Drei Wochen im Jahr schaltet
Noka Serdarusic
an, dann läßt er die Beine in seinem jugoslawischen Geburtsland baumeln
oder fliegt in die Einöde Alaskas, um zu fischen. Handball
verkommt zur Nebensache. Die restliche Zeit im Jahr aber
"lebt" der 51-Jährige Handball. Er gilt als akribischer Arbeiter,
der nichts dem Zufall überläßt. Und seine Methode gibt ihm Recht.
Serdarusic führte die Kieler Zebras in seiner
Amtszeit zu den größten Erfolgen der Vereinsgeschichte. 1993 war
das Jahr des Dienstantrittes, jetzt steuert er das neunte Jahr
als THW-Trainer an. Die Kieler Nachrichten sprachen mit dem
"Otto Rehhagel des Handballs" kurz vor Saisonbeginn über die
Aussichten für die Bundesliga-Spielzeit 2001/2002.
- Kieler Nachrichten:
-
Seit dem 23. Juli üben die Zebras für die kommende Saison. Alles klar für
den erneuten Titelgewinn?
- Noka Serdarusic:
-
So schnell geht das nicht. Im Trainingslager in Obenstrohe haben wir
aber sehr gut gearbeitet. Erfreulich ist zudem die sehr gute
Atmosphäre im Team. Auch die Neuzugänge haben sehr schnell Anschluß
gefunden und stellen menschlich eine Bereicherung dar. Sicher ist
jedoch, daß sieben Neue erst integriert werden wollen. Im Angriffsspiel
läuft es ganz ordentlich, aber in der Abwehr kann ich nicht zufrieden
sein. Unsere Standarddeckung war die 6:0-Formation. Das klappt bisher
nicht. Wir werden wohl mit einer offensiveren Deckung agieren müssen.
- Kieler Nachrichten:
-
Die Mannschaft hat bei sieben Neuzugängen ein anderes Gesicht erhalten.
Ist sie auch stärker geworden?
- Noka Serdarusic:
-
Unser Spiel ist bestimmt variabler als vorher.
Perunicic ist weg, es wird weniger
bum-bum machen. Unsere Tore müssen zukünftig mehr über spielerische
Mittel erarbeitet werden.
- Kieler Nachrichten:
-
Olsson und
Wislander sind 37 Jahre alt und spielen vielleicht
ihre letzte Saison in Kiel. Was erwarten Sie von beiden?
- Noka Serdarusic:
-
In den letzten Jahren wurde immer über ihr Alter gesprochen und
dann haben sie doch immer wieder gezeigt, daß sie zu überdurchschnittlichen Leistungen
fähig sind. Das erwarte ich auch in dieser Saison.
- Kieler Nachrichten:
-
Ihnen wurde der Vorwurf gemacht, daß Sie überwiegend auf die erste Sieben setzen
und Nachwuchsspieler auf der Bank versauern lassen...
- Noka Serdarusic:
-
Das können nur Menschen sagen, die zwar das Spiel in der Halle sehen, aber
alles andere über die Spieler nicht wissen. Ich sehe meine Jungs sieben Mal
die Woche im Training. Ich weiß nahezu alles über ihren körperlichen und
mentalen Zustand. Wenn dann ein Spieler einen anderen ersetzen soll, den er
gar nicht vertreten kann, dann mache ich mich auch gegenüber der Mannschaft
unglaubwürdig. Wenn die Spieler im Training zeigen, daß sie wollen,
bekommen sie auch die verdiente Chance.
- Kieler Nachrichten:
-
Wie lautet Ihre Zielsetzung in der Meisterschaft?
- Noka Serdarusic:
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Alle Mannschaften, die im letzten Jahr vorne dabei waren, haben drauf gepackt
und sich verstärkt. Mit Magdeburg, Lemgo, Flensburg und Wallau muß man
erneut rechnen, hinzu kommen Nordhorn und Essen. Bei Umfragen unter Fachleuten
wird der THW nur als Anführer der Verfolger genannt. Mir ist es Recht. Aber
vielleicht irren die Herren.
- Kieler Nachrichten:
-
Zukünftig wird mit neuen Regeln Handball gespielt. Welche davon sind bedeutend
für den Spielbetrieb und was halten Sie davon?
- Noka Serdarusic:
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Die schnelle Mitte begrüße ich. Das ist ein Versuch, den Handball noch
attraktiver zu machen. Schlecht ist, daß es jetzt bereits Siebenmeter
dafür geben soll, daß jemand am Kreis gehindert wird, in den Raum zu gehen,
um an den Ball zu kommen. Da ist dem Zufall und der Schauspielerei
Tür und Tor geöffnet. Eine Aufgabe für die Schiedsrichter, die kaum lösbar
sein wird. Ganz schlimm ist jedoch die Neuerung, daß nach Verhängung
einer
Zwei-Minuten-Strafe bei Reklamieren oder Kopf-Schütteln zwei weitere
Minuten drauf gepackt werden können. Außerdem wird die Bank ruhig gestellt.
Wenn Trainer, Betreuer oder der Masseur meckern, gibt's ebenfalls eine Zeitstrafe.
Skandalös. Die Regel stärkt nur die Macht der Schiedsrichter und schwächt die
Position der Sportler noch weiter. Junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren,
die schwitzen, hohen Blutdruck und Puls haben, wie sollen die sich da abreagieren?
Das gibt es in keiner anderen Ballsportart. Das kann dem Handball insgesamt schaden.
Die Zuschauer kommen doch auch, weil sie Dynamik, Hektik und Dramatik erleben wollen.
Dem Spiel wird die Lebendigkeit genommen. Ich vermute, die Regel-Reform war ein Alleingang
von Funktionären. Es wird zwar behauptet, die sei mit uns Trainer abgesprochen worden,
aber ich kenne keinen Kollegen, der involviert war.
- Kieler Nachrichten:
-
Wie sehr freuen Sie sich über die neue Ostseehalle?
- Noka Serdarusic:
-
Der Neubau war überfällig. Darüber freut sich jeder in Kiel. Ein häßliches
Gebäude wird durch ein schönes und großzügiges ersetzt. Der Umbau ist nach
den großen Erfolgen der vergangenen Jahre vor allem dem THW zu verdanken.
(entnommen dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 7. September 2001)