THW-Logo
21.12.2005 Bundesliga / Medien

Spiele der Superlative - Hanning: "Wir weichen von unserer Sportart ab"

Von Olaf Nolden, © 2005 www.handball-world.com:

War das ein denkwürdiger Handballabend. Das DSF berichtete in einer Livekonferenz von zwei Orten, an denen Historisches sich vollzog. Das unfassbare Begräbnis des einst ruhmreichen SC Magdeburg, die Reifeprüfung des VfL Gummersbach und ein Spiel, in dem gleich vier Rekorde aufgestellt wurden. Eine perfekte Inszenierung vor dem Gipfeltreffen in Köln zwischen Gummersbach und Kiel am 27. Dezember.
"Ab einem bestimmten Zeitpunkt war es nicht mehr möglich, die Tore mitzuschreiben", sagte Schiedsrichter Thorsten Zacharias nach dem Spiel in Kiel und scherzte: "Das war ein Super-Konditionstraining." Zacharias und sein Kollege Dang hatten an diesem Abend kein Problem mit der Partie, gaben in den ersten 20 Minuten ihre Linie vor und mussten fortan kaum noch eingreifen. "Das war jedoch das schwierigste an diesem Spiel: sich nicht einzumischen", konstatierte der Schiedsrichter. "Regeltechnisch hätte man hie und da sicher noch einiges machen können, aber das wäre ja Humbug gewesen."

Und so gratulierten nach dem Spiel beide Trainer dem Schiedsrichtergespann, die ein temporeiches Spiel ermöglichten. Kiels Erfolgstrainer Noka Serdarusic zeigte sich positiv überrascht über den Zustand seiner Mannschaft, in der in in einer unglaublich kurzen Zeit fünf Leistungsträger neu integriert wurden. "Zu Beginn der Saison hatten wir ja noch mit Problemen zu kämpfen. Kim Andersson hat einen Riesenschritt nach vorne gemacht, und Szilagyi ist ein Powermann, ein ganz anderer Spielmachertyp als Lövgren."

Demonstration von Athletik
"Das war eine Demonstration von Athletik gepaart mit Leidenschaft", staunte Bob Hanning über die Spielweise des THW und war maßlos enttäuscht vom SC Magdeburg. "Nach dem 25:28 war es aus SCM-Sicht wie ein schlechter Film. Der Auftritt war einer Spitzenmannschaft nicht würdig." Allerdings gibt Hanning auch zu bedenken, dass die vielen Tore nicht nur positiv sind. "Wir weichen von unserer Sportart ab, es gehen Grundelemente verloren." Man müsse sich langsam fragen, wo man eigentlich hinwolle, denn "das Spiel 6 gegen 6 macht Handball eigentlich aus, geht bei der Tempohatz aber völlig unter."

Davon wollte man in Kiel erstmal nichts wissen. "Solch einen Abend wie heute darf und muss man genießen", fand Serdarusic, dem insbesondere gefiel, dass seine Spieler bis zum Ende das Tempo hochhielten. "Ich hatte das Gefühl, nur in der Abwehr gestanden zu haben", meinte Marcus Ahlm. "Das ging vorne einfach rasend schnell."

In Magdeburg war die Enttäuschung ob des peinlichen Debakels hingegen riesengroß. "Das Team hat sich aufgegeben", sagte ein konsternierter Alfred Gislason, der angesichts seines längst in Gummersbach unterschriebenen Vertrages ab 2007 nun befürchtet, noch weniger Rückhalt zu haben. "Mein Freundeskreis in Magdeburg wird sich durch dieses Resultat nicht eben vergrößert haben."

Flensburg am Ende ohne Kraft
Die Gunst der Stunde nutzte der VfL Gummersbach, der dank der Magdeburger Niederlage und des eigenen Sieges in Flensburg nun die Champions League fest buchen kann. Mit einer engagierten und besonnenen Leistung gewannen die Oberbergischen gegen eine Flensburger Mannschaft, die den Personalsorgen insbesondere in der Abwehr Tribut zollen musste. "Johnny Jensen ist die wichtigste Verpflichtung von Thorsten Storm gewesen, sein Fehlen machte sich deutlich bemerkbar", befand Bob Hanning. Neben Jensen mussten auch Michael V. Knudsen und Dan Beutler passen. "Wenn wir eine komplette Mannschaft gehabt hätten, wären die Punkte in Flensburg geblieben", zeigte sich Thorsten Storm überzeugt. So musste er erkennen, das Gummersbach die bessere Mannschaft war. "Die Mannschaft hat Charakter gezeigt und super gekämpft. Flensburg hat 27 Monate zuhause nicht verloren, das ist ein großartiges Ergebnis für uns", sagte Gummersbachs Trainer Velimir Kljaic mit einem schelmischen Grinsen. Er hat es geschafft, seine Mannschaft nach dem Debakel in Magdeburg wieder aufzurichten und geht nun gestärkt in das Gipfeltreffen gegen Kiel in einer Woche. "Hut ab vor dieser Leistung", zollte Deutschlands Chef-Kommentator Bob Hanning dem VfL großen Respekt, "mit dieser Leistung haben sie eine Chance gegen den THW."

Uwe Schwenker sieht das ähnlich. "Heute war es ein beeindruckendes und tolles Spiel, nun gilt es, die Leistung in der Köln Arena zu bestätigen. Dort erwartet uns ein anderes Spiel vor über 19000 Zuschauern. Noch haben wir nichts gewonnen." Aber die eigene Stärke eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Dass das DSF sich zu einer Livekonferenz von beiden Spielen entschied, erwies sich als völlig richtig, denn es wäre bedauerlich gewesen, nicht von beiden Spielen Bilder zu empfangen. Dass nur 600.000 Zuschauer dies sehen wollten, dämpft da ein wenig die Freude. Aber der zeitgleich im ZDF übertragene DFB-Pokal der Rasenkünstler zog mehr. Über sechs Millionen schalteten zum Fußball. "Dagegen kommt Handball nicht an", hieß es heute im DSF. Trotzdem war die Einschaltquote die bisher zweitbeste der laufenden Saison.

(Von Olaf Nolden, © 2005 www.handball-world.com)


(21.12.2005) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite