Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Lesen Sie heute den zweiten Teil des großen Zebra-Interviews mit
Noka Serdarusic. Darin spricht der heute
55-jährige THW-Coach über seine neue Mannschaft sowie die ungebrochene
Motivation, Titel zu gewinnen, und äußert sich zudem zum Ende seiner
eigenen Trainer-Laufbahn.
Lesen Sie auch
Teil 1 des Serdarusic-Interviews
- Zebra:
-
All Deine Spieler zeigen einen großen Respekt vor der Saisonvorbereitung
und insbesondere den Tagen in der Einöde von Ostfriesland. Jeder war in
diesem Jahr offensichtlich gut vorbereitet auf. Das muss den Trainer
doch mit Genugtuung erfüllen, oder?
- Noka Serdarusic:
-
Die älteren Spieler kommen jedes Jahr auf ein etwas höheres Level,
da sie das Tempo der jüngeren mitgehen. Ich bin gespannt auf
unsere Neuzugänge! Sie alle waren voll fit, da sie ihr eigentliches
Trainingslager schon hinter sich hatten und sich bereits in ihrem
Urlaub in Form brachten. Doch in erster Linie geht es mir um etwas
anderes: Jeder muss wissen, was beim THW Kiel auf ihn zukommt und
was wir gemeinsam vorhaben. Hier in meiner Mannschaft habe ich Jungs,
die bereit sind, alles für den THW Kiel zu geben. Die brauchen
keine Peitsche.
- Zebra:
-
In welcher Rolle siehst Du Dich gegenüber Deiner Mannschaft,
gerade wenn es in dieser Phase darum geht, fünf Neuzugänge
in das Kollektiv zu integrieren? Du sprichst als Einziger die
Muttersprache von Vid Kavticnik
und Nikola Karabatic.
- Noka Serdarusic:
-
Es ist für alle Beteiligten immens wichtig, sich schnell und problemlos
verständigen zu können. Natürlich sind alle Neuen darum bemüht, schnell
deutsch zu lernen. Doch wenn Du als Trainer mehr mit Erklären und
Dolmetschen als mit dem eigentlichen Training beschäftigt bist,
geht das ehrlich gesagt an die Nerven. Das Beherrschen der
deutschen Sprache ist Pflicht für meine Spieler.
- Zebra:
-
Ist der Kontakt untereinander folglich noch ein wenig gehemmt?
- Noka Serdarusic:
-
Nein, das mit Sicherheit nicht. Natürlich sind die Neuen am Anfang
noch sehr schüchtern. Aber normalerweise gehe ich mit den Jungs
um wie mit meinen eigenen Kindern. Zwar sollen sie Respekt haben und
Disziplin an den Tag legen - denn nur dann wissen sie auch, dass
sie auf dem Spielfeld nicht alles machen können, was sie wollen -
doch wir haben auch unseren Spaß miteinander. Nur wenn es ums Arbeiten
geht, da gibt es gar nichts.
- Zebra:
-
Wie beschreibst Du den Charakter Deiner neuen Mannschaft?
- Noka Serdarusic:
-
Es verhält sich wie in einer normalen Ehe: Am Anfang ist man vom anderen
geblendet und alles erscheint rosig. Wenn die erste Euphorie verflogen
ist, erscheint vielleicht einiges in einem anderen Licht. An einer
guten Beziehung arbeitet man immer gemeinsam. Böse Überraschungen
gibt es jedoch leider immer wieder. Es gab in der Vergangenheit
ein paar Fälle, in denen ich sagte: Nimm Deine Tasche, ich will
Dich nie wieder sehen! Ich hoffe, davon bleiben wir
zukünftig verschont.
- Zebra:
-
Noch vor einem Jahr bastelte der THW Kiel an einem Team, "welches langfristig
erfolgreich sein soll". Der Gewinn der Deutschen Meisterschaft 2004/05 war
da noch nicht eingeplant. Wo soll der Weg denn jetzt noch hinführen?
- Noka Serdarusic:
-
Es ist im Sport wie im wahren Leben: Vieles geschieht ungeplant. Wenn diese
Mannschaft jedoch noch sechs bis sieben Jahre zusammen spielt und
lebt, dann bringt das eine zusätzliche Qualität in dieses Team.
Jedes Jahr fünf Neuzugänge zu integrieren, wäre schwere Arbeit.
Nach dem Umbruch der vergangenen Jahre haben wir in Kiel nun
eine tolle Truppe zusammen, die das Zeug hat, ganz groß raus zu
kommen. Ob das auch klappt, kann man nicht absehen, aber das
Potential ist in jedem Fall vorhanden.
- Zebra:
-
Was heißt in diesem Zusammenhang "ganz groß"?
- Noka Serdarusic:
-
Dass man nach dem dritten Deutschen Meistertitel auch beim vierten
Anlauf noch genauso hungrig auf Erfolg ist wie beim ersten Mal.
Dass man auch einmal an den fünf finanziell starken spanischen
Topklubs in der Champions League vorbeiziehen kann. Dass man
von Erfolgen nimmer satt wird. Wenn ich heute ausgiebig und
fürstlich zu Mittag speise, muss ich dann morgen nichts
mehr essen?
- Zebra:
-
Die Zebras sind also wieder hungrig...?
- Noka Serdarusic:
-
Ich sehe meine Aufgabe als Trainer darin, meinen Spielern dieses
Denken einzupflanzen. Und ich denke, das ist mir in der Vergangenheit
immer gut gelungen - sie wollen sich stets aufs Neue beweisen.
Nur ein Beispiel: In der vergangenen Spielzeit gab es beim
Spiel in Minden eine Begebenheit, die für
den unbedingten Kieler Erfolgswillen steht. Vor dem Spiel
war klar, dass Stefan Lövgren zwar spielen,
aber wegen starker Schmerzen im Arm nicht auf das Tor werfen konnte.
Irgendwann merkte auch der Gegner das und ließ ihm viel Freiraum.
Als es kurz vor Schluss unentschieden stand, tat Stefan
es trotzdem... Dieses eine Mal spielte er nicht mehr ab, sondern warf
selbst und erzielte unseren Siegtreffer. Danach brach er vor Schmerzen
fast auf dem Platz zusammen.
- Zebra:
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Wie stolz bist Du auf die meisterhafte Vorstellung Deines Team in
der vergangenen Saison, die im durchaus überraschenden Titelgewinn mündete?
- Noka Serdarusic:
-
Natürlich bin ich sehr stolz, denn ich hätte nie daran geglaubt,
diese Saison mit nur zwei Niederlagen abzuschließen. Es gab deutlich
stärker besetzte Mannschaften als wir es waren. Fast selbstredend
zählt der THW Kiel vom Namen her immer zu den Favoriten, doch ein
Name allein macht noch keine Mannschaft. Was jeder einzelne bei
uns jedoch aus sich herausgeholt hat, war unglaublich. Davor kann
man nur den Hut ziehen.
- Zebra:
-
Woher nimmst Du nach zwölf ungeheuer erfolgreichen Jahren in Kiel mit u.a.
acht Meistertiteln noch diese ungebrochene Motivation
und Deinen Ehrgeiz her?
- Noka Serdarusic:
-
Ich weiß es nicht. Mit 18 Jahren verließ ich Mama und Papa und zog
zum Studium aus, ein Jahr später spielte ich bereits Nationalmannschaft.
Ich habe nie auch nur ein Jahr Pause vom Handball gehabt, dieser
Sport gehört einfach zu meinem Leben. Es gab sicher Phasen,
in denen man sich nach seinem Urlaub fragte, ob es wirklich
schon wieder mit Handball losgehen müsste? In diesem Jahr
allerdings konnte ich es kaum abwarten. Ich bin wirklich
heiß auf den neuen THW.
- Zebra:
-
Was wäre für Dich das Größte?
- Noka Serdarusic:
-
Meine Enkelin zu ihrer Hochzeit zu begleiten.
- Zebra:
-
Wie alt ist sie heute?
- Noka Serdarusic:
-
Sie ist erst sieben Jahre alt.
- Zebra:
-
Wird der stolze Großvater diesen Tag noch als THW-Trainer erleben?
- Noka Serdarusic:
-
Mit Sicherheit werde ich so lange nicht mehr als Trainer tätig sein.
Aber selbst wenn ich als Trainer aufhöre, werde ich dem Handball
immer verbunden bleiben. In Deutschland wird man mit 65 Jahren
in Rente geschickt. Doch so lange werde ich nicht mehr arbeiten.
Mit 60 Jahren bin ich kein Trainer mehr.
Lesen Sie auch
Teil 1 des Serdarusic-Interviews
(Das Interview führte Sascha Klahn, aus dem
offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)