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20./21.12.2005 - Letzte Aktualisierung: 21.12.2005 Bundesliga

THW schreibt Handball-Geschichte beim 54:34 gegen Magdeburg

Erstmals 50-Tore-Marke geknackt

Bundesliga, 16. Spieltag: 20.12.2005, Di., 20.00: THW Kiel - SC Magdeburg: 54:34 (24:19)
Update #4 Spielbericht der KN, Stimmen, Fotos, Spielbericht und Statistik ergänzt...

Nikola Karabatic zieht ab.
Klicken Sie zum Vergrößern! Nikola Karabatic zieht ab.
Ein schöneres Weihnachtsgeschenk konnten die Spieler vom THW Kiel ihren Fans in der Ostseehalle wohl kaum machen: Nachdem der Tabellenvierte SC Magdeburg 36 Minuten lang mithielt, brannten die Zebras ein wahres Handball-Feuerwerk ab und schossen die Bördeländer in einer denkwürdigen Partie mit 54:34 (24:19) ab - erstmals fiel die 50-Tore-Marke in der Handball-Bundesliga, 88 Treffer in einem Spiel gab es zuvor auch noch nie. Bester Torschütze bei den Kielern war erneut Nikola Karabatic mit 12/4 Treffern.
Dabei sah es anfänglich gar nicht nach einem hohen Gala-Sieg für den THW aus. Zwar brachte Kim Andersson mit einem 98 km/h-Geschoss die Gastgeber in Führung, doch Renato Vugrinec konterte mit seinen zwei Treffern zur ersten SCM-Führung. Die Führung wechselte in der Anfangsphase ständig, da beide Teams nervös wirkten und auch beste Chancen ungenutzt ließen - Lundström und der starke Vugrinec scheiterten gar mit Tempo-Gegenstößen. Silvio Heinevetter im Magdeburger Tor wurde zudem von Szilagyi und Karabatic warmgeworfen, so dass die Gäste bis zur 15. Minute mehr als auf Tuchfühlung waren. Sigurdsson erzielte gar das 9:8 für die Bördeländer - es sollte die letzte Gladiators-Führung bleiben. Nachdem Gezegorz Tkaczyk bereits in der 17. Minute seine zweite Strafzeit aufgebrummt bekam, nutzte dies der THW eiskalt aus und ging durch Tore vom quirligen Kavticnik und Marcus Ahlm mit 12:10 in Front.

Marcus Ahlm setzt sich durch.
Klicken Sie zum Vergrößern! Marcus Ahlm setzt sich durch.
Das Spiel nahm nun immer mehr an Fahrt auf, die Torhüter bekamen nun keinerlei Möglichkeiten mehr, sich auszuzeichnen: Nachdem Christian Sprenger schön eingelaufen war und auf 12:13 verkürzte, kamen die Zebras erstmals in Galaform: Innerhalb von 5 Minuten zogen die Gastgeber auf 21:14 davon. Drei Treffer in Folge brachten den SCM zwar in der Schlussphase noch einmal auf 23:19 heran, doch ein Hüftwurf vom immer stärker werdenden Nikola Karabatic, der aus 16 Metern in letzter Sekunde ins nun von Johannes Bitter gehütete Tor einschlug, bedeutete die 5-Tore-Halbzeitführung.

Viktor Szilagyi setzt zum Sprungwurf an, Sigfus Sigurdsson versucht den Österreicher zu stoppen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Viktor Szilagyi setzt zum Sprungwurf an, Sigfus Sigurdsson versucht den Österreicher zu stoppen.
Nach der Pause ging das muntere Torewerfen weiter - zunächst noch auf beiden Seiten. Magdeburg entdeckte dabei kurzzeitig eine Schwachstelle in der Kieler Deckung, lud Sigfus Sigurdsson zum wiederholten Torewerfen ein und verkürzte so gar auf 28:25 (36.). Doch nun spielte sich der THW endgültig in einen Rausch: Kavticnik, Karabatic, Andersson und Szilagyi trafen nun aus allen Lagen, die Abwehr stand nun auch wieder sattelfest gegen immer unruhiger werdende Magdeburger. Und wenn dann doch mal ein Ball an der Kieler Abwehr vorbeikam, stand ein nun an die starke Leistung vom Lemgo-Spiel anknüpfender Mattias Andersson hellwach auf der Linie. Über 31:25 und 35:26 - nach drei Tempo-Gegenstößen in Folge - wurden die Bördeländer nun an die Wand gezaubert gegen Zebras, die bei ihren Angriffen immer mehr in die Trickkiste griffen. Trainer Alfred Gislason hatte wie die gesamte Mannschaft längst resigniert, trotzdem nahm er beim Spielstand von 40:29 für die Zebras eine Auszeit und gab der brodelnden Ostseehalle die Gelegenheit zu Standing Ovations. "Wir wollen die 50 sehen" wurde skandiert - bei verbleibenden 13 Spielminuten und dem rasanten Tempo-Handball der Kieler durchaus realistisch.

Viktor Szilagyi reißt die geballten Fäuste in die Höhe und  schreit seine Freude über den historischen Sieg heraus.
Klicken Sie zum Vergrößern! Viktor Szilagyi reißt die geballten Fäuste in die Höhe und schreit seine Freude über den historischen Sieg heraus.
Dem THW gelang nun alles, erhöhte gar nach Wiederanpfiff auf 44:29. Nachdem Mattias Andersson von einem Wurf von Christian Sprenger unglücklich am Kopf getroffen wurde, kam Henning Fritz zum Einsatz, der sich mit zwei gehaltenen Siebenmetern glänzend einführte und auch sonst in großer Form präsentierte. Trainer Noka Serdarusic brachte nun auch die Rekonvaleszenten Christian Zeitz und Stefan Lövgren sowie Adrian Wagner und Pelle Linders - dem Kieler Spielfluss schadete dies aber keinesfalls. Wunderschöne Spielzüge, schwindelerregender Tempo-Handball, spektakuläre Kempa-Tricks und ein herrlicher Dreher von Christian Zeitz, der damit den 50. THW-Treffer in der 56. Spielminute erzielte - ein Novum in der Handball-Bundesliga.

Am Ende wurde der SCM mit 54:34 regelrecht gedemütigt, was dem THW die vorzeitige Herbstmeisterschaft einbrachte. Denn im gleichzeitig stattfindenden Spiel von Flensburg gegen Gummersbach verlor die SG ihren zwei Jahre währenden Heimnimbus. Die Heimniederlage des Meister von 2004 wurde vom Flensburger Publikum mit "Schieber, Schieber"-Rufen quittiert, doch Gummersbach hatte verdient mit 34:32 (17:17) gewonnen. Der VfL zeigte in der Campushalle eine famose Leistung, ließ sich auch durch einen zwei Tore-Rückstand in der zweiten Halbzeit nicht aus der Ruhe bringen und führte zwei Minuten vor Schluss sogar mit 34:30.

(Sascha Krokowski)

Hier geht's zu weiteren Fotos vom Spiel...

Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten sowie den Artikel "Spiele der Superlative" von www.handball-world.com.

Aus kiel4kiel.de:

Zebras im Handballrausch - Demütigung für Magdeburg

40 Minuten lang schien das Spitzenspiel der Bundesliga zwischen Tabellenführer THW Kiel und dem viertplatzierten SC Magdeburg eine ganz normale Handballpartie zu sein. Doch dann berauschten sich die Kieler Zebras an ihrem eigenen Spiel und schrieben beim für die Gäste demütigenden 54:34 (24:19) - Erfolg Geschichte: Noch nie wurden in einer Bundesliga-Partie zuvor ingesamt 88 Tore erzielt und noch nie gelangen einem Team in der Bundesliga 54 eigene Treffer in einem Spiel. Noch Minuten nach der Partie feierten 10250 euphorische Fans die Zebras.

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Stimmen zum Spiel:

THW-Trainer Noka Serdarusic:
Ich freue mich über die Leistung meiner Jungs. Jetzt wissen sie, wie es sich anfühlt, wenn man richtig Gas gibt. Für mich war der Zeitraum von der 30. bis 45. Minute der beste Handballteil des Abend, weil Magdeburg da richtig gegenhielt aber kein Mittel gegen unseren Angriff fand. Ich bin selbst überrascht über die rasante Entwicklung des Teams in den letzten Wochen. Zu Beginn der Saison hatten wir ja noch mit Problemen zu kämpfen. Kim Andersson hat einen Riesenschritt nach vorne gemacht, und Szilagyi ist ein Powermann, ein ganz anderer Spielmachertyp als Lövgren.

Solch einen Abend wie heute darf und muss man genießen. Allerdings werden wir dies nicht lange tun, schon morgen gilt unsere ganze Aufmerksamkeit dem Gummersbach-Spiel. Schließlich wollen wir auch in der KölnArena zeigen, zu welchem Spiel wir in der Lage sind. Aber eines muss allen klar sein: Gewonnen haben wir noch nichts.

SCM-Trainer Alfred Gislason:
Ich bin von den letzten 20 Minuten sehr enttäuscht. Wir waren zuvor bis auf drei Treffer an den THW herangerückt, haben dann viele technische Fehler gemacht. Dann hat sich das Team aufgegeben. Der Kieler Sieg ist auch in dieser Höhe hochverdient. Allerdings ist es bitter zu sehen, dass einigen Spielern es völlig egal zu sein schien, dass wir hier untergehen. Die Diskussionen um meine Person interessieren mich nicht. Ich weiß aber auch, dass sich mein Freundeskreis in Magdeburg durch dieses Resultat nicht eben vergrößert hat.
THW-Manager Uwe Schwenker:
Direkt nach dem Spiel erhielt ich schon Glückwunsche per SMS. Darin liegt aber auch eine Gefahr, denn jedes Spiel muss erst einmal gespielt werden. Unsere Aufgabe ist es deshalb, die Füße auf dem Boden zu behalten. Wir haben schwere Aufgaben vor uns. Heute war es ein beeindruckendes und tolles Spiel, nun gilt es, die Leistung in der KölnArena zu bestätigen. Dort erwartet uns aber ein anderes Spiel vor über 19000 Zuschauern. Noch haben wir nichts gewonnen, am Ende einer Saison zählen nur die Titel. Es ist schön zu wissen, dass andere Vereine den THW hinter sich lassen müssen, wenn sie einen Titel gewinnen wollen.
DSF-Kommentator Bob Hanning:
Man kann von "abschlachten" sprechen. Heute sind die Champions League-Plätze endgültig verteilt worden. Der THW hat überragend und über 60 Minuten konzentriert gespielt. Von Magdeburg bin ich maßlos enttäuscht.
Gummersbach-Spieler Frank von Behren, der zeitgleich mit seinem VfL in Flensburg mit 34:32 gewann und auf den der THW am 27.12. in Köln trifft:
Vom Kieler Ergebnis bin ich platt. Die spielen einen unglaublich schnellen Ball und eine schnelle Mitte, darauf müssen wir uns einstellen. Das juckt die gar nicht, wenn die 34 Tore kassieren, die schießen ja immer mindestens 40. Die haben jetzt mit 20 Toren gewonnen, das ist schon unglaublich, aber sie kochen auch nur mit Wasser.

Lesen Sie auch Zwei Minuten: Die THW-Kolumne nach dem Spieltag mit Noka Serdarusic.

16. Spieltag: 20.12.05, Di., 20.00: THW Kiel - SC Magdeburg: 54:34 (24:19)

Logo THW Kiel:
Fritz (49.-60. Minute und 3 Siebenmeter, 8 Paraden), M.Andersson (1.-49. Minute, 14 Paraden); Linders (3), K. Andersson (7), Lundström (4), Kavticnik (9), Hagen, Lövgren, Wagner (3), Ahlm (8), Szilagyi (7), Zeitz (1), Karabatic (12/4); Trainer: Serdarusic
Logo SC Magdeburg:
Bitter (22.-47. Minute und 55.-60. Minute, 4 Paraden), Heinevetter (9 Paraden); Roggisch, Tkaczyk (7/4), Bielecki (5), Sprenger (3), Theuerkauf (3), Stiebler, Grafenhorst (1), Atlason, Abati (3/1), Kuleschow, Vugrinec (7), Sigurdsson (5); Trainer: Gislason
Schiedsrichter:
Matthias Dang / Thorsten Zacharias (Mainz)
Zeitstrafen:
THW: 2 (Szilagyi (29.), K. Andersson (42.));
Magdeburg: 5 (2x Tkaczyk (12., 17.), Sprenger (22.), Sigurdsson (27.), Roggisch (55.))
Siebenmeter:
THW: 4/4;
Magdeburg: 7/5 (Fritz hält Tkaczyk (50.) und Abati (54.))
Spielfilm:
1. Hz.: 1:0, 1:2, 3:2, 3:4, 5:4, 5:5, 7:5, 7:7 (11.), 8:9 (15.), 11:9, 12:10, 13:12, 15:12 (21.), 18:13, 21:14 (25.), 23:16, 23:19, 24:19;
2. Hz.: 24:20, 26:20, 27:21, 27:23, 28:25 (36.), 31:25, 31:26, 35:26 (43.), 36:28, 37:29, 44:29 (50.), 47:30, 49:32, 51:32, 54:34.
Zuschauer:
10250 (ausverkauft) (Ostseehalle, Kiel)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 21.12.2005:

THW im Handball-Rausch

Deutscher Meister stellte beim sensationellen 54:34 gegen Magdeburg gleich zwei Bundesliga-Rekorde ein
Viktor Szilagyi und Nikola Karabatic waren kaum zu stoppen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Viktor Szilagyi und Nikola Karabatic waren kaum zu stoppen.
Kiel - Unglaublich. Was für ein unfassbares Spiel. Mit 54:34 (24:19) fegte der THW Kiel gestern Abend den SC Magdeburg aus der Halle. Ein deutscher Meister in überragender Form band vor 10 250 Zuschauern eine große Schleife um die Ostseehalle und machte sich selbst das schönste Weihnachtsgeschenk.

Bis zum 28:25 (36.) konnte der SC Magdeburg mithalten. Dann landete ein abgeblockter Ball glücklich bei Vid Kavticnik, der Slowene machte eines seiner neun Tore, und die schwarz-weiße Nacht konnte beginnen. Erstmals in der Bundesliga-Geschichte warf eine Mannschaft mehr als 50 Tore. Erstmals fielen in einem Spiel 88 Tore - es war ein Abend der Rekorde.

Die Zuschauer feierten die letzten Minuten im Stehen, die La-Ola-Welle flutete durch die Reihen und in der Magdeburger Fankurve wurden Taschentücher gereicht. Bittere Tränen weinten die Anhänger der "Gladiators", die noch am Sonnabend den VfL Gummersbach (38:28) verspeisten. Richtig. Eben jenen VfL, der gestern Abend in Flensburg gewann. Unglaublich.

Was in den letzten 20 Minuten aussah wie Concordia Delitzsch, war tatsächlich der Champions-League-Sieger des Jahres 2002. Doch gegen eine Kieler Mannschaft, die sich im sechsten Gang in einen Rausch spielte, zerbröselte die Weltauswahl in kleine Teilchen. Da fiel Grzegorz Tkaczyk der Ball auf den Fuß, Renatro Vugrinec stolperte über seine Beine, und ein völlig konsternierter Torhüter Johannes Bitter spielte den Kieler Frode Hagen an.

Beim Stand vom 40:29 (45.) holte ein wütender Coach Alfred Gislason seine kopflosen Schützlinge von der Platte. Doch seine Ansprache, mit hochrotem Kopf vorgetragen, erreichte die Seinen nicht mehr. Widerstandslos wurden sie nun zu einem Spielball eines THW Kiel, der nur noch ein Ziel vor Augen hatte - die 50-Tore-Marke sollte fallen. Obwohl Noka Serdarusic nun den ganzen Kader an diesem Fest teilhaben ließ, riss der Faden nicht ab. "Ich freue mich für meine Mannschaft", lobte der THW-Trainer. "Sie hat heute erlebt, was passieren kann, wenn sie einmal richtig Gas gibt."

Überschwänglich begrüßten die Zuschauer Christian Zeitz und Stefan Lövgren, die erstmals nach ihren Verletzungspausen wieder mitspielten. Einen warmen Applaus gab es für Torhüter Henning Fritz, der mit gemischten Gefühlen zwischen den Pfosten stand: "Ich als Magdeburger hätte es schöner gefunden, wenn es eine andere Mannschaft getroffen hätte." Der Welthandballer kam für den starken Mattias Andersson, der einen Wurf von Christoph Theuerkauf zwischen die Augen bekam. Bis dahin hatte der 27-jährige Schwede einmal mehr mit starken Reflexen den Grundstein für diesen denkwürdigen Sieg gelegt.

Eine Viertelstunde brauchten die "jungen Wilden" in der Zebraherde, um den ersten Übermut abzulegen. Doch dann nahmen die Hausherren um den zwölffachen Torschützen Nikola Karabatic Fahrt auf. Tore fielen nun im Sekundentakt. Eines schöner als das andere. "Ich hatte das Gefühl, nur in der Abwehr gestanden zu haben", meinte Marcus Ahlm. "Das ging vorne einfach rasend schnell."

Nikola Karabatic hatte einmal mehr allen Grund zum Jubeln.
Klicken Sie zum Vergrößern! Nikola Karabatic hatte einmal mehr allen Grund zum Jubeln.
Bärenstark erneut Viktor Szilagyi, der innerhalb von 25 Sekunden den Weg zur klaren Pausen-Führung ebnete. Erst tippte er den Ball im Ferrari-Tempo über das ganze Feld und traf zum 16:13. Dann spielte er sehenswert Ahlm an, der seinen 105 Kilogramm-Körper mit der Leichtigkeit eines Tänzers um den bulligen Sigfus Sigurdsson herumwand - 17:13. Schließlich warf sich Szilagyi in einen Angriff der Magdeburger, eroberte den Ball, bediente Karabatic, und der ließ mit dem 18:13 die Halle zum ersten Mal aus den Nähten platzen. Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein.

Kiel pulverisiert Magdeburg, Gummersbach gewinnt in Flensburg - am Dienstag treffen die beiden Sieger in der mit knapp 20 000 Zuschauern ausverkauften Kölnarena aufeinander, das DSF überträgt live - Handball-Herz, was willst Du mehr?

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 21.12.2005)


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