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17.09.2005 Interview

Zebra: Der "Meistermacher" - Serdarusic-Interview Teil 2

THW-Trainer Noka Serdarusic im großen ZEBRA-Interview (Teil 2 von 2)

In seinem 13. Trainerjahr beim THW: Noka Serdarusic
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Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Lesen Sie heute den zweiten Teil des großen Zebra-Interviews mit Noka Serdarusic. Darin spricht der heute 55-jährige THW-Coach über seine neue Mannschaft sowie die ungebrochene Motivation, Titel zu gewinnen, und äußert sich zudem zum Ende seiner eigenen Trainer-Laufbahn.
Lesen Sie auch Teil 1 des Serdarusic-Interviews
Zebra:
All Deine Spieler zeigen einen großen Respekt vor der Saisonvorbereitung und insbesondere den Tagen in der Einöde von Ostfriesland. Jeder war in diesem Jahr offensichtlich gut vorbereitet auf. Das muss den Trainer doch mit Genugtuung erfüllen, oder?
Noka Serdarusic:
Die älteren Spieler kommen jedes Jahr auf ein etwas höheres Level, da sie das Tempo der jüngeren mitgehen. Ich bin gespannt auf unsere Neuzugänge! Sie alle waren voll fit, da sie ihr eigentliches Trainingslager schon hinter sich hatten und sich bereits in ihrem Urlaub in Form brachten. Doch in erster Linie geht es mir um etwas anderes: Jeder muss wissen, was beim THW Kiel auf ihn zukommt und was wir gemeinsam vorhaben. Hier in meiner Mannschaft habe ich Jungs, die bereit sind, alles für den THW Kiel zu geben. Die brauchen keine Peitsche.
Zebra:
In welcher Rolle siehst Du Dich gegenüber Deiner Mannschaft, gerade wenn es in dieser Phase darum geht, fünf Neuzugänge in das Kollektiv zu integrieren? Du sprichst als Einziger die Muttersprache von Vid Kavticnik und Nikola Karabatic.
Noka Serdarusic:
Es ist für alle Beteiligten immens wichtig, sich schnell und problemlos verständigen zu können. Natürlich sind alle Neuen darum bemüht, schnell deutsch zu lernen. Doch wenn Du als Trainer mehr mit Erklären und Dolmetschen als mit dem eigentlichen Training beschäftigt bist, geht das ehrlich gesagt an die Nerven. Das Beherrschen der deutschen Sprache ist Pflicht für meine Spieler.
Zebra:
Ist der Kontakt untereinander folglich noch ein wenig gehemmt?
Noka Serdarusic:
Nein, das mit Sicherheit nicht. Natürlich sind die Neuen am Anfang noch sehr schüchtern. Aber normalerweise gehe ich mit den Jungs um wie mit meinen eigenen Kindern. Zwar sollen sie Respekt haben und Disziplin an den Tag legen - denn nur dann wissen sie auch, dass sie auf dem Spielfeld nicht alles machen können, was sie wollen - doch wir haben auch unseren Spaß miteinander. Nur wenn es ums Arbeiten geht, da gibt es gar nichts.
Zebra:
Wie beschreibst Du den Charakter Deiner neuen Mannschaft?
Noka Serdarusic:
Es verhält sich wie in einer normalen Ehe: Am Anfang ist man vom anderen geblendet und alles erscheint rosig. Wenn die erste Euphorie verflogen ist, erscheint vielleicht einiges in einem anderen Licht. An einer guten Beziehung arbeitet man immer gemeinsam. Böse Überraschungen gibt es jedoch leider immer wieder. Es gab in der Vergangenheit ein paar Fälle, in denen ich sagte: Nimm Deine Tasche, ich will Dich nie wieder sehen! Ich hoffe, davon bleiben wir zukünftig verschont.
Zebra:
Noch vor einem Jahr bastelte der THW Kiel an einem Team, "welches langfristig erfolgreich sein soll". Der Gewinn der Deutschen Meisterschaft 2004/05 war da noch nicht eingeplant. Wo soll der Weg denn jetzt noch hinführen?
Noka Serdarusic:
Es ist im Sport wie im wahren Leben: Vieles geschieht ungeplant. Wenn diese Mannschaft jedoch noch sechs bis sieben Jahre zusammen spielt und lebt, dann bringt das eine zusätzliche Qualität in dieses Team. Jedes Jahr fünf Neuzugänge zu integrieren, wäre schwere Arbeit. Nach dem Umbruch der vergangenen Jahre haben wir in Kiel nun eine tolle Truppe zusammen, die das Zeug hat, ganz groß raus zu kommen. Ob das auch klappt, kann man nicht absehen, aber das Potential ist in jedem Fall vorhanden.
Zebra:
Was heißt in diesem Zusammenhang "ganz groß"?
Noka Serdarusic:
Dass man nach dem dritten Deutschen Meistertitel auch beim vierten Anlauf noch genauso hungrig auf Erfolg ist wie beim ersten Mal. Dass man auch einmal an den fünf finanziell starken spanischen Topklubs in der Champions League vorbeiziehen kann. Dass man von Erfolgen nimmer satt wird. Wenn ich heute ausgiebig und fürstlich zu Mittag speise, muss ich dann morgen nichts mehr essen?
Zebra:
Die Zebras sind also wieder hungrig...?
Noka Serdarusic:
Ich sehe meine Aufgabe als Trainer darin, meinen Spielern dieses Denken einzupflanzen. Und ich denke, das ist mir in der Vergangenheit immer gut gelungen - sie wollen sich stets aufs Neue beweisen. Nur ein Beispiel: In der vergangenen Spielzeit gab es beim Spiel in Minden eine Begebenheit, die für den unbedingten Kieler Erfolgswillen steht. Vor dem Spiel war klar, dass Stefan Lövgren zwar spielen, aber wegen starker Schmerzen im Arm nicht auf das Tor werfen konnte. Irgendwann merkte auch der Gegner das und ließ ihm viel Freiraum. Als es kurz vor Schluss unentschieden stand, tat Stefan es trotzdem... Dieses eine Mal spielte er nicht mehr ab, sondern warf selbst und erzielte unseren Siegtreffer. Danach brach er vor Schmerzen fast auf dem Platz zusammen.
Zebra:
Wie stolz bist Du auf die meisterhafte Vorstellung Deines Team in der vergangenen Saison, die im durchaus überraschenden Titelgewinn mündete?
Noka Serdarusic:
Natürlich bin ich sehr stolz, denn ich hätte nie daran geglaubt, diese Saison mit nur zwei Niederlagen abzuschließen. Es gab deutlich stärker besetzte Mannschaften als wir es waren. Fast selbstredend zählt der THW Kiel vom Namen her immer zu den Favoriten, doch ein Name allein macht noch keine Mannschaft. Was jeder einzelne bei uns jedoch aus sich herausgeholt hat, war unglaublich. Davor kann man nur den Hut ziehen.
Zebra:
Woher nimmst Du nach zwölf ungeheuer erfolgreichen Jahren in Kiel mit u.a. acht Meistertiteln noch diese ungebrochene Motivation und Deinen Ehrgeiz her?
Noka Serdarusic:
Ich weiß es nicht. Mit 18 Jahren verließ ich Mama und Papa und zog zum Studium aus, ein Jahr später spielte ich bereits Nationalmannschaft. Ich habe nie auch nur ein Jahr Pause vom Handball gehabt, dieser Sport gehört einfach zu meinem Leben. Es gab sicher Phasen, in denen man sich nach seinem Urlaub fragte, ob es wirklich schon wieder mit Handball losgehen müsste? In diesem Jahr allerdings konnte ich es kaum abwarten. Ich bin wirklich heiß auf den neuen THW.
Zebra:
Was wäre für Dich das Größte?
Noka Serdarusic:
Meine Enkelin zu ihrer Hochzeit zu begleiten.
Zebra:
Wie alt ist sie heute?
Noka Serdarusic:
Sie ist erst sieben Jahre alt.
Zebra:
Wird der stolze Großvater diesen Tag noch als THW-Trainer erleben?
Noka Serdarusic:
Mit Sicherheit werde ich so lange nicht mehr als Trainer tätig sein. Aber selbst wenn ich als Trainer aufhöre, werde ich dem Handball immer verbunden bleiben. In Deutschland wird man mit 65 Jahren in Rente geschickt. Doch so lange werde ich nicht mehr arbeiten. Mit 60 Jahren bin ich kein Trainer mehr.
Lesen Sie auch Teil 1 des Serdarusic-Interviews

(Das Interview führte Sascha Klahn, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)


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