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04.-06.03.2004 - Letzte Aktualisierung: 06.03.2004 Bundesliga

Wegweisendes Spiel gegen Lemgo - Kann der THW am TBV vorbei ziehen?

Update #2 Aktualisierung vom 06.03. und vom 05.03...

Das Team des TBV Lemgo.
Klicken Sie für weitere Infos! Das Team des TBV Lemgo.
Am kommenden Sonnabend empfängt der THW schon um 15.20 Uhr (Achtung, geänderte Anfangszeit!) den deutschen Meister TBV Lemgo. Doch die Titelverteidigung ist schwer geworden für die Ostwestfalen, die mit zehn Minuspunkten - genauso viele wie der THW - einen Tabellenplatz vor den Zebras auf Position drei liegen. Der NDR überträgt die zweite Halbzeit des Duells der Flensburg- und Magdeburg-Verfolger live aus der Ostseehalle ab 16.15 Uhr. Gewinnt der THW, verdrängt er Lemgo von Platz drei. Kein Wunder, dass Manager Uwe Schwenker von einem "wegweisenden Spiel" spricht.
Die Luft scheint beim TBV nach der EM ein wenig heraus zu sein. Obwohl der THW mehr Spieler als der TBV zu den europäischen Titelkämpfen abstellte, scheint die Belastung größere Auswirkungen in Ostwestfalen als an der Förde gehabt zu haben. Richtig bitter war für den amtierenden deutschen Meister das Champions League-Viertelfinal-Aus gegen Celje Pivovarna Lasko im vergangenen Monat. Nachdem die Slowenen in eigener Halle mit 32:25 gewannen, kam Lemgo in der Lipperlandhalle nicht über ein 28:28 hinaus. Damit war nach dem DHB-Pokal-Aus im Dezember gegen den HSV die zweite Titelhoffnung dahin.

In der Liga gab sich Lemgo nach der EM-Pause, in die man mit 30:8 Punkten gegangen war, zunächst keine Blöße (siehe Kurve Lemgo). Einem klaren Auswärtssieg bei Wallau folgten erwartete Heimsiege gegen Großwallstadt und Göppingen. Nicht unbedingt erwartet hatte man dagegen die 24:29 (12:17)-Niederlage des Teams von Volker Mudrow am Mittwoch bei TUSEM Essen. Besonders aus dem TBV-Rückraum um Baur und Zerbe kam wenig, aber auch National-Rechtsaußen Florian Kehrmann (siehe auch Interview) blieb blass.

Hätte gerne zwei Wochen Urlaub: Christian Schwarzer.
Klicken Sie zum Vergrößern! Hätte gerne zwei Wochen Urlaub: Christian Schwarzer.
Christian Schwarzer sprach schon vor der Bundesliga-Pleite in Essen davon, er würde am liebsten zwei Wochen Urlaub nehmen, um wieder zu Kräften zu kommen (siehe Sonderbericht). Doch den kann der TBV-Nationalkreisläufer nicht bekommen - genauso wenig wie die anderen geschlauchten Nationalspieler der Spitzenteams.

Die Mannschaft von Lemgo stellten wir bereits im Vorbericht zum Hinspiel, das der THW in der Lipperlandhalle mit 29:33 verlor (siehe Bericht), ausführlich vor. Bester Schütze der Lemgoer ist Daniel Stephan (111/39 Tore) vor Florian Kehrmann (110), Marc Baumgartner (107), Christian Schwarzer (99), Volker Zerbe (88) und Marcus Baur (86/42).

Nun hat es der THW am Sonnabend selbst in der Hand, sich selbst mit einem Sieg am TBV auf Platz drei vorbei zu schieben. Und Flensburg und Magdeburg sind in Schlagweite... Doch die Zebras sind bei dem "wegweisenden Spiel" (Uwe Schwenker) auf der Hut. "Angeschlagene Gegner sind am gefährlichsten", warnt der THW-Manager. Und dass Lemgo "ein hervorragendes Potenzial" habe, wisse jeder.

Den letzten Punktverlust gegen Lemgo in der Ostseehalle mussten die Zebras am 21.09.2002 hinnehmen, als sie mit 27:29 verloren (siehe Bericht und Gegnerdaten).

Die Partie wird geleitet von den Unparteiischen Methe / Methe (Vellmar).

Aktualisierung vom 05.03.

"Mir fehlte das Feuer in meiner Mannschaft", sagte TBV-Trainer Volker Mudrow enttäuscht nach der 24:29-Schlappe seines Teams in Essen. "Dieses Spiel muss ich erstmal verdauen", sagte Manager Fynn Holpert entsetzt. "Es war das schlechteste Spiel von uns, seitdem ich das Traineramt in Lemgo übernommen habe", gestand Mudrow gegenüber Sport1 ein. Nur Jörg Zereike verschonte er von Kritik. Wenn es physisch nicht mehr laufe, sei die Psyche gefordert. "Ich hoffe, dass wir jetzt in dieser Situation alle zusammenrücken." "Jetzt müssen wir sehen, dass wir gegen Kiel wieder Punkte holen", sagte Mudrow.

Nach der Niederlage will Fynn Holpert in der Ostseehalle nun "eine engagierte Leistung sehen, bei der um jeden Zentimeter gekämpft wird". Der TBV-Manager will laut Neuer Westfälischer Zeitung "wieder den TBV Lemgo erleben, der uns in der Vergangenheit so viel Spaß gemacht hat. Wenn das dann nicht zum Sieg reicht, werden wir keinem den Kopf abreißen." Um den TBV wieder auf Kurs zu bringen, wurde am Donnerstag kurzfristig eine interne Mannschaftssitzung anberaumt. Ob diese gereicht hat, um Defizite im sportlichen und mentalen Bereich, die die NZW ausmachte, zu beheben?

Lesen Sie auch den Sonderbericht zum besonderen Verhältnis von Martin Boquist zu Lemgo...

Lesen Sie auch das große Sport1-Interview mit Uwe Schwenker...

Aktualisierung vom 06.03.

"Wir sind gut drauf", sagt THW-Manager Uwe Schwenker den Kieler Nachrichten, "heute können wir die Tür zur Champions League aufstoßen. Das weiß die Mannschaft. Sie wird entsprechend kämpfen und am Ende auch gewinnen.

Lesen Sie auch die Interviews mit Henning Fritz und Christian Ramota zum Spiel...

Dieser Vorbericht wird wie gewohnt laufend aktualisiert...

 

 


Aus den Kieler Nachrichten vom 04.03.2004:

Das EM-Gold wiegt schwer: Lemgo hängt am Tropf

Handballmeister schnappt nach Luft - Schwarzer: So schlimm war es noch nie
Endlich mal was anderes als Handball. Am Montag hat Christian Schwarzer Kindergeburtstag gefeiert. Sohn Kian-Maurice wurde fünf Jahre alt. Die fröhliche Gesellschaft brachte den Papa für einige Stunden auf andere Gedanken. Doch die nächste Herausforderung steht unmittelbar bevor: Am Sonnabend (15.20 Uhr, live im NDR-TV ab 16.15 Uhr) könnte beim THW Kiel eine Titel-Vorentscheidung fallen.

Dabei ist der Kopf von Schwarzer leer, der Akku bereits seit Wochen im roten Bereich. "Um wieder zu Kräften zu kommen, bräuchte ich mindestens zwei Wochen Urlaub. Doch die Zeit haben wir ja leider nicht", sagt der Europameister - und es klingt schwermütig.

Die EM fordert ihren Tribut. Beim TBV hört man das nicht gerne, und im Managment ist es fast schon ein Tabuthema. "Andere Klubs waren schwerer betroffen", beliebt Fynn Holpert dann gern zu sagen. Der THW Kiel stellte sogar zehn Spieler ab. Doch kein Verein wurde derart hart geschlaucht wie der Deutsche Meister. Am stärksten gefordert war Florian Kehrmann mit exakt 7:30:49 Stunden. "Flo" war der fleißigste Spieler der diesjährigen Europameisterschaft. Mit Christian Schwarzer (6:46), Volker Zerbe (6:15) und Daniel Stephan (6:11) pendelten sich noch drei weitere Lemgoer Akteure bei einer 75- bis 80-prozentigen Netto-Einsatzzeit im DHB-Team ein. Henning Fritz (6:14), Martin Boquist (5:26) und Stefan Lövgren (4:38) führen die bei den Zebras an.

Wie teuer das schöne Etikett vom "TBV Deutschland" ist, bekam Holpert zwei Wochen nach der EM zu spüren. Im Champions-League-Viertelfinale hatte Lemgo gegen Celje mit 25:32 und 28:28 keine Chance. Speziell Zerbe und Schwarzer hingen in den Seilen. Im Rückspiel glückte dem Kreisläufer kein einziges Tor.

Personell reagieren ging nicht, da es die Ligavereinigung wieder einmal verpasst hatte, ihre Wechselfrist endlich dem internationalen Wettspielkalender anzupassen. Während in anderen Ländern Transfers bis Mitte Februar möglich sind, schließt in Deutschland die Wechselbörse weiterhin stur am 15. Januar. Organisatorische Versäumnisse, für die Schwarzer jedoch keine Energie verschwendet. "Blacky" hat andere Sorgen. Beim THW hofft er auf ein wenig mehr Frische. Dran zu glauben, vermag er indes nicht. Die EM lässt sich nicht abschütteln. So extrem, sagt Schwarzer, sei die Belastung niemals zuvor gewesen. 16 Jahre ist er dabei.

(Von Jörg Hagemann, aus den Kieler Nachrichten vom 04.03.2004)

 

 

 

Die Ostseehalle brodelt

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Die Ostseehalle brodelt. Der aktuelle Deutsche Meister trifft auf den Serienmeister des vergangenen Jahrzehnts. Insgesamt neun frischgebackene Europameister streiten auf dem Parkett nicht nur um zwei Bundesliga-Punkte, dem Sieger winkt Rang drei und die vorläufige Sicherung eines Champions League-Platzes. Und trotz (Minus-)Punktgleichheit könnten die Vorzeichen nicht unterschiedlicher sein. Der THW Kiel bleibt nach der Europameisterschafts-Pause weiter ungeschlagen und präsentiert sich nach dem erstmaligen Gewinn bei Angstgegner Wetzlar im Aufwind, während sich der amtierende Titelträger TBV Lemgo nach einer Niederlage in Essen bereits unter Zugzwang wähnt.

Man habe schon in aller Welt gewonnen, nur bei der HSG Wetzlar noch nie, orakelte Noka Serdarusic vor dem Auftritt am vergangenen Wochenende. Nun ist auch dieser bislang schwarze Fleck der Handball-Landkarte erobert. "Ich bin sehr glücklich", grinste der Kieler Trainer nach dem ersten Streich im siebten Versuch, "es war eine Herausforderung, hier endlich einmal zu gewinnen. Eigentlich könnte ich jetzt aufhören." Der THW-Coach war rundum zufrieden, alle Akteure in seiner Mannschaft hatten ihre Leistung gebracht. "Wir haben engagiert und motiviert gespielt und kompakt in der Abwehr gestanden", zollte Serdarusic seiner Zebra-Herde nach dem 29:41 bei der HSG Wetzlar Respekt. Die Chancen auf Rang Drei in der Bundesliga-Tabelle seien mit dem Auswärtserfolg in Nordhessen gewahrt worden. Schon am Sonnabend könnte der momentan Viertplatzierte THW Kiel (34:10 Punkte) nun mit einem Sieg den TBV Lemgo (36:10) aus den Champions-League-Rängen verdrängen.

"Dieses Spiel ist für beide Mannschaften richtungsweisend", sagt Uwe Schwenker. Der Gewinner der heutigen Partie setzt ein Ausrufezeichen auf dem Weg zurück an die Spitze. Nach Flensburgs (38:8) Niederlage in Magdeburg (37:7) am vergangenen Dienstag beträgt der Abstand nach ganz oben nur noch drei Minuspunkte. Der Kieler Manager mag sich allerdings nicht an Spekulationen um Meistertitel und fiktiven Rechenexempeln über Champions League-Qualifikationen beteiligen. "Wir müssen zunächst einmal all unsere restlichen Spiele gewinnen, dann schauen wir weiter", so Schwenker. Er gibt sich bescheiden optimistisch. Bereits in Wetzlar habe man gesehen, dass die Mannschaft gut drauf und die Stimmung klasse sei. "Jetzt haben wir eine weitere schöne Aufgabe vor uns: Lemgo", so Schwenker.

Der TBV Lemgo indes befürchtet offenbar schon, den Anschluss im Kampf um die Deutsche Meisterschaft zu verlieren. "Für uns ist bereits das Duell in Essen ein Schlüsselspiel", schrieb National-Rechtsaußen Florian Kehrmann zu Wochenbeginn in seiner Sport1-Kolumne, "eine Niederlage, und die Titelverteidigung rückt in weite Ferne." Der amtierende Champion verlor beim TUSEM mit 29:24 und steht nun erneut unter Druck. Eine weitere Niederlage, so heißt es aus Lemgo, und man könne das "Unternehmen Titelverteidigung" zwölf Spieltage vor Saisonende praktisch schon ad acta legen. Am Sonnabend Nachmittag geht es also um alles oder nichts.

(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)

 

TBV Deutschland - Die Europameister kommen!

Der TBV Lemgo stellt fast die komplette Startformation der deutschen Nationalmannschaft
Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Die deutsche Handballbundesliga gilt als stärkste Liga der Welt. Nahezu alle Spitzenvereine schmücken sich mit zahlreichen ausländischen Weltstars, nur der TBV Lemgo nicht. In Ostwestfalen spielt fast die komplette Startformation der deutschen Nationalmannschaft: Daniel Stephan, Marcus Baur, Florian Kehrmann, Christian Schwarzer, Volker Zerbe und Torhüter Christian Ramota. Die einzigen Handball-Legionäre stellen die beiden Schweizer Marc Baumgartner und Carlos Lima dar.

In Lemgo sind deutsche Spieler ein Konzept: "Alle Spitzenvereine müssen Spieler für internationalen Turniere abstellen. Wir haben den Vorteil, dass wir unsere Spieler 'en Block' abgeben und 'en Block' zurückbekommen. Sie spielen in fast der selben Konstellation in der Nationalmannschaft wie im Verein", erklärt Fynn Holpert, ehemaliger Torhüter und heute Manager und Geschäftsführer in Lemgo gegenüber der "taz". Selbstbewusst spricht er vom "TBV Deutschland", der in seinem Kern noch länger erhalten bleiben soll. Zuletzt verlängerte Marcus Baur, der sich in Slowenien einen Meniskusanriss zuzog, seinen Vertrag beim TBV um weitere drei Jahre und entschied sich damit gegen Grashoppers Zürich und den HSV Hamburg.

Schon 1994 begannen die Lemgoer mit der Förderung deutscher Talente wie Daniel Stephan. 2001 holte der Verein Baur, Schwarzer und Ramota dazu. Der Erfolg gibt Holpert Recht - der TBV ist amtierender Deutscher Meister und die Nationalmannschaft hat nach den Vizewelt- und Europameistertiteln nun auch den ganz großen Coup geschafft und kam als frischgebackener Europameister aus Slowenien nach Hause.

Das Lemgoer System soll den Spielern möglichst früh beigebracht werden. Der ehemalige Spieler Ulf Gantschow wurde daher kürzlich als Jugendkoordinator eingestellt. Bis zur letzten Saison trat er noch selbst für den TBV in der Bundesliga an, dann musste er seine Karriere aber verletzungsbedingt beenden. Die Bindung alter Spieler scheint sich auszuzahlen. Von den jungen Spielern, die jetzt schon für den TBV spielen, lobt Ulf Gantschow in der "taz" besonders den 18-jährigen Rückraumspieler Sven-Sören Christophersen: "Ein Talent wie er könnte es mal in die Nationalmannschaft schaffen."

Ehrgeizig und selbstsicher klingt auch das benannte Saisonziel "Meister werden" und nahezu unverändert präsentiert sich der TBV gegenüber der letzten Saison, in der Lemgo mit lediglich sechs Minuspunkten sensationell souverän Deutscher Meister wurde. Als einzige Neuverpflichtungen stehen zwei Jugendspieler zu Buche, die Abgänge halten sich mit Schürmann, Ganschow (beide Karriereende) und Julius Kaiser ebenfalls zahlenmäßig in Grenzen. Doch so perfekt wie in der letzten Saison läuft es bei den Lemgoern auch nicht. Nach dem DHB-Pokal-Aus im Dezember letzten Jahres in Hamburg (22:25) und zuletzt dem Aus in der Champions League gegen den Slowenischen Meister Celje (25:32 und 28:28) tanzt der TBV nur noch auf einer Hochzeit und kann sich somit ganz der Aufgabe "Titelverteidigung" widmen. Vom Gejagten ist man mittlerweile zum Jäger der SG Flensburg-Handewitt geworden, ein dünnes Punktepolster trennt die Ostwestfalen von der ersehnten Tabellenspitze. "Die anderen Mannschaften stellen sich halt besser auf uns ein, seitdem wir letztes Jahr so erfolgreich waren", erklärt Florian Kehrmann und macht sogleich seine Kampfansage an den Rest der Liga klar: "Wir müssen alle Punkte sammeln, die wir mitnehmen können und können uns keine großen Fehltritte erlauben. Für die Mannschaft ist ab sofort jeder Sieg Pflicht".

Dies sollte den THW aufhorchen lassen, denn nachdem zuletzt die SG Flensburg zwei Punkte aus der Ostseehalle entführt hat, gilt es auch für den THW sich so wenig Blöße wie möglich zu geben, wenn man auf den Zug "Champions League" noch aufspringen möchte. Und mit Lemgo hat man nach der Heimniederlage letzten Jahres (27:29) (siehe Bericht) ja eh noch eine Rechnung offen...

(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)

 

 

TBV-Rechtsaußen im Interview: "Sieg ist Pflicht?"

Der "Handballer des Jahres" über den Europameistertitel, den TBV Lemgo und sportliche Aussichten
Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Der heutige Gast in der Ostseehalle könnte gut und gerne seine eigene Nationalmannschaft aufmachen, schließlich stehen in den Reihen des "TBV Deutschland" ja gleich sechs aktuelle Nationalspieler des DHB, fünf davon in der Startposition. Einer von ihnen ist Florian Kehrmann.

Geprägt und gefördert von Bob Hanning (1995-1999 Essen, Solingen) und seit seinem Wechsel zum TBV Lemgo 1999 spielerisch gewachsen, klettert der 26-jährige Rechtsaußen stetig auf der Erfolgsleiter nach oben und griff mit der Nationalmannschaft zuletzt bei der EM in Slowenien erfolgreich nach den Sternen. Als zweitbester Torjäger der EM (45 Tore) hat der gebürtige Neussener einen großen Anteil am Erfolg der Deutschen Mannschaft und wurde zuletzt von der Handballwoche zum "Handballer des Jahres" gewählt. Thomas Fischer (living sports) sprach mit dem sympathischen Lemgoer über den sensationellen EM-Sieg, die Aussichten des amtierenden Deutschen Meisters, den Flensburgern doch noch einen Strich durch die Rechnung zu machen und natürlich die deutschen Hoffnungen auf eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Athen.

Zebra:
Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Europameister-Titel! Hast du im Vornherein bzw. nach dem relativ verkorksten Auftakt daran gedacht Europameister zu werden?
Florian Kehrmann:
Florian Kehrmann: "Der EM-Titel ist ein Traum!"
Klicken Sie zum Vergrößern! Florian Kehrmann: "Der EM-Titel ist ein Traum!"
Ich denke, wir haben nie wirklich geglaubt, dass wir Europameister werden, besonders nicht nach unserem missglückten Start. Andererseits haben wir auch nie die Hoffnung und den Glauben verloren, dass wir es schaffen können. Solange man die Chance hat, ins Halbfinale zu kommen, kann man Europameister werden - aufgegeben haben wir uns jedenfalls nie! Richtig vom Titel geträumt haben wir erst im Finale, denn aufgrund der Situation, dass wir jedes Spiel gewinnen mussten, war für uns jede Begegnung quasi ein Endspiel. Wir haben von Spiel zu Spiel gedacht, dass wir es letztlich geschafft haben, ist natürlich ein Traum!
Zebra:
Was macht deiner Meinung nach die Stärke der deutschen Mannschaft aus? Positiv auswirken dürfte sich ja sicherlich auch die Tatsache, dass beim TBV gleich sechs Nationalspieler täglich zusammen spielen...
Florian Kehrmann:
Das ist sicherlich ein Faktor, der sehr positiv ist, da wir uns nicht viel umstellen müssen. Auf der anderen Seite muss man wirklich die geschlossene Mannschaftsleistung hervorheben. Wenn der eine oder andere, z.B. Markus Baur, ausgefallen ist, sind andere für diese Spieler gleichwertig eingesprungen und haben sich völlig in den Dienst der Mannschaft gestellt. So haben uns beispielsweise Christian Zeitz oder Jan-Olaf Immel in einigen brenzligen Situationen sehr geholfen, womit einige vielleicht nicht gerechnet hatten. Überhaupt gab es in jedem Spiel zwei, drei Leute, die mit ihrer extrem guten Leistung die Leistung anderer mit ausgebügelt haben. So etwas macht eine gute Mannschaft und einen intakten Teamgeist aus, das hat uns stark gemacht.
Zebra:
Nach den letzten großen Turnieren drohte ein wenig der Titel des ewigen Zweiten an Euch haften zu bleiben. Versprichst du dir von diesem Erfolg in Slowenien eine neue Aufbruchstimmung für die Sportart Handball in Deutschland?
Florian Kehrmann:
Das hoffe ich jedenfalls sehr. Ich denke, die sehr guten Quoten beim DSF waren bereits ein Anhaltspunkt dafür, dass unsere Sportart in Deutschland sehr positiv aufgenommen wird und dass die Leute auch mehr davon sehen wollen. Es gibt sicherlich noch ein großes Potential an Vermarktungsmöglichkeiten, aber all das um den Handball herum ist natürlich nicht die Aufgabe der Spieler, sondern die der Funktionäre und Manager, die dafür sorgen sollen, dass es mit dem Handball weiter bergauf geht. Die Mannschaft jedenfalls hat ihre Hausaufgaben in den letzten Jahren gemacht, der Europameistertitel bildet für uns den Erfolg des Tüchtigen. Mit dieser Erkenntnis gehen wir auch beruhigt zu den Olympischen Spielen in diesem Jahr nach Athen. Das ist unser nächstes großes Ziel.
Zebra:
Bei den Olympischen Spielen wollt ihr dieses Jahr also noch einmal voll angreifen. Wie siehst Du Eure Chancen auf die Goldmedaille?
Florian Kehrmann:
Als Europameister gelten wir bei Olympia sicher als einer der großen Favoriten, diese Rolle nehmen wir auch gerne an. Wir haben die Chance, dass wir dort vielleicht mit zwei, drei Spielern mehr antreten können, die in Slowenien verletzungsbedingt gefehlt haben. Wir wissen, dass die Spitzenmannschaften sehr dicht beieinander sind, was schon dadurch deutlich wird, dass z.B. der EM- Dritte Dänemark aufgrund der letzten WM sich nicht für Olympia qualifiziert hat. Wir wollen hoffen, dass alle gesund bleiben, dann haben wir gute Chancen auf eine Medaille. Wir sind auf alle Fälle schon mal Europameister geworden - das kann uns keiner mehr nehmen.
Zebra:
Du bist von der "Handballwoche" zum Spieler des Jahres gewählt worden, noch vor Deinem Mannschaftskollegen Christian Schwarzer und Stefan Kretzschmar. Kommt dieser Titel für Dich überraschend? Wie wichtig ist er Dir als Anerkennung für Deine Leistung?
Florian Kehrmann:
Das kam für mich auf jeden Fall sehr überraschend! Es ist für mich doch sehr erstaunlich und ein tolles Gefühl, so viele Stars und Spitzenleute hinter mir gelassen zu haben, die alle eine überragende Saison gespielt haben. Ich freue mich riesig darüber und realisiere erst so langsam, was ich bereits erreicht habe. Es sind die Früchte harter Arbeit und mit Sicherheit ein großer Ansporn für die kommenden Aufgaben.
Zebra:
Kommen wir zum TBV Lemgo. Nach dem DHB-Pokal-Aus im Dezember letzten Jahres in Hamburg (22:25) und zuletzt dem Aus in der Champions League gegen den slowenischen Meister Celje (25:32 und 28:28) tanzt der TBV nur noch auf einer Hochzeit. Wenn man dies positiv auslegt, kann man das "Weniger an Belastung" als Vorteil im Kampf um die Meisterschaft sehen. Wie siehst Du das? Kommt Ihr an Flensburg noch vorbei?
Florian Kehrmann:
Das kann man natürlich immer so oder so sehen. Wir wollten aus keinem Pokal ausscheiden, da es nun aber nicht mehr rückgängig zu machen ist, muss man das Beste aus der Situation machen. Man muss auch ganz einfach sagen, so wie die beiden Spiele gegen Celje verlaufen sind, sind die Slowenen verdient weiter gekommen. In der Bundesliga wird es jetzt verdammt eng. Die Spieler sind natürlich schon ein wenig ausgelaugt, aber solch ähnliche Probleme haben andere Mannschaften auch und außerdem haben wir keinen Vorsprung, auf dem wir uns ausruhen könnten. Im Gegenteil: Wir wissen, dass wir noch einmal richtig Gas geben müssen, wenn wir an Flensburg vorbei wollen. Das ist alles andere als eine leichte Aufgabe, auch wenn man sich voll auf die Bundesliga konzentrieren kann.
Zebra:
Was machst du als Ursache für das Ausscheiden gegen Celje fest? War die Belastung von der EM zu stark oder war es die oft diskutierte "mentale Leere" in den Köpfen der Spieler nach einem so großen Erfolg wie dem EM-Titel? Paradoxerweise standen bei Celje ja auch einige Spieler in den Reihen, gegen die ihr im EM-Finale gewonnen habt...
Florian Kehrmann:
Nach den beiden Spielen war Celje einfach die bessere Mannschaft. Wir haben im Hinspiel versäumt, uns eine bessere Ausgangslage für das Rückspiel zu verschaffen und dann war es auch schon zu spät. Bei einem geringeren Rückstand wäre vielleicht mehr drin gewesen, man muss es aber akzeptieren, wie es ist. Von den ganzen Theorien um die Auswirkungen einer EM halte ich ehrlich gesagt nicht viel. Als wir im letzten Jahr mit der Nationalmannschaft das Finale der WM verloren hatten, haben viele geunkt, jetzt würde der TBV auch einbrechen und wir sind entgegen dieser Vermutungen sensationell Meister geworden. Es gibt generell natürlich die Gefahr einer mentalen Sperre in den Köpfen der Spieler, diese Gefahr sehe ich für uns allerdings nicht. Wir denken von Spiel zu Spiel und hoffen, dass am Ende etwas Gutes dabei herauskommt.
Zebra:
Wie stark schätzt du den THW Kiel ein? Flensburg hat in Kiel dieses Jahr gewonnen. Ist ein Sieg in der Ostseehalle Pflicht, um im Kampf um die Meisterschaft dran zu bleiben?
Florian Kehrmann:
Im Prinzip schon. Wir müssen alle Punkte sammeln, die wir mitnehmen können und können uns keine großen Fehltritte erlauben. Punkte in Kiel kann man natürlich nie fest einplanen, dafür ist der THW viel zu stark, aber wir müssen alles daran setzen, dass uns dieses Kunststück gelingt. Den Flensburgern ist dies gelungen, wir müssten es ihnen wohl gleich machen, um an die Tabellenspitze zu gelangen. Es ist alles andere als eine leichte Aufgabe, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass sich der THW seit seiner Heimniederlage gegen Flensburg wesentlich besser gefunden und eingespielt zu haben scheint. Für die Mannschaft ist ab sofort jeder Sieg "Pflicht".
Zebra:
Woran liegt es deiner Meinung nach, dass der TBV trotz fast unveränderter Mannschaft nicht so souverän aufläuft wie in der letzten Saison? Was hat sich gegenüber dem letzten Jahr verändert?
Florian Kehrmann:
Es ist halt so, dass man nach einem solch überragenden Meistertitel wie im letzten Jahr von der Konkurrenz wesentlich mehr beäugt wird. Die Mannschaften stellen sich auf unsere Spielweise ein und natürlich sind sie gegen uns gleich doppelt motiviert, da es den Deutschen Meister zu schlagen gilt. Hinzu kommt noch, dass sich andere Teams wie Flensburg, Kiel oder Magdeburg im Gegensatz zu uns sehr gut verstärkt haben, die Spitze der ersten Sechs der Liga ist unglaublich eng, Selbstläufer gibt es nicht. So haben wir vielleicht vier Punkte verloren, die wir nicht hätten verlieren dürfen. Die müssen wir uns jetzt halt woanders holen.
Zebra:
Der TBV Lemgo schmückt sich gerne mit dem Namen "TBV Deutschland" und möchte seine Nationalspieler möglichst lange an sich binden. Wie stark ist deine Gebundenheit zum TBV Lemgo? Oder was viele Kieler Zuschauer interessieren würde: Könntest du dir generell einen Wechsel an die Kieler Förde vorstellen?
Florian Kehrmann:
Ich spiele jetzt das fünfte Jahr in Lemgo und habe einen Vertrag bis 2005. Ich fühle mich hier sehr wohl und ich denke, dass gegen Sommer jemand vom Verein auf mich zukommen wird. Über einen neuen Vertrag wird zu reden sein, wir werden uns zusammensetzen und dann schauen wir mal. Generell könnte ich mir vorstellen, zu jedem Verein zu wechseln, mein erster Ansprechpartner ist jedoch der TBV Lemgo. Ich fühle mich hier zu Hause und wir haben Erfolg. Dementsprechend gibt es für mich momentan keinen Grund den Verein zu wechseln, zumal ich mich mit Fynn Holpert sehr gut verstehe.
(Das Interview führte Thomas Fischer für living sports, aus dem THW-Hallenmagazin Zebra)

 

 

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    (geplante Einblendungen um 15.30, 16.00, 16.30 und in der Schlussphase um ca. 17.00)
    Sa., ab 17.08 im Nordsport: Nachberichterstattung
    Tip: Welle Nord kann man auch im Internet live hören!


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