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17.04.2002 Interview

"Was wäre wohl gewesen, wenn..." - Noka Serdarusic im Interview

Im Gespräch mit Zebra-Redakteur zieht THW-Trainer Noka Serdarusic eine Zwischenbilanz und spricht über die Chancen des THW im Finale gegen Barcelona und in der Bundesliga gegen Minden.
Zebra:
Herr Serdarusic, zum Saisonstart haben Sie den THW Kiel selbst nie in der Rolle des Favoriten gesehen. Sie starteten mit sieben Neuzugängen und haben allerhand Verletzungssorgen zu verkraften. Trotzdem spielt oder spielte Ihre Mannschaft in allen drei Wettbewerben ganz oben mit. Haben Sie damit rechnen können oder sind Sie von Ihrer eigenen Mannschaft überrascht worden?
Noka Serdarusic:
Noka Serdarusic: "War wäre wohl gewesen, wenn..."
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Ich wäre vom bisherigen Saisonverlauf natürlich positiv überrascht worden, wenn dieses verkorkste Spiel in Schwerin nicht gewesen wäre. Diese bittere Niederlage durfte und musste nicht kommen. Das ärgert mich noch heute. Ansonsten hätte ich bei sieben Neuzugängen durchaus behaupten können, dass die Saison angesichts der Platzierungen optimal für uns verlaufen sei. Wenn ich zuletzt immer von drei oder vier verletzten Spielern gesprochen habe, habe ich Demetrio Lozano und Staffan Olsson noch nicht einmal mit eingerechnet. Dabei trainiert Lozano seit gut zwei Monaten nicht mehr, sondern lässt sich nur noch von unserer medizinischen Abteilung behandeln, um der Mannschaft in den Spielen bestmöglich zu helfen. Dass er dann nicht die Leistung bringen kann, die wir alle von ihm gewohnt sind, ist selbstverständlich. Ähnlich ergeht es Olsson. Und beide versuchen, jedes Mal ihr bestes für das Team zu geben. Doch das können nur diejenigen richtig einschätzen, die die tatsächlichen Umstände kennen. Die meisten Beobachter wollen davon jedoch leider nichts wissen.
Zebra:
Hat die Stärke der Mannschaft Ihre eigenen Erwartungen also übertroffen?
Noka Serdarusic:
Bis zum Schwerin-Spiel war das aus meiner Sicht der Fall. Als wir zu Saisonbeginn mit ein paar Minuspunkten weniger und einem kleinen Vorsprung vor Lemgo und Magdeburg an der Spitze lagen, sprach der Rest der Liga plötzlich schon wieder davon, der THW Kiel sei unschlagbar. Wir selbst haben das niemals behauptet, sondern wir haben die ganze Liga im Laufe der Saion vielmehr dazu gezwungen, über den THW Kiel zu sprechen. Vor der Saison hatte noch keiner auf uns getippt, doch plötzlich wussten es alle mal wieder besser. Es wurmt mich und läßt mir auch keine Ruhe, was wohl gewesen wäre, wenn... Julio spricht noch kein Wort deutsch und deswegen sind mit ihm noch keine taktischen Angriffe möglich, Piotr Przybecki ist eine Riesenverstärkung, vom verletzten Nikolaj Jacobsen will ich gar nicht erst sprechen. Was wäre mit diesen Jungs alles möglich gewesen? Darüber hätte ich mich schon sehr gefreut.
Zebra:
Sie scheinen sehr beeindruckt von Ihrer Mannschaft.
Noka Serdarusic:
Ja, das bin ich - bis auf Schwerin - In den Jahren ist man Erfolge vom THW Kiel gewohnt und alle Welt erwartet das jedes Jahr aufs Neue - selbst wenn wir die Mannschaft komplett austauschen würden. Doch man darf nicht vergessen, dass wir sieben Neuzugänge ins Team zu integrieren hatten. Soetwas dauert mitunter ein oder zwei Jahre. Uns gibt man dafür nur ein paar Wochen.
Zebra:
Wie stark schätzen Sie den THW Kiel vor den EHF-Pokal-Finalspielen gegen den FC Barcelona ein?
Noka Serdarusic:
Das kommt zum großen Teil auf unser Spiel in Minden an. Wir werden alles versuchen, um dort zu gewinnen und neues Selbstvertrauen zu tanken. Wir müssen unsere spielerische Linie wiederfinden, denn das war in der Vergangenheit unsere große Stärke. Zuletzt haben wir diese Linie sicher auch aufgrund der personellen Umstände ein wenig vermissen lassen. Nur Stefan Lövgren konnte seine Verletzungssorgen bis Mitte der Woche auskurieren. Doch gegen Barcelona wird jeder Spieler für zweimal eine Stunde all seine Schmerzen vergessen und sein Allerbestes geben. Es kommt auf diese zwei Stunden an. Ich bin mir sehr sicher, dass meine Mannschaft hochmotiviert und engagiert ins Spiel gehen wird. Was am Ende für uns dabei herauskommen wird, werden wir sehen. In Magdeburg haben wir dem SCM zuletzt auch eine Halbzeit lang eine Lehrstunde erteilt und waren in den zweiten dreißig Minuten wie weggeblasen. Genauso wie der FC Barcelona unter die Räder geraten könnte, kann es auch umgekehrt sein. Wenn Spitzenmannschaften aufeinander treffen, ist alles ist möglich.
Zebra:
Ist der FC Barcelona noch die gleiche Mannschaft, die der THW Kiel aus den vergangenen beiden Jahren kennt?
Noka Serdarusic:
Nein, nicht ganz. Barca hat zwei, drei Neuzugänge: einen Schweden auf Linksaußen und einen Jugoslawen im linken Rückraum. Ansonsten aber ist die Mannschaft im Wesentlichen unverändert geblieben. Allerdings hatte Barcelona einen schlechten Start in die Saison und danach ein paar Unruhen und spielt inzwischen auch nicht mehr um die spanische Meisterschaft. Sie präsentieren sich momentan nicht mehr ganz so kompakt, wie wir es in der Vergangenheit gewohnt waren.
Zebra:
Werden die Spiele ähnlich knapp verlaufen wie in den letzten beiden Jahren?
Noka Serdarusic:
In jedem Fall aber werden es zwei sehr schöne Spiele. Aber selbst als Trainer weiß ich nicht, wie sie werden. Wenn ich es wüsste, würde ich mein Geld mit Wetten verdienen und nicht mit diesem Stress.
Zebra:
Welche Bedeutung hat dieses Europapokal-Finale für den THW Kiel?
Noka Serdarusic:
Wenn ein Sportler jahrelang immer wieder gewinnt, dann will er es auch immer wieder. Da kann man reden, was man will. Das erwarten unsere Fans und die Anhänger des THW Kiel. Und das ist wohl auch normal und muss so sein. Doch wie realistisch ist es im Sport tatsächlich immer alles zu gewinnen? In der Meisterschaft sehen wir abgeschlagen aus, mit dem Erreichen des Halbfinals im DHB-Pokal haben wir nicht unbedingt gerechnet -ÿdas EHF-Pokalfinale ist eine nächste große Chance, für die wir uns alle voll reinhängen werden. Wir können nicht darauf warten, ob eine weitere noch einmal kommt. Und wenn der Gegner zudem FC Barcelona heißt, muss man ganz einfach heiß auf ein solches Endspiel sein.
Zebra:
Welche Bedeutung hat es für den gesamten deutschen Handball oder die Bundesliga, dass in diesem Jahr gleich in allen drei Wettbewerben deutschen Vereine im Finale stehen und den Spaniern damit erstmals wieder zahlenmäßig überlegen sind?
Noka Serdarusic:
Die Bundesliga ist ohne Zweifel die stärkste Liga der Welt, denn schließlich betrachten wir nicht nur zwei oder drei Topmannschaften sondern die gesamte Liga. Mich würde es sehr freuen, wenn alle drei deutschen Vereine jetzt die Europacups gewinnen und damit einen eindeutigen Beweis dafür liefern würden. Dann wäre endlich Schluss mit diesen nervigen Diskussionen. Der Handball würde in Deutschland an hohem Stellenwert gewinnen.
Das Gespräch führte Sascha Klahn (living sports).


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