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07.04.2004 Interview

"Ich will große Titel gewinnen" - Marcus Ahlm im großen Zebra-Interview

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Marcus Ahlm.
Klicken Sie für weitere Infos! Marcus Ahlm.

THW-Neuzgang Marcus Ahlm spricht im großen Zebra-Interview über sein erstes Jahr in Kiel, die Meisterschaftsaussichten und den Kampf am Kreis
Zebra:
Marcus, bist Du selbst ein wenig überrascht, dass sich die neue Mannschaft des THW Kiel so schnell gefunden hat und Ihr bereits in Eurer ersten Saison um drei Titel mitspielt?
Marcus Ahlm:
Ja, das bin ich. Denn man konnte nicht damit rechnen, dass sich das neue Team so schnell finden würde. Zwar habe ich von Anfang an gedacht, dass wir viele sehr gute Individualisten in unseren Reihen haben. Trotzdem weiß man nie, ob es auch gemeinsam klappt. Die guten Ergebnisse der vergangenen Wochen sind schon sehr erfreulich, doch von unserem Spiel her kann es noch besser werden. Denn alle können sich noch weiterentwickeln, der Prozess ist noch längst nicht zuende.
Zebra:
Gibt es eine Erklärung, dass es ausgerechnet nach der Europameisterschaft, bei der gleich zehn Kieler Spieler zusätzliche Kräfte gelassen haben, so gut läuft?
Marcus Ahlm:
Ich habe keine. Im Februar lief es spielerisch allerdings nicht viel besser als schon im Dezember, nur unsere Ergebnisse waren einfach besser. Es hängt auch immer ein bisschen von Zufälligkeiten ab.
Zebra:
Macht sich angesichts der guten Ausgangslage in den drei Wettbewerbe kurz vor dem Saison-Ende allmählich Final-Stimmung breit?
Marcus Ahlm:
Jeder fühlt, dass es langsam aber sicher um alles geht. Das Spiel zuhause gegen den TBV Lemgo zum Beispiel war ein sehr bedeutsames Spiel. Nur zum Ende der Saison wird es immer deutlicher, dass gerade solch ein Spiel besonders wichtig ist. Allerdings gibt es in jedem Spiel zwei Punkte zu gewinnen, die am Ende zählen. Und je näher das Saison-Ende rückt, desto schwieriger wird es auch gegen die ums Überleben kämpfenden Abstiegskandidaten zu gewinnen. Oben wie unten in der Tabelle steigt die Spannung.
Zebra:
In drei Tagen könnte es bei der SG Flensburg-Handewitt zu einem echten "Endspiel" kommen.
Marcus Ahlm:
Dieses Spiel ist natürlich wichtig, aber beide Klubs müssen noch gegen eine Menge anderer Mannschaften spielen. Deswegen weiß ich nicht, ob ausgerechnet dieses eine Spiel entscheidend ist. Vielmehr sind es wohl solche Spiele wie im Dezember bei Wallau - ich hoffe, diese Niederlage wird uns am Ende nicht zuviel schaden. Noch haben jedenfalls die ersten fünf Teams der Bundesliga Chancen auf eine Top-Drei-Platzierung.
Zebra:
Zeigt Flensburg wieder Nerven?
Marcus Ahlm:
Selbst wenn man wie ich neu in der Bundesliga ist, hat man vorher natürlich schon vom "ewigen Zweiten" gehört. Doch auch wenn es gerade im Champions League-Halbfinale gegen Magdeburg so aussah, als ob die SG wieder Nerven zeigen würde, waren meiner Meinung nach in der Vergangenheit auch ziemlich viele Zufälligkeiten daran schuld, dass die Flensburger bislang noch nie Meister geworden sind. Natürlich ist es komisch, wenn eine Mannschaft solch ein wichtiges Spiel wie gegen Magdeburg zuhause mit zehn Toren gewinnt und dann auswärts kurz vor Schluss mit elf Toren zurückliegt. Warum - keine Ahnung. Wir können allerdings nur versuchen, unsere eigenen Spiele zu gewinnen. Darauf sollten wir uns konzentrieren und nicht nach Flensburg schauen.
Zebra:
Nordderbys haben seit Ewigkeiten ihren ganz eigenen Reiz. Du wirst am Sonnabend das erste Mal selbst in der Campushalle spielen. Ein besonderes Spiel?
Marcus Ahlm:
Obwohl ich erst seit einem Jahr in Kiel spiele, ist das kommende ein besonderes Spiel für mich. Man spürt eine ganz andere Atmosphäre. Geografische Nähe ist immer interessant, dort spielen viele Dänen, hier viele Schweden. Die Rivalität wird auf beiden Seiten immer bleiben. Schon im Hinspiel war es äußerst eng und die Stimmung außergewöhnlich.
Zebra:
Hast Du schon realisiert, was Du bereits in Deiner ersten Bundesliga-Saison alles erreichen kannst?
Marcus Ahlm:
Bei so vielen Spielen bleibt während der Saison nicht viel Zeit zum Nachdenken. Auf ein Top-Spiel folgt auch schon das nächste, es gibt immer neue Aufgaben. Natürlich sieht es gut für uns aus. Wir stehen im Endspiel und dem EHF-Pokal, im Final Four und in der Liga sind wir auch gut dabei, was unser Ziel "Champions League" angeht.
Zebra:
Und wenn Du doch mal Zeit findest?
Marcus Ahlm:
Dann denke ich, dass wir bislang alle sehr zufrieden sind. Aber eigentlich haben wir derzeit noch nichts Zählbares erreicht.
Zebra:
Welcher Titel wäre Dir am liebsten?
Marcus Ahlm:
Alle! Aber der Meistertitel wäre sicher am wertvollsten, denn diese Auszeichnung für eine ganze Saison ist immer riesengroß zu bewerten. Das Final Four wird in dieser Besetzung natürlich auch eine ganz große Nummer, alle vier Teilnehmer stehen unter den Top fünf der Bundesliga. Der Champions League-Titel wäre im nächsten Jahr wohl der größte Titel...
Zebra:
Sprecht ihr innerhalb der Mannschaft von Titeln?
Marcus Ahlm:
Nein. Unser Ziel war und ist ein Champions League-Platz. Aber selbstverständlich wollen wir in jedem Spiel siegen, auch wenn niemand je alle Spiele gewinnen wird. Doch diese Einstellung sollte jede Mannschaft haben. Und wenn man schon in einem Endspiel steht, will man natürlich erst recht gewinnen.
Zebra:
Wenn der THW Kiel am Ende dieser Bundesliga-Serie auf Platz zwei landen würde, wären also alle zufrieden?
Marcus Ahlm:
Wir könnten es wohl sein, aber damit wäre man wohl nie zufrieden. Zweiter zu sein, ist immer schlimm. Manchmal ist da sogar besser Dritter zu werden. In einem Pokal-Wettbewerb Zweiter zu sein, ist noch schlimmer als in der Liga.
Zebra:
Wann ist diese Saison erfolgreich?
Marcus Ahlm:
Wenn wir gute Voraussetzungen für die kommende Saison geschaffen haben. das gilt sowohl in sportlicher, als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Mit Titeln wird es natürlich einfacher.
Zebra:
Du musstest über ein Jahr darauf warten, ehe Du zum THW Kiel wechseln konntest. Dein alter Klub IFK Ystad gab Dich nicht vorzeitig frei. Ein verlorenes Jahr?
Marcus Ahlm:
Darüber denke ich nicht mehr viel nach. Dieses Theater habe ich hinter mir gelassen.
Zebra:
Hattest Du in diesem Jahr überhaupt noch Lust auf Handball?
Marcus Ahlm:
Ich hatte stets das Ziel THW Kiel vor Augen. Ich wäre derjenige gewesen, der verloren hätte, wenn ich nicht versucht hätte, mich weiter zu entwickeln.
Zebra:
Beschreibe Dich bitte einmal selbst.
Marcus Ahlm:
Ich denke, ich bin ein sehr ehrgeiziger Typ mit hohen Zielen, ich möchte große Titel gewinnen. Und wenn man die Chance bekommt, in solch einem Verein wie dem THW Kiel zu spielen, dann will man auch ganz nach oben. Doch man muss dabei realistisch sein. Wichtig ist, dass man stetig daran denkt, sich zu verbessern. Wenn man zufrieden mit sich selbst ist, dann ist es ganz schnell vorbei. Bessere Voraussetzungen sich zu entwickeln als in Kiel, kann man als Handballer nicht haben.
Zebra:
Als Kreisläufer stehst Du in jedem Spiel dort, wo man viel einstecken muss...
Marcus Ahlm:
Ich bin heiß auf Siege. Während des Spiels kennt man keine Schmerzen.
Zebra:
... und zahlt in der Abwehr zurück?
Marcus Ahlm:
... manchmal. Aber darin bin ich noch nicht so gut, das muss ich deutlich verbessern (lacht).
Zebra:
Gleich bei Deinem ersten Bundesliga-Auftritt in der Ostseehalle sahst Du die Rote Karte.
Marcus Ahlm:
Gegen Essen war es ziemlich eng und ich habe drei Zeitstrafen kassiert. Ich wusste, dass die Bundesliga härter ist als die schwedische Liga - und habe gleich versucht mitzuspielen. Manchmal bekommt man ein Zwei-Minuten-Strafe einfach auch deswegen, weil man zu spät in eine Situation hineingeht. Wenn Du gut stehst, dann darfst Du als Abwehrspieler im Handball ziemlich viel tun. Das war damals wohl eine Mischung aus Unerfahrenheit und dem Wunsch, ein bisschen härter zu spielen.
Zebra:
Und jeder wusste gleich, Marcus Ahlm ist ein harter Brocken...
Marcus Ahlm:
Das war wohl nicht meine Absicht. Aber ich lerne dazu . Und nach einer Weile hat man auch die Schiedsrichter ein bisschen besser kennengelernt, kann sich unterhalten und die ein oder andere Situation diskutieren. Gute Schiedsrichter merkt man gar nicht und gute Abwehrspieler umgekehrt genauso.
Zebra:
Trotz der Roten Karte zum Auftakt läuft Deine Einstands-Saison fast nach Maß, oder?
Marcus Ahlm:
Die Saison ist noch nicht zuende und noch haben wir auch nichts gewonnen.
Zebra:
Trotzdem an dieser Stelle eine erste Zwischenbilanz. Wie fällt diese aus Sicht von Marcus Ahlm aus?
Marcus Ahlm:
Sportlich läuft es natürlich klasse. Aber auch abseits des Handballparketts fühlen meine Freundin Karin und ich uns in Kiel äußerst wohl. Wir haben viele neue Eindrücke gewonnen, eine neue Sprache erlernt - kurzum: ein Jahr voller positiver Lebenserfahrung. Wenn man viel erlebt, lernt man bescheiden zu sein. Ich hoffe, dass ich es auch vorher schon war, jetzt wird es mir jedoch noch deutlicher. Durch diesen Wechsel haben wir eine weitere tolle Möglichkeit bekommen, uns als Menschen weiter zu entwickeln. Und für diese Chance kann man nur dankbar sein.
(Das Gespräch führte Sascha Klahn, living sports. Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra".)


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