THW-Logo
19.10.2004 Nationalmannschaften

Schwedens neuer Coach feiert heute Premiere - Interview mit Ingemar Linell

Mit Linell startet der Neubeginn

Aus dem offiziellen Programmheft zum Länderspiel:

Premiere und Abschied in der Ostseehalle. Magnus Wislander (40) und Staffan Olsson (40) werden nach nahezu zwei Jahrzehnten zum letzten Mal ihre blau-gelben Trikots überstreifen und damit Schwedens bislang erfolgreichste Handball-Ära endgültig besiegeln. 1990 noch überraschend Weltmeister geworden und 1999 ein zweites Mal Gold, dazu vier Europameistertitel (1994, 1998, 2000, 2002), sowie drei olympische-Silbermedaillen (1994, 1996, 2000) - mehr als das vergangene Jahrzehnt dominierten die "Bengaboys" den Welthandball. Nationaltrainer Bengt Johansson garantierte Spaß an der Nationalmannschaft. Zuletzt verging den Schweden allein beim Blick auf die Endklassements der WM 2003 (13. Platz) und EM 2004 (8. Platz) das Lachen. Die Olympia-Qualifikation war verpasst, der große Traum vom noch fehlenden Gold für die "alten Schweden" um Wislander und Olsson ausgeträumt.
Schweden steht vor einem Neuanfang. An Johanssons Stelle, der auf eigenen Wunsch zurücktrat, wird heute Abend Ingemar Linell erstmals auf dem Trainerstuhl Platz nehmen. Vor seinem Debüt sprach Sascha Klahn mit Schwedens neuem Coach über das besondere Spiel in der Kieler Ostseehalle und die Zukunft der schwedischen Handball-Nationalmannschaft.
Zebra:
Herr Linell, Ihr erstes Spiel als schwedischer Nationaltrainer steht bevor. Woran denken Sie dabei?
Ingemar Linell:
Es wird sehr interessant, in Kiel zu spielen. Viele unserer Spieler kommen von dort, zum anderen ist die Ostseehalle für ihre einmalige Atmosphäre und ihr fachkundiges Publikum berühmt. Zudem wird diese Begegnung durch den Abschied von Magnus Wislander und Staffan Olsson zu etwas ganz Besonderem - für die Deutschen ist es ja ähnlich - Zeit, etwas Neues zu beginnen. Für uns Schweden ist es wahrscheinlich der allerbeste Ort, um in Deutschland zu spielen.
Zebra:
Und Ihre eigene Premiere rückt in den Hintergrund?
Ingemar Linell:
Natürlich ist dieses Spiel auch für mich etwas Besonderes, aber darüber habe ich bislang nicht sonderlich viel nachgedacht. Irgendwann ist schließlich immer das erste Mal. Der jetzige Zeitpunkt ist eigentlich ziemlich gut, so können wir uns als Mannschaft vor dem anstehenden World Cup, unserer ersten großen Standort-Bestimmung, einmal mehr treffen.
Zebra:
Sie treten ein schweres Erbe an.
Ingemar Linell:
Es ist lustig, so zu denken. Ich habe die Verantwortung dafür übernommen, mit dem schwedischen Handball den Schritt in die Zukunft zu machen. Ich betrachte es jedoch nicht als große Last, Nachfolger von Bengt Johansson zu sein. Er hatte über Jahre hinweg das vielleicht beste Team der Welt. Und das ist ein echter Vorteil: Denn so haben unsere jungen Spieler etwas, zu dem sie aufschauen können. Auch ich kann aus der Vergangenheit, sowie aus meinen Gesprächen mit Bengt Johansson noch eine Menge lernen. Ich schaue deswegen mit einem guten Gefühl in die Zukunft. Natürlich weiß ich, dass jedes Team nach einem Umbruch seine Zeit, vielleicht Jahre braucht, um auf ein solch hohes Niveau zurück zu kommen. Warten wir es ab, wir alle werden jedenfalls unser Bestes geben. Mit der Unterstützung unserer Trainer und Spieler im Rücken bin ich mir sicher, dass wir nach der vergangenen Weltmeisterschaft nun einen Schritt nach vorn machen werden.
Zebra:
Ist in Kiel der Neubeginn für den schwedischen Handball?
Ingemar Linell:
Für beide Mannschaften geht in diesem Spiel eine Ära zu Ende und gleichzeitig beginnt etwas Neues. Natürlich weiß ich noch nicht, welche Erkenntnisse wir am Ende aus diesem Spiel ziehen werden. Aber es ist immer gut, als Mannschaft zusammen zu sein. Das Ergebnis ist zunächst zweitrangig - außerdem fehlen uns in dieser Begegnung einige Spieler aufgrund des Liga-Betriebes in Flensburg, Hamburg oder in Sävehof. Aber es ist immer Zeit für neue Spieler.
Zebra:
Welche Vorstellungen haben Sie für die Zukunft?
Ingemar Linell:
Wir müssen darauf achten, unsere Abwehr wieder zurück zu alter Stärke zu führen. Dafür haben wir bereits zwei Systeme, die 5:1- und die 6:0-Variante erfolgreich getestet. Und darauf aufbauend müssen wir wieder mehr Gegenstöße initiieren. Das erscheint mir im modernen Handball momentan das Allerwichtigste zu sein. Während der vergangenen drei Jahre hat das leider nicht mehr so gut geklappt. Aber wir haben zweifelsohne ein paar gute Systeme, jetzt müssen wir noch ein wenig mehr Tempo und Aggressivität hineinbringen. Und die dritte Sache: Wir brauchen eine neue Hierarchie im Team, neue Spieler werden Verantwortung übernehmen müssen. Große Dinge also, die ihre Zeit brauchen.
Zebra:
Welche Ziele und Erwartungen haben Sie?
Ingemar Linell:
So hoch wie möglich... Aber es gibt schließlich noch mehr Mannschaften außer Schweden, die alle ganz oben stehen wollen. Wenn wir aber die soeben angesprochenen Dinge umsetzen können, werden sich die guten Ergebnisse von allein einstellen. Allerdings möchte ich mich mit Prognosen noch zurückhalten, ich bin ganz neu in meiner Rolle. Nach dem World Cup im November werden wir wissen, wo wir stehen. Den Teamgeist kann ich bereits heute spüren, und die jungen Leute bringen frische Energie, die auch die altgedienten Spieler ansteckt. Es ist aufregend, jetzt zu starten.
(Das Gespräch führte Sascha Klahn, aus dem offiziellen Programmheft zum Länderspiel)


(19.10.2004) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite