Am kommenden Sonnabend empfängt der THW schon um 15.20 Uhr (Achtung, geänderte
Anfangszeit!) den deutschen Meister TBV Lemgo.
Doch die Titelverteidigung ist schwer geworden für die Ostwestfalen, die
mit zehn Minuspunkten - genauso viele wie der THW - einen
Tabellenplatz
vor den Zebras auf Position drei liegen.
Der NDR überträgt die zweite Halbzeit des Duells
der Flensburg- und Magdeburg-Verfolger live aus der Ostseehalle ab 16.15 Uhr.
Gewinnt der THW, verdrängt er Lemgo von Platz drei. Kein Wunder,
dass Manager
Uwe Schwenker von einem
"wegweisenden Spiel" spricht.
Die Luft scheint beim TBV nach der
EM ein wenig heraus
zu sein. Obwohl der THW mehr Spieler als der TBV zu den europäischen Titelkämpfen
abstellte, scheint die Belastung größere Auswirkungen in Ostwestfalen als an der
Förde gehabt zu haben. Richtig bitter war für den amtierenden deutschen Meister
das
Champions League-Viertelfinal-Aus
gegen Celje Pivovarna Lasko im vergangenen Monat. Nachdem die Slowenen in eigener Halle mit 32:25 gewannen,
kam Lemgo in der Lipperlandhalle nicht über ein 28:28 hinaus. Damit war nach dem
DHB-Pokal-Aus im Dezember gegen den HSV die zweite Titelhoffnung
dahin.
In der Liga gab sich Lemgo nach der EM-Pause, in die man
mit 30:8 Punkten gegangen war, zunächst keine Blöße (siehe Kurve Lemgo).
Einem klaren Auswärtssieg bei Wallau folgten erwartete Heimsiege gegen Großwallstadt
und Göppingen. Nicht unbedingt erwartet hatte man dagegen die 24:29 (12:17)-Niederlage des
Teams von Volker Mudrow am Mittwoch bei TUSEM Essen.
Besonders aus dem TBV-Rückraum um Baur und Zerbe kam wenig, aber auch National-Rechtsaußen
Florian Kehrmann (siehe auch Interview) blieb blass.
 |
Hätte gerne zwei Wochen Urlaub: Christian Schwarzer.
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TBV |
Christian Schwarzer sprach schon vor der Bundesliga-Pleite in Essen davon,
er würde am liebsten zwei Wochen Urlaub nehmen, um wieder zu Kräften zu kommen
(siehe
Sonderbericht). Doch den kann der
TBV-Nationalkreisläufer nicht bekommen - genauso wenig wie die anderen geschlauchten
Nationalspieler der Spitzenteams.
Die Mannschaft von Lemgo stellten wir bereits
im Vorbericht zum Hinspiel, das der THW in der Lipperlandhalle
mit 29:33 verlor (siehe Bericht),
ausführlich vor.
Bester Schütze der Lemgoer ist Daniel Stephan (111/39 Tore) vor
Florian Kehrmann (110), Marc Baumgartner (107), Christian Schwarzer (99),
Volker Zerbe (88) und Marcus Baur (86/42).
Nun hat es der THW am Sonnabend selbst in der Hand, sich selbst mit einem
Sieg am TBV auf Platz drei vorbei zu schieben. Und Flensburg und Magdeburg sind in Schlagweite...
Doch die Zebras sind bei dem "wegweisenden Spiel" (Uwe Schwenker)
auf der Hut. "Angeschlagene Gegner sind am gefährlichsten", warnt der THW-Manager.
Und dass Lemgo "ein hervorragendes Potenzial" habe, wisse jeder.
Den letzten Punktverlust gegen Lemgo
in der Ostseehalle mussten die Zebras am 21.09.2002 hinnehmen, als sie mit
27:29 verloren (siehe Bericht und
Gegnerdaten).
Die Partie wird geleitet von den Unparteiischen
Methe / Methe (Vellmar).
"Mir fehlte das Feuer in meiner Mannschaft", sagte TBV-Trainer
Volker Mudrow enttäuscht nach der 24:29-Schlappe seines
Teams in Essen.
"Dieses Spiel muss ich erstmal verdauen", sagte Manager
Fynn Holpert entsetzt.
"Es war das schlechteste Spiel von uns, seitdem ich das Traineramt in Lemgo übernommen habe", gestand Mudrow gegenüber Sport1
ein. Nur Jörg Zereike verschonte er von Kritik.
Wenn es physisch nicht mehr laufe, sei die Psyche gefordert. "Ich hoffe, dass wir jetzt in dieser Situation alle zusammenrücken."
"Jetzt müssen wir sehen, dass wir gegen Kiel wieder Punkte holen", sagte Mudrow.
Nach der Niederlage will
Fynn Holpert in
der Ostseehalle nun "eine engagierte Leistung sehen, bei der um jeden Zentimeter gekämpft wird". Der TBV-Manager
will laut Neuer Westfälischer Zeitung
"wieder den TBV Lemgo erleben, der uns in der Vergangenheit so viel Spaß gemacht hat. Wenn das dann nicht zum Sieg reicht, werden wir keinem den Kopf abreißen." Um den TBV wieder auf Kurs zu bringen,
wurde am Donnerstag kurzfristig eine interne Mannschaftssitzung
anberaumt. Ob diese gereicht hat, um Defizite im sportlichen
und mentalen Bereich, die die NZW ausmachte, zu beheben?
Lesen Sie auch den Sonderbericht zum besonderen Verhältnis von
Martin Boquist zu Lemgo...
Lesen Sie auch das große Sport1-Interview mit Uwe Schwenker...
"Wir sind gut drauf", sagt THW-Manager
Uwe Schwenker
den Kieler Nachrichten, "heute können wir die Tür zur Champions League
aufstoßen. Das weiß die Mannschaft. Sie wird entsprechend kämpfen und am Ende
auch gewinnen.
Lesen Sie auch die Interviews mit Henning Fritz und Christian Ramota zum Spiel...
Dieser Vorbericht wird wie gewohnt laufend aktualisiert...
Aus den Kieler Nachrichten vom 04.03.2004:
Das EM-Gold wiegt schwer: Lemgo hängt am Tropf
Handballmeister schnappt nach Luft - Schwarzer: So schlimm war es noch nie
Endlich mal was anderes als Handball. Am Montag hat Christian
Schwarzer Kindergeburtstag gefeiert. Sohn Kian-Maurice wurde fünf
Jahre alt. Die fröhliche Gesellschaft brachte den Papa für einige
Stunden auf andere Gedanken. Doch die nächste Herausforderung steht
unmittelbar bevor: Am Sonnabend (15.20 Uhr, live im NDR-TV ab 16.15
Uhr) könnte beim THW Kiel eine Titel-Vorentscheidung fallen.
Dabei ist der Kopf von Schwarzer leer, der Akku bereits seit Wochen
im roten Bereich. "Um wieder zu Kräften zu kommen, bräuchte ich
mindestens zwei Wochen Urlaub. Doch die Zeit haben wir ja leider
nicht", sagt der Europameister - und es klingt schwermütig.
Die EM
fordert ihren Tribut. Beim TBV hört man das nicht gerne, und
im Managment ist es fast schon ein Tabuthema. "Andere Klubs waren
schwerer betroffen", beliebt Fynn Holpert dann gern zu sagen. Der
THW Kiel stellte sogar zehn Spieler ab. Doch kein Verein wurde
derart hart geschlaucht wie der Deutsche Meister. Am stärksten
gefordert war Florian Kehrmann mit exakt 7:30:49 Stunden. "Flo" war
der fleißigste Spieler der diesjährigen
Europameisterschaft. Mit
Christian Schwarzer (6:46), Volker Zerbe (6:15) und Daniel Stephan
(6:11) pendelten sich noch drei weitere Lemgoer Akteure bei einer
75- bis 80-prozentigen Netto-Einsatzzeit im DHB-Team ein.
Henning Fritz (6:14),
Martin Boquist (5:26) und
Stefan Lövgren (4:38) führen
die bei den Zebras an.
Wie teuer das schöne Etikett vom "TBV Deutschland" ist, bekam
Holpert zwei Wochen nach der
EM zu spüren. Im
Champions-League-Viertelfinale
hatte Lemgo gegen Celje mit 25:32 und 28:28 keine
Chance. Speziell Zerbe und Schwarzer hingen in den Seilen. Im
Rückspiel glückte dem Kreisläufer kein einziges Tor.
Personell reagieren ging nicht, da es die Ligavereinigung wieder
einmal verpasst hatte, ihre Wechselfrist endlich dem internationalen
Wettspielkalender anzupassen. Während in anderen Ländern Transfers
bis Mitte Februar möglich sind, schließt in Deutschland die
Wechselbörse weiterhin stur am 15. Januar. Organisatorische
Versäumnisse, für die Schwarzer jedoch keine Energie verschwendet.
"Blacky" hat andere Sorgen. Beim THW hofft er auf ein wenig mehr
Frische. Dran zu glauben, vermag er indes nicht. Die
EM lässt sich
nicht abschütteln. So extrem, sagt Schwarzer, sei die Belastung
niemals zuvor gewesen. 16 Jahre ist er dabei.
(Von Jörg Hagemann, aus den Kieler Nachrichten vom 04.03.2004)
Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Die Ostseehalle brodelt. Der aktuelle Deutsche Meister trifft auf den Serienmeister des vergangenen
Jahrzehnts. Insgesamt neun frischgebackene Europameister streiten auf dem Parkett nicht nur um zwei
Bundesliga-Punkte, dem Sieger winkt Rang drei und die vorläufige Sicherung eines Champions League-Platzes.
Und trotz (Minus-)Punktgleichheit könnten die Vorzeichen nicht unterschiedlicher sein. Der
THW Kiel bleibt nach der Europameisterschafts-Pause weiter ungeschlagen und präsentiert sich nach dem
erstmaligen Gewinn bei Angstgegner Wetzlar im Aufwind,
während sich der amtierende Titelträger TBV
Lemgo nach einer Niederlage in Essen bereits unter Zugzwang wähnt.
Man habe schon in aller Welt gewonnen, nur bei der HSG Wetzlar noch nie, orakelte
Noka Serdarusic vor
dem Auftritt am vergangenen Wochenende. Nun ist auch dieser bislang schwarze Fleck der Handball-Landkarte
erobert. "Ich bin sehr glücklich", grinste der Kieler Trainer nach dem ersten Streich im
siebten Versuch, "es war eine Herausforderung, hier endlich einmal zu gewinnen. Eigentlich könnte ich
jetzt aufhören." Der THW-Coach war rundum zufrieden, alle Akteure in seiner Mannschaft hatten ihre
Leistung gebracht. "Wir haben engagiert und motiviert gespielt und kompakt in der Abwehr gestanden",
zollte Serdarusic seiner Zebra-Herde nach dem 29:41 bei der HSG Wetzlar Respekt. Die Chancen auf
Rang Drei in der Bundesliga-Tabelle seien mit dem Auswärtserfolg in Nordhessen gewahrt worden. Schon
am Sonnabend könnte der momentan Viertplatzierte THW Kiel (34:10 Punkte) nun mit einem Sieg den TBV Lemgo
(36:10) aus den Champions-League-Rängen verdrängen.
"Dieses Spiel ist für beide Mannschaften richtungsweisend", sagt
Uwe Schwenker. Der Gewinner der
heutigen Partie setzt ein Ausrufezeichen auf dem Weg zurück an die Spitze. Nach Flensburgs (38:8)
Niederlage in Magdeburg (37:7) am vergangenen Dienstag beträgt der Abstand nach ganz oben nur noch
drei Minuspunkte. Der Kieler Manager mag sich allerdings nicht an Spekulationen um Meistertitel und
fiktiven Rechenexempeln über Champions League-Qualifikationen beteiligen. "Wir müssen zunächst einmal
all unsere restlichen Spiele gewinnen, dann schauen wir weiter", so
Schwenker. Er gibt sich
bescheiden optimistisch. Bereits in Wetzlar habe man gesehen, dass die Mannschaft gut drauf und die
Stimmung klasse sei. "Jetzt haben wir eine weitere schöne Aufgabe vor uns: Lemgo", so
Schwenker.
Der TBV Lemgo indes befürchtet offenbar schon, den Anschluss im Kampf um die Deutsche Meisterschaft
zu verlieren. "Für uns ist bereits das Duell in Essen ein Schlüsselspiel", schrieb National-Rechtsaußen
Florian Kehrmann zu Wochenbeginn in seiner Sport1-Kolumne, "eine Niederlage, und die
Titelverteidigung rückt in weite Ferne." Der amtierende Champion verlor beim TUSEM mit 29:24 und
steht nun erneut unter Druck. Eine weitere Niederlage, so heißt es aus Lemgo, und man könne das
"Unternehmen Titelverteidigung" zwölf Spieltage vor Saisonende praktisch schon ad acta legen. Am
Sonnabend Nachmittag geht es also um alles oder nichts.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)
Der TBV Lemgo stellt fast die komplette Startformation der deutschen Nationalmannschaft
Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Die deutsche Handballbundesliga gilt als stärkste Liga der Welt. Nahezu alle Spitzenvereine schmücken
sich mit zahlreichen ausländischen Weltstars, nur der TBV Lemgo nicht. In Ostwestfalen spielt fast
die komplette Startformation der deutschen Nationalmannschaft: Daniel Stephan, Marcus Baur, Florian
Kehrmann, Christian Schwarzer, Volker Zerbe und Torhüter Christian Ramota. Die einzigen Handball-Legionäre
stellen die beiden Schweizer Marc Baumgartner und Carlos Lima dar.
In Lemgo sind deutsche Spieler ein Konzept: "Alle Spitzenvereine müssen Spieler für internationalen
Turniere abstellen. Wir haben den Vorteil, dass wir unsere Spieler 'en Block' abgeben und 'en Block'
zurückbekommen. Sie spielen in fast der selben Konstellation in der Nationalmannschaft wie im
Verein", erklärt
Fynn Holpert, ehemaliger Torhüter und heute Manager und Geschäftsführer in Lemgo
gegenüber der "taz". Selbstbewusst spricht er vom "TBV Deutschland", der in seinem Kern noch länger
erhalten bleiben soll. Zuletzt verlängerte Marcus Baur, der sich in Slowenien einen Meniskusanriss
zuzog, seinen Vertrag beim TBV um weitere drei Jahre und entschied sich damit gegen Grashoppers
Zürich und den HSV Hamburg.
Schon 1994 begannen die Lemgoer mit der Förderung deutscher Talente wie Daniel Stephan. 2001 holte
der Verein Baur, Schwarzer und Ramota dazu. Der Erfolg gibt
Holpert Recht - der TBV ist amtierender
Deutscher Meister und die Nationalmannschaft hat nach den Vizewelt- und Europameistertiteln nun auch
den ganz großen Coup geschafft und kam als frischgebackener Europameister aus Slowenien nach Hause.
Das Lemgoer System soll den Spielern möglichst früh beigebracht werden. Der ehemalige Spieler Ulf
Gantschow wurde daher kürzlich als Jugendkoordinator eingestellt. Bis zur letzten Saison trat er noch
selbst für den TBV in der Bundesliga an, dann musste er seine Karriere aber verletzungsbedingt
beenden. Die Bindung alter Spieler scheint sich auszuzahlen. Von den jungen Spielern, die jetzt schon
für den TBV spielen, lobt Ulf Gantschow in der "taz" besonders den 18-jährigen Rückraumspieler Sven-Sören
Christophersen: "Ein Talent wie er könnte es mal in die Nationalmannschaft schaffen."
Ehrgeizig und selbstsicher klingt auch das benannte Saisonziel "Meister werden" und nahezu
unverändert präsentiert sich der TBV gegenüber der letzten Saison, in der Lemgo mit lediglich sechs
Minuspunkten sensationell souverän Deutscher Meister wurde. Als einzige Neuverpflichtungen stehen
zwei Jugendspieler zu Buche, die Abgänge halten sich mit Schürmann, Ganschow (beide Karriereende) und
Julius Kaiser ebenfalls zahlenmäßig in Grenzen. Doch so perfekt wie in der letzten Saison läuft es
bei den Lemgoern auch nicht. Nach dem DHB-Pokal-Aus im Dezember letzten Jahres in Hamburg (22:25)
und zuletzt dem Aus in der Champions League gegen den Slowenischen Meister Celje (25:32 und 28:28)
tanzt der TBV nur noch auf einer Hochzeit und kann sich somit ganz der Aufgabe "Titelverteidigung"
widmen. Vom Gejagten ist man mittlerweile zum Jäger der SG Flensburg-Handewitt geworden, ein dünnes
Punktepolster trennt die Ostwestfalen von der ersehnten Tabellenspitze. "Die anderen Mannschaften
stellen sich halt besser auf uns ein, seitdem wir letztes Jahr so erfolgreich waren", erklärt Florian
Kehrmann und macht sogleich seine Kampfansage an den Rest der Liga klar: "Wir müssen alle Punkte
sammeln, die wir mitnehmen können und können uns keine großen Fehltritte erlauben. Für die Mannschaft
ist ab sofort jeder Sieg Pflicht".
Dies sollte den THW aufhorchen lassen, denn nachdem zuletzt die SG Flensburg zwei Punkte aus der
Ostseehalle entführt hat, gilt es auch für den THW sich so wenig Blöße wie möglich zu geben, wenn man
auf den Zug "Champions League" noch aufspringen möchte. Und mit Lemgo hat man nach der Heimniederlage
letzten Jahres (27:29) (siehe Bericht) ja eh noch eine Rechnung offen...
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)
Der "Handballer des Jahres" über den Europameistertitel, den TBV Lemgo und sportliche Aussichten
Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Der heutige Gast in der Ostseehalle könnte gut und gerne seine eigene Nationalmannschaft aufmachen,
schließlich stehen in den Reihen des "TBV Deutschland" ja gleich sechs
aktuelle Nationalspieler des DHB,
fünf davon in der Startposition. Einer von ihnen ist Florian Kehrmann.
Geprägt und gefördert von Bob Hanning (1995-1999 Essen, Solingen) und seit seinem Wechsel zum TBV
Lemgo 1999 spielerisch gewachsen, klettert der 26-jährige Rechtsaußen stetig auf der Erfolgsleiter
nach oben und griff mit der Nationalmannschaft zuletzt bei der
EM in Slowenien erfolgreich nach den
Sternen. Als zweitbester Torjäger der
EM (45 Tore) hat der gebürtige Neussener einen großen Anteil
am Erfolg der Deutschen Mannschaft und wurde zuletzt von der Handballwoche zum "Handballer des
Jahres" gewählt. Thomas Fischer (living sports) sprach mit dem sympathischen Lemgoer über den
sensationellen EM-Sieg, die Aussichten des amtierenden Deutschen Meisters, den Flensburgern doch
noch einen Strich durch die Rechnung zu machen und natürlich die deutschen Hoffnungen auf eine
Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Athen.
- Zebra:
-
Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Europameister-Titel! Hast du im Vornherein bzw. nach dem
relativ verkorksten Auftakt daran gedacht Europameister zu werden?
- Florian Kehrmann:
-
 |
Florian Kehrmann: "Der EM-Titel ist ein Traum!"
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TBV |
Ich denke, wir haben nie wirklich geglaubt, dass wir Europameister werden, besonders nicht nach
unserem missglückten Start. Andererseits haben wir auch nie die Hoffnung und den Glauben verloren,
dass wir es schaffen können. Solange man die Chance hat, ins Halbfinale zu kommen, kann man
Europameister werden - aufgegeben haben wir uns jedenfalls nie! Richtig vom Titel geträumt haben wir
erst im Finale, denn aufgrund der Situation, dass wir jedes Spiel gewinnen mussten, war für uns jede
Begegnung quasi ein Endspiel. Wir haben von Spiel zu Spiel gedacht, dass wir es letztlich geschafft
haben, ist natürlich ein Traum!
- Zebra:
-
Was macht deiner Meinung nach die Stärke der deutschen Mannschaft aus? Positiv auswirken dürfte sich
ja sicherlich auch die Tatsache, dass beim TBV gleich sechs Nationalspieler täglich zusammen spielen...
- Florian Kehrmann:
-
Das ist sicherlich ein Faktor, der sehr positiv ist, da wir uns nicht viel umstellen müssen. Auf der
anderen Seite muss man wirklich die geschlossene Mannschaftsleistung hervorheben. Wenn der eine oder
andere, z.B. Markus Baur, ausgefallen ist, sind andere für diese Spieler gleichwertig eingesprungen
und haben sich völlig in den Dienst der Mannschaft gestellt. So haben uns beispielsweise
Christian Zeitz
oder Jan-Olaf Immel in einigen brenzligen Situationen sehr geholfen, womit einige vielleicht
nicht gerechnet hatten. Überhaupt gab es in jedem Spiel zwei, drei Leute, die mit ihrer extrem guten
Leistung die Leistung anderer mit ausgebügelt haben. So etwas macht eine gute Mannschaft und einen
intakten Teamgeist aus, das hat uns stark gemacht.
- Zebra:
-
Nach den letzten großen Turnieren drohte ein wenig der Titel des ewigen Zweiten an Euch haften zu
bleiben. Versprichst du dir von diesem Erfolg in Slowenien eine neue Aufbruchstimmung für die
Sportart Handball in Deutschland?
- Florian Kehrmann:
-
Das hoffe ich jedenfalls sehr. Ich denke, die sehr guten Quoten beim DSF waren bereits ein
Anhaltspunkt dafür, dass unsere Sportart in Deutschland sehr positiv aufgenommen wird und dass die
Leute auch mehr davon sehen wollen. Es gibt sicherlich noch ein großes Potential an
Vermarktungsmöglichkeiten, aber all das um den Handball herum ist natürlich nicht die Aufgabe der
Spieler, sondern die der Funktionäre und Manager, die dafür sorgen sollen, dass es mit dem Handball
weiter bergauf geht. Die Mannschaft jedenfalls hat ihre Hausaufgaben in den letzten Jahren gemacht,
der Europameistertitel bildet für uns den Erfolg des Tüchtigen. Mit dieser Erkenntnis gehen wir auch
beruhigt zu den Olympischen Spielen in diesem Jahr nach Athen. Das ist unser nächstes großes Ziel.
- Zebra:
-
Bei den Olympischen Spielen wollt ihr dieses Jahr also noch einmal voll angreifen. Wie siehst Du
Eure Chancen auf die Goldmedaille?
- Florian Kehrmann:
-
Als Europameister gelten wir bei Olympia sicher als einer der großen Favoriten, diese Rolle nehmen
wir auch gerne an. Wir haben die Chance, dass wir dort vielleicht mit zwei, drei Spielern mehr
antreten können, die in Slowenien verletzungsbedingt gefehlt haben. Wir wissen, dass die
Spitzenmannschaften sehr dicht beieinander sind, was schon dadurch deutlich wird, dass z.B. der
EM- Dritte Dänemark aufgrund der letzten WM sich nicht für Olympia qualifiziert hat. Wir wollen hoffen,
dass alle gesund bleiben, dann haben wir gute Chancen auf eine Medaille. Wir sind auf alle Fälle
schon mal Europameister geworden - das kann uns keiner mehr nehmen.
- Zebra:
-
Du bist von der "Handballwoche" zum Spieler des Jahres gewählt worden, noch vor Deinem
Mannschaftskollegen Christian Schwarzer und Stefan Kretzschmar. Kommt dieser Titel für Dich
überraschend? Wie wichtig ist er Dir als Anerkennung für Deine Leistung?
- Florian Kehrmann:
-
Das kam für mich auf jeden Fall sehr überraschend! Es ist für mich doch sehr erstaunlich und ein
tolles Gefühl, so viele Stars und Spitzenleute hinter mir gelassen zu haben, die alle eine
überragende Saison gespielt haben. Ich freue mich riesig darüber und realisiere erst so langsam, was
ich bereits erreicht habe. Es sind die Früchte harter Arbeit und mit Sicherheit ein großer Ansporn
für die kommenden Aufgaben.
- Zebra:
-
Kommen wir zum TBV Lemgo. Nach dem DHB-Pokal-Aus im Dezember letzten Jahres in Hamburg (22:25) und
zuletzt dem Aus in der Champions League gegen den slowenischen Meister Celje (25:32 und 28:28) tanzt
der TBV nur noch auf einer Hochzeit. Wenn man dies positiv auslegt, kann man das "Weniger an
Belastung" als Vorteil im Kampf um die Meisterschaft sehen. Wie siehst Du das? Kommt Ihr an
Flensburg noch vorbei?
- Florian Kehrmann:
-
Das kann man natürlich immer so oder so sehen. Wir wollten aus keinem Pokal ausscheiden, da es nun
aber nicht mehr rückgängig zu machen ist, muss man das Beste aus der Situation machen. Man muss auch
ganz einfach sagen, so wie die beiden Spiele gegen Celje verlaufen sind, sind die Slowenen verdient
weiter gekommen. In der Bundesliga wird es jetzt verdammt eng. Die Spieler sind natürlich schon ein
wenig ausgelaugt, aber solch ähnliche Probleme haben andere Mannschaften auch und außerdem haben wir
keinen Vorsprung, auf dem wir uns ausruhen könnten. Im Gegenteil: Wir wissen, dass wir noch einmal
richtig Gas geben müssen, wenn wir an Flensburg vorbei wollen. Das ist alles andere als eine leichte
Aufgabe, auch wenn man sich voll auf die Bundesliga konzentrieren kann.
- Zebra:
-
Was machst du als Ursache für das Ausscheiden gegen Celje fest? War die Belastung von der EM zu
stark oder war es die oft diskutierte "mentale Leere" in den Köpfen der Spieler nach einem so großen
Erfolg wie dem EM-Titel? Paradoxerweise standen bei Celje ja auch einige Spieler in den Reihen,
gegen die ihr im EM-Finale gewonnen habt...
- Florian Kehrmann:
-
Nach den beiden Spielen war Celje einfach die bessere Mannschaft. Wir haben im Hinspiel versäumt,
uns eine bessere Ausgangslage für das Rückspiel zu verschaffen und dann war es auch schon zu spät.
Bei einem geringeren Rückstand wäre vielleicht mehr drin gewesen, man muss es aber akzeptieren, wie
es ist. Von den ganzen Theorien um die Auswirkungen einer EM halte ich ehrlich gesagt nicht viel.
Als wir im letzten Jahr mit der Nationalmannschaft das Finale der WM verloren hatten, haben viele
geunkt, jetzt würde der TBV auch einbrechen und wir sind entgegen dieser Vermutungen sensationell
Meister geworden. Es gibt generell natürlich die Gefahr einer mentalen Sperre in den Köpfen der
Spieler, diese Gefahr sehe ich für uns allerdings nicht. Wir denken von Spiel zu Spiel und hoffen,
dass am Ende etwas Gutes dabei herauskommt.
- Zebra:
-
Wie stark schätzt du den THW Kiel ein? Flensburg hat in Kiel dieses Jahr gewonnen. Ist ein Sieg in
der Ostseehalle Pflicht, um im Kampf um die Meisterschaft dran zu bleiben?
- Florian Kehrmann:
-
Im Prinzip schon. Wir müssen alle Punkte sammeln, die wir mitnehmen können und können uns keine
großen Fehltritte erlauben. Punkte in Kiel kann man natürlich nie fest einplanen, dafür ist der THW
viel zu stark, aber wir müssen alles daran setzen, dass uns dieses Kunststück gelingt. Den
Flensburgern ist dies gelungen, wir müssten es ihnen wohl gleich machen, um an die Tabellenspitze zu
gelangen. Es ist alles andere als eine leichte Aufgabe, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass sich
der THW seit seiner Heimniederlage gegen Flensburg wesentlich besser gefunden und eingespielt zu
haben scheint. Für die Mannschaft ist ab sofort jeder Sieg "Pflicht".
- Zebra:
-
Woran liegt es deiner Meinung nach, dass der TBV trotz fast unveränderter Mannschaft nicht so
souverän aufläuft wie in der letzten Saison? Was hat sich gegenüber dem letzten Jahr verändert?
- Florian Kehrmann:
-
Es ist halt so, dass man nach einem solch überragenden Meistertitel wie im letzten Jahr von der
Konkurrenz wesentlich mehr beäugt wird. Die Mannschaften stellen sich auf unsere Spielweise ein und
natürlich sind sie gegen uns gleich doppelt motiviert, da es den Deutschen Meister zu schlagen gilt.
Hinzu kommt noch, dass sich andere Teams wie Flensburg, Kiel oder Magdeburg im Gegensatz zu uns sehr
gut verstärkt haben, die Spitze der ersten Sechs der Liga ist unglaublich eng, Selbstläufer gibt es
nicht. So haben wir vielleicht vier Punkte verloren, die wir nicht hätten verlieren dürfen. Die
müssen wir uns jetzt halt woanders holen.
- Zebra:
-
Der TBV Lemgo schmückt sich gerne mit dem Namen "TBV Deutschland" und möchte seine Nationalspieler
möglichst lange an sich binden. Wie stark ist deine Gebundenheit zum TBV Lemgo? Oder was viele
Kieler Zuschauer interessieren würde: Könntest du dir generell einen Wechsel an die Kieler Förde
vorstellen?
- Florian Kehrmann:
-
Ich spiele jetzt das fünfte Jahr in Lemgo und habe einen Vertrag bis 2005. Ich fühle mich hier sehr wohl
und ich denke, dass gegen Sommer jemand vom Verein auf mich zukommen wird. Über einen neuen Vertrag
wird zu reden sein, wir werden uns zusammensetzen und dann schauen wir mal. Generell könnte ich mir
vorstellen, zu jedem Verein zu wechseln, mein erster Ansprechpartner ist jedoch der TBV Lemgo. Ich
fühle mich hier zu Hause und wir haben Erfolg. Dementsprechend gibt es für mich momentan keinen
Grund den Verein zu wechseln, zumal ich mich mit
Fynn Holpert sehr gut verstehe.
(Das Interview führte Thomas Fischer für living sports, aus dem THW-Hallenmagazin Zebra)
Die Umfragen sind nicht mehr verfügbar.
THW Kiel - TBV Lemgo:
Das Tippspiel ist nicht mehr verfügbar.
Mittippen!
TV- und Radio-Tips:
TV: NDR-Fernsehen:
Sa., ab 16.15: THW - Lemgo - 2. Halbzeit live
Radio: NDR 1 Welle Nord:
Sa., ab 15.20: Live-Einblendungen
(geplante Einblendungen um 15.30, 16.00, 16.30 und in der Schlussphase um ca. 17.00)
Sa., ab 17.08 im Nordsport: Nachberichterstattung
Tip: Welle Nord kann man auch im Internet live hören!