitzenmannschaften. "In der Bundesliga kann dagegen jeder jeden schlagen." Die sprachliche Barriere glaubt der spanische Nationalspieler schnellstmöglich überwinden zu können.

Erste Lektionen in Deutsch erhielt er in der Heimat. "Christian Schwarzer ist mein Lehrer. Ich muß jeden Tag fünf Wörter lernen." Mitte Juni folgte die offizielle Freigabe aus Barcelona. Demetrio Lozanos Deutschland-Abenteuer steht nichts mehr im Wege. Sollte der werdende Papa - Ehefrau Nuria ist im sechsten Monat schwanger - aus irgendwelchen Gründen nicht Fuß fassen, sind Sicherheiten im Vertrag verankert. Eine Ausstiegsklausel erlaubt ihm nach ein oder zwei Jahren die Rückkehr nach Spanien. Ein Wechsel innerhalb der Bundesliga, so ist es vereinbart, bleibt dagegen ausgeschlossen.

(Reimer Plöhn, mit freundlicher Genehmigung entnommen dem Handball-Magazin, Juli 2001)


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