Von Olaf Nolden, © 2005 www.handball-world.com:
War das ein denkwürdiger Handballabend. Das DSF berichtete in einer
Livekonferenz von zwei Orten, an denen Historisches sich vollzog. Das
unfassbare
Begräbnis des einst ruhmreichen SC Magdeburg, die Reifeprüfung
des VfL Gummersbach und ein Spiel, in dem gleich vier Rekorde aufgestellt
wurden. Eine perfekte Inszenierung vor dem Gipfeltreffen in Köln zwischen
Gummersbach und Kiel am 27. Dezember.
"Ab einem bestimmten Zeitpunkt war es nicht mehr möglich, die Tore
mitzuschreiben", sagte Schiedsrichter Thorsten Zacharias nach dem Spiel in
Kiel und scherzte: "Das war ein Super-Konditionstraining." Zacharias und
sein Kollege Dang hatten an diesem Abend kein Problem mit der Partie, gaben
in den ersten 20 Minuten ihre Linie vor und mussten fortan kaum noch
eingreifen. "Das war jedoch das schwierigste an diesem Spiel: sich nicht
einzumischen", konstatierte der Schiedsrichter. "Regeltechnisch hätte man
hie und da sicher noch einiges machen können, aber das wäre ja Humbug
gewesen."
Und so gratulierten nach dem Spiel beide Trainer dem Schiedsrichtergespann,
die ein temporeiches Spiel ermöglichten. Kiels Erfolgstrainer Noka
Serdarusic zeigte sich positiv überrascht über den Zustand seiner
Mannschaft, in der in in einer unglaublich kurzen Zeit fünf Leistungsträger
neu integriert wurden. "Zu Beginn der Saison hatten wir ja noch mit
Problemen zu kämpfen. Kim Andersson hat einen Riesenschritt nach vorne
gemacht, und Szilagyi ist ein Powermann,
ein ganz anderer Spielmachertyp als
Lövgren."
Demonstration von Athletik
"Das war eine Demonstration von Athletik gepaart mit Leidenschaft", staunte
Bob Hanning über die Spielweise des THW und war maßlos enttäuscht vom SC
Magdeburg. "Nach dem 25:28 war es aus SCM-Sicht wie ein schlechter Film. Der
Auftritt war einer Spitzenmannschaft nicht würdig." Allerdings gibt Hanning
auch zu bedenken, dass die vielen Tore nicht nur positiv sind. "Wir weichen
von unserer Sportart ab, es gehen Grundelemente verloren." Man müsse sich
langsam fragen, wo man eigentlich hinwolle, denn "das Spiel 6 gegen 6 macht
Handball eigentlich aus, geht bei der Tempohatz aber völlig unter."
Davon wollte man in Kiel erstmal nichts wissen. "Solch einen Abend wie heute
darf und muss man genießen", fand Serdarusic, dem insbesondere gefiel, dass
seine Spieler bis zum Ende das Tempo hochhielten. "Ich hatte das Gefühl, nur
in der Abwehr gestanden zu haben", meinte Marcus Ahlm. "Das ging vorne
einfach rasend schnell."
In Magdeburg war die Enttäuschung ob des peinlichen Debakels hingegen
riesengroß. "Das Team hat sich aufgegeben", sagte ein konsternierter
Alfred Gislason, der angesichts seines längst in Gummersbach unterschriebenen
Vertrages ab 2007 nun befürchtet, noch weniger Rückhalt zu haben. "Mein
Freundeskreis in Magdeburg wird sich durch dieses Resultat nicht eben
vergrößert haben."
Flensburg am Ende ohne Kraft
Die Gunst der Stunde nutzte der VfL Gummersbach, der dank der Magdeburger
Niederlage und des eigenen Sieges in Flensburg nun die Champions League fest
buchen kann. Mit einer engagierten und besonnenen Leistung gewannen die
Oberbergischen gegen eine Flensburger Mannschaft, die den Personalsorgen
insbesondere in der Abwehr Tribut zollen musste. "Johnny Jensen ist die
wichtigste Verpflichtung von Thorsten Storm gewesen, sein Fehlen machte sich
deutlich bemerkbar", befand Bob Hanning. Neben Jensen mussten auch Michael
V. Knudsen und Dan Beutler passen. "Wenn wir eine komplette Mannschaft
gehabt hätten, wären die Punkte in Flensburg geblieben", zeigte sich
Thorsten Storm überzeugt. So musste er erkennen, das Gummersbach die bessere
Mannschaft war. "Die Mannschaft hat Charakter gezeigt und super gekämpft.
Flensburg hat 27 Monate zuhause nicht verloren, das ist ein großartiges
Ergebnis für uns", sagte Gummersbachs Trainer Velimir Kljaic mit einem
schelmischen Grinsen. Er hat es geschafft, seine Mannschaft nach dem Debakel
in Magdeburg wieder aufzurichten und geht nun gestärkt in das Gipfeltreffen
gegen Kiel in einer Woche. "Hut ab vor dieser Leistung", zollte Deutschlands
Chef-Kommentator Bob Hanning dem VfL großen Respekt, "mit dieser Leistung
haben sie eine Chance gegen den THW."
Uwe Schwenker sieht das ähnlich. "Heute war es ein beeindruckendes und
tolles Spiel, nun gilt es, die Leistung in der Köln Arena zu bestätigen.
Dort erwartet uns ein anderes Spiel vor über 19000 Zuschauern. Noch haben
wir nichts gewonnen." Aber die eigene Stärke eindrucksvoll unter Beweis
gestellt.
Dass das DSF sich zu einer Livekonferenz von beiden Spielen entschied,
erwies sich als völlig richtig, denn es wäre bedauerlich gewesen, nicht von
beiden Spielen Bilder zu empfangen. Dass nur 600.000 Zuschauer dies sehen
wollten, dämpft da ein wenig die Freude. Aber der zeitgleich im ZDF
übertragene DFB-Pokal der Rasenkünstler zog mehr. Über sechs Millionen
schalteten zum Fußball. "Dagegen kommt Handball nicht an", hieß es heute im
DSF. Trotzdem war die Einschaltquote die bisher zweitbeste der laufenden
Saison.
(Von Olaf Nolden, © 2005 www.handball-world.com)