Aus den Kieler Nachrichten vom 5.3.2004:
Kiel - Weil das NDR-Fernsehen in der zweiten Halbzeit bei THW Kiel
gegen TBV Lemgo ab 16.15 Uhr live dabei sein will, wird der Hit der
Handball-Bundesliga
(siehe
Vorbericht) morgen bereits um 15.20 Uhr angepfiffen. Kiels
Neuzugang
Martin Boquist wird dabei von der Vergangenheit eingeholt.
24 Mal ließ er es 2003 in zwei Europacupspielen gegen Lemgo krachen.
Damals noch für Göteborg. An diesem Torhagel wird der 27-Jährige
seither europaweit gemessen.
Der Wechsel vom schwedischen Titelträger Redbergslids zum zehnfachen
deutschen Meister war umrankt von Lorbeerkränzen.
Boquist wurde von
der heimischen Presse zum "wichtigsten Spieler der Eliteserien"
erkoren, er war "Schwedens Mann des Jahres", außerdem kam er mit der
Empfehlung von 257 Saisontoren. Klar, dass die Erwartungen bei den
THW-Fans in den Himmel wuchsen. Die Realität nach 22 Saisonspielen in
der Handball-Bundesliga sieht aber anders aus.
Boquists Pulver ist
nass geworden. Zwar war der 27-Jährige bei allen 22 Spielen dabei,
doch seine Erfolgsquote purzelte in den Keller. 44 Bundesliga-Tore
zählt die Statistik, in der internen THW-Wertung belegt er Rang
zehn, und im Bundesliga-Ranking taucht der Name
Boquist ebenfalls
erst in der unteren Hälfte auf. "
Martin
ist eben kein typischer
Torjäger", begründet Trainer
Noka Serdarusic
die magere Ausbeute.
Und: "Man kann den Ruhm eines Spielers nicht an zwei Spielen im
Europacup festmachen." Die Bundesliga sei eben nicht mit Schwedens
Eliteserien zu vergleichen, fährt
Serdarusic fort. "Dort ist es
erheblich leichter, zu Toren und Ruhm zu kommen." Enttäuscht ist
Kiels Trainer dennoch nicht. "Es gibt Spieler, die eine längere
Anlaufzeit benötigen, um in einem neuen Umfeld warm zu werden.
Martin hat bisher ordentlich gespielt. Mal sehen, wohin sein Weg
führt."
Der ehemalige Soziologie-Student
Boquist ist ein nachdenklicher Typ.
Nicht umsonst hat ihm das den Spitznamen "Boken" (Buch) eingebracht.
"Es stimmt", sagt er, "weil ich nach dem perfekten Spiel strebe,
setze ich mich unter Druck. Geht etwas schief, hemmt mich das."
Selbstkritisch gesteht er, mit dem in Kiel Gezeigten unzufrieden zu
sein. "Die Mannschaft hat gut gespielt, meine eigene Leistung war
nur Mittelmaß. Aber, ich kann es besser."
Bei Wechseln habe er immer Anpassungsprobleme gehabt. "Das war von
Warta nach Göteborg so und auch nach der Aufnahme in die
Nationalmannschaft." Sobald er sich heimisch gefühlt habe, sei die
Formkurve aber angestiegen. Daher glaube er auch in Kiel fest an
erfolgreiche Zeiten. Uwe Schwenker hat diese schon ausgemacht. "Es
geht deutlich voran", sagt Kiels Manager. Und: "Das Potenzial hat
er, wir werden noch viel Freude an ihm haben." Vielleicht schon
morgen gegen Lemgo.
(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 5.3.2004)