Der THW Kiel ist in der Handball-Bundesliga weiterhin voll
auf Kurs. Am Samstag Nachmittag gewannen die Zebras einen
dramatischen Schlagabtausch beim TBV Lemgo mit 36:34 (12:15). Dabei
steigerten sich die Kieler nach der Halbzeit in einen wahren Spielrausch,
vor allem
Nikola Karabatic mit zehn Toren und
Mattias Andersson mit insgesamt 22 Paraden
drehten nach dem 12:15-Pausenrückstand die Partie.
Dass es ein schwerer Gang werden würde, war bereits nach nur vier Minuten klar.
Zu diesem Zeitpunkt führte der TBV bereits mit 5:1 und sowohl
Lundström als auch
Kavticnik
waren per Siebenmeter am überragenden Carsten Lichtlein im TBV-Tor gescheitert.
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In der ersten Halbzeit machte Nationaltorhüter Carsten Lichtlein
dem THW zu schaffen.
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Am Ende der ersten Hälfte hatte dieser noch zwei weitere Strafwürfe von
Karabatic und
Hagen
entschärft sowie mit acht weiteren Paraden die Kieler Angreifer entnervt. Da
aber auch
Mattias Andersson im Kieler Tor einen guten
Tag erwischt hatte, blieb der THW immer in Reichweite, obwohl Christian
Schwarzer eine Weltklasse-Leistung zeigte: Gleich acht Mal traf der ehemalige
National-Kreisläufer vor dem Pausenpfiff ins Kieler Gehäuse, ließ sich auch
im Unterzahl-Spiel nicht beirren und stellte die THW-Abwehr vor große
Probleme. Die Zebra-Offensive hatte hingegen nicht nur mit Lichtlein, sondern
auch mit der hart zupackenden Lemgoer Abwehr zu kämpfen. Lediglich
Marcus Ahlm gelang es häufig, den TBV-Abwehrriegel
zu durchbrechen. Dennoch: Nach dem 5:5 (11.) blieben die Gastgeber stets in
Führung, mit mehr als drei Toren Vorsprung konnten sie indes nicht enteilen.
Mit einem 12:15-Rückstand gingen die Zebras dann auch in die Kabinen.
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Die drei sicher verwandelten Siebenmeter von Stefan
Lövgren
sorgten für den Umschwung.
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Ausgeglichen begannen die zweiten 30 Minuten. Als
Hagen
in Unterzahl zum 15:17 traf, blies der THW zur Aufholjagd. Großen Anteil daran
hatte auch
Stefan Lövgren: Der THW-Kapitän übernahm
nun die Bürde der Strafwürfe, sicher verwandelte er alle drei Versuche und trug
so zur "Entzauberung" Carsten Lichtleins bei, der nicht mehr an die tolle Vorstellung
der ersten Hälfte anknüpfen konnte. Auf der Gegenseite steigerte sich
Mattias Andersson. Der Kieler Torhüter entschärfte
reihenweise Bälle, nach Kehrmanns 19:17 (38.) gelang dem TBV drei Minuten kein
Torerfolg mehr. Da das Spiel nun immer rasanter wurde, nutzten die Kieler diese
relativ kurze Phase, um erstmals in Führung zu gehen.
Karabatic,
zweimal
Lövgren per Siebenmeter und
Kavticnik
per Tempogegenstoß kippten den Spielverlauf, denn urplötzlich führte der THW mit
21:19 (41.).
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Nikola Karabatic zeigte mit seinen
zehn Toren einmal mehr, wie wertvoll er für den THW ist.
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Lemgo ließ sich jedoch zu keiner Zeit abschütteln, beim 23:24 waren
die Lipperländer wieder dran. Die Zebras reagierten darauf im Stile einer absoluten
Spitzenmannschaft, erhöhten erneut das Tempo und hatten in
Karabatic
einen treffsicheren Rückraumschützen. Trotzdem glich die Partie nun einem Auf und Ab, der
THW zog zum Teil mit fünf Treffern davon, doch Lemgo kam immer wieder zurück. Nach
Ahlms Tempogegenstoß zum 30:25 (50.) schienen die Punkte
endgültig in Richtung Kiel abzuwandern. Doch der treffsichere
Jicha, Christophersen
und Binder verkürzten auf 28:30 (52.).
Dann folgte die unglaubliche 54. Minute, die als
Musterbeispiel für modernen Tempohandball in jedem Lehrfilm auftauchen könnte.
Szilagyi eröffnete mit dem 32:28 den Torreigen, wegen
Reklamierens musste Lundström im Anschluss an diesen
Tempogegenstoß für zwei Minuten auf die Bank. Gleich in der ersten seiner
"Strafminuten" konnte er vier Tore bestaunen. Sebastian Preiß
mit seinem einzigen Torerfolg, Jicha und Ramota trafen für den TBV, Ahlm
für die Zebras. Beim 33:31 aus Sicht der Kieler war fünf Minuten vor dem Ende
aber immer noch nichts entschieden.
Nun kam die große Zeit des
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Jubel beim THW nach dem hart erkämpften Sieg in Lemgo.
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Mattias Andersson: Der THW-Torhüter parierte gegen Binder,
Jicha, Kehrmann und Stephan. Diese Steilvorlagen nutzten seine
Mitspieler. Zwar konnte Kehrmann, der nach einem Zusammenprall mit
Lundström nur unter großen Schmerzen weiter spielen konnte,
beim 33:35 (58.) erneut den Anschluss herstellen, doch
Karabatic
machte mit dem 36:33 endgültig alles klar. Routiniert ließen die Zebras nun die Zeit
verstreichen und freuten sich über eine ganz starke Vorstellung in der zweiten Halbzeit.
Durch den Erfolg verteidigte der THW nicht nur zwei wichtige Punkte im Topspiel, sondern
auch die Tabellenführung. Lange jubeln dürfen die Zebras darüber
allerdings nicht: Bereits am Dienstag folgt mit dem Heimspiel gegen den SC Magdeburg
der nächste "Kracher" im von Highlights dominierten Dezember.
(Christian Robohm)
Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.
Aus kiel4kiel.de:
Mattias Andersson hält den THW auf Kurs - Sieg in Lemgo
Ein bärenstarker Mattias Andersson
sicherte dem THW Kiel den Verbleib an der Tabellenspitze:
Mit 22 Paraden war der schwedische Torhüter maßgeblich
am ersten Bundesliga-Sieg der Zebras in Lemgos Lipperlandhalle
seit über fünf Jahren beteiligt. Nach einer Leistungssteigerung
im zweiten Durchgang, in dem Kapitän Stefan Lövgren
nach zweieinhalbwöchiger Verletzungspause zumindest am Siebenmeterpunkt
sein Comeback gab, gewann der THW letztlich verdient mit 36:34 (12:15)
und schoss den TBV Lemgo somit endgültig aus dem Meisterschaftsrennen.
mehr...
Wir wussten, dass es hier schwer wird. Schon beim Pokalspiel
konnten wir sehen, was uns in Lemgo erwarten würde. Der TBV ist ein
cleveres, eingespieltes Team, das sich blind versteht. Unsere Art ist
es, über 60 Minuten volles Tempo zu gehen. Wir wussten, dass Lemgo
dieses Tempo nicht würde mithalten können. In der ersten Hälfte hatten
sie jedoch das Glück, dass Carsten Lichtlein vier Siebenmeter und
einige hundertprozentige Chancen halten konnte - sonst wären
wir zur Pause bereits in Führung gewesen. 24 Tore in der zweiten
Halbzeit sagen über unser Spiel eigentlich alles aus. Den
Sieg haben wir uns erarbeitet und verdient.
TBV-Spieler Florian Kehrmann:
Ich bin natürlich enttäuscht. Wir hatten uns heute viel vorgenommen,
aber unsere Chancen nicht genutzt, die wir zweifelsohne hatten. Wir
wollten mit einem Sieg versuchen, oben dran zu bleiben, die Niederlage
wirft uns natürlich zurück. In den letzten Wochen haben wir zweimal
gezeigt, dass wir mit Kiel mithalten können - wir haben nur vorne die
Bälle nicht reingemacht.
- TBV Lemgo:
-
Lichtlein (1.-44., 50.-55., 17 Paraden),
Zereike (45.-50., 55.-60., 2 Paraden);
Christophersen (1),
Stephan (2),
Preiß (1),
Schwarzer (10),
Hallgrimsson,
M. Ramota (1),
Zerbe (2),
Kehrmann (7),
Binder (2),
Baur,
Jicha (8);
Trainer: Mudrow
- THW Kiel:
-
Fritz (1 Siebenmetre, 1 Parade),
M. Andersson (1.-60., 22 Paraden);
Linders (n.e.),
K. Andersson (4),
Lundström (2),
Kavticnik (1),
Hagen (2/1),
Lövgren (3/3),
Wagner (n.e.),
Ahlm (7),
Szilagyi (7),
Zeitz (n.e.),
Karabatic (10);
Trainer: Serdarusic
- Schiedsrichter:
-
Fleisch / Rieber (Ostfildern-Vellingen/Nürtingen)
- Zeitstrafen:
-
Lemgo: 5 (2x Stephan (4., 27.), Preiß (26.),
Christophersen (38.), Schwarzer (45.));
THW: 3 (K. Andersson (33.), Szilagyi (45.),
Lundström 54.))
- Siebenmeter:
-
Lemgo: 1/0 (Fritz hält Stephan (10.))
THW: 8/4 (Lichtlein hält Lundström (3.), Kavticnik (4.),
Karabatic (13.) und Hagen (27.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 2:1 (2.), 4:1 (5.), 4:3 (8.), 5:3 (9.), 5:4 (9.), 7:5 (12.), 9:6 (17.), 9:7 (18.), 10:8 (20.), 11:9 (21.), 12:10 (24.), 15:12
2. Hz.: 16:12, 17:14, 18:16 (37.), 19:17 (38.), 19:21 (41.), 22:24 (44.), 23:26 (46.),
25:27 (49.), 25:30 (50.), 28:30 (52.), 28:32 (54.), 31:33 (55.), 31:35 (56.), 33:35 (58.), 34:36
- Zuschauer:
-
5000 (ausverkauft) (Lipperlandhalle, Lemgo)
Aus den Kieler Nachrichten vom 19.12.2005:
Müde Lemgoer hatten die Zukunft zu Gast
Jung und dynamisch: THW brillierte beim 36:34 als Gegenentwurf zum Ex-Meister
Lemgo - Handballmeister THW Kiel nahm am Sonnabend in der
mit 5000 Zuschauern ausverkauften Lipperlandhalle auch die
hohe Auswärtshürde TBV Lemgo. Mit dem 36:34 (12:15)-Sieg
festigten die Zebras ihren Platz an der Tabellenspitze und
sind dank der Gummersbacher 28:38-Niederlage in Magdeburg
alleiniger Spitzenreiter.
14,5 Millionen Euro hat der TBV in seine runderneuerte Heimstätte
gesteckt. Eine Investition in die Zukunft, die viel Glanz
ausstrahlt. Allerdings leiden die Verantwortlichen der Ostwestfalen
unter einem Problem: Die Mannschaft verblasst hinter ihrer
strahlenden Verpackung. Nur drei der letzten 18 Spiele gegen
die so genannten Großen der Liga gingen siegreich aus. So fragten
die Verantwortlichen vor der zur Schlüsselpartie hoch stilisierten
Partie gegen Kiel öffentlich: "Wo gehören wir hin?" Nach der
bitteren Niederlage kann die Antwort nur heißen: Nicht mehr in
den Kreis der heißen Anwärter auf die Champions-League-Ränge.
Die biologische Uhr tickt unaufhörlich, der Stamm des einstigen
"TBV Deutschland" ist schlicht überaltert. Zwar lieferten Stephan,
Schwarzer, Zerbe und Co. dem THW vor den Augen von Bundestrainer
Heiner Brand einen packenden Kampf, trotzten dem Meister auch
eine Drei-Tore-Halbzeitführung ab. Aber als die Entscheidung
eingeläutet wurde und der THW seine Muskeln spielen ließ, blieb
der einstige Lemgoer Handball-Stolz abgekämpft in den Startlöchern
kleben. Manager Fynn Holpert wiegelt noch ab. Man müsse sehen,
wie Gummersbach den schweren Monat Dezember überstehe. "Ist der
VfL nicht so stabil, greifen wir wieder ein." Volker Mudrow nickte
zustimmend, der Blick des TBV-Trainers aber sprach eine andere
Sprache. Er weiß: Der einstige Bundesliga-Platzhirsch hält sich
zurzeit nur an Durchhalteparolen fest.
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Christian Schwarzer traf für den TBV zehn Mal.
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Die Zukunft stand am Sonnabend auf der Gegenseite. Sie ist jung, trug
Schwarz-weiß und packte erneut ihre positiven Tugenden aus. Das
sind Leidenschaft, Athletik gepaart mit Spielkunst und Mut zum
bedingungslosen Tempobolzen. Dass die Niederlage zum Wesen des
Spiels gehört, bekamen die sieggewohnten Kieler trotzdem eine
Halbzeit lang vor Augen geführt. TBV-Torhüter Carsten Lichtlein
war Schuld. Der Nationalspieler legte das Kieler Nervenkostüm mit
vier gehaltenen Siebenmetern in Falten und hielt in den ersten
30 Minuten insgesamt 14 Bälle an. Außerdem setzten Christian
Schwarzer (10 Tore) und Neuzugang Filip
Jicha (8) der THW-Deckung
zu. Die Zebras trafen in der ersten Halbzeit zwölfmal ins Schwarze,
wenig wie lange nicht. "So wie wir bisher in dieser Saison gespielt
haben, war das sehr unverständlich für mich", wunderte sich
Noka Serdarusic.
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Lautstarke Unterstützung: 300 THW-Fans reisten mit nach Lemgo.
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Kiels Trainer und der rund 300-köpfige Anhang wurden in der zweiten
Hälfte mit doppelter Trefferzahl entschädigt. "Wir haben einfach so
weiter gemacht wie zu Beginn, aber unsere Chancen endlich genutzt",
erklärte
Nikola Karabatic. Der Franzose
war mit zehn Toren Speerspitze des wuchtigen und nimmermüden THW-Rückraumes,
Kim Andersson (4) und
Viktor Szilagyi
(7) gönnten der TBV-Abwehr ebenfalls keine ruhige Minute. "Wir gehen
immer volle Pulle, natürlich passieren ein paar Fehler", schnaufte
Kim Andersson, "aber am Ende haben wir die
Nase vorn."
Die Wende erzwangen die Zebras um die 40. Minute, als sie Lemgos 19:17
in die eigene 21:19-Führung drehten. Maßgeblich beteiligt waren Torhüter
Mattias Andersson, der einer starken ersten
Halbzeit eine weltklasse zweite folgen ließ - und
Stefan Lövgren.
Dreimal streifte Kiels Rekonvaleszent seine Trainingsjacke ab, dreimal
setzte er den Ball vom Punkt aus in die Maschen: Kiels Siebenmeterflaute
war begraben, Lemgos Gegenwehr ermattete zusehends, und in der 51. Minute
stand's 30:25. Zwar brachten Unaufmerksamkeiten die Gastgeber noch einmal
auf zwei Tore heran, der Sieg aber geriet nicht mehr ernsthaft in Gefahr.
"Lemgo war fix und fertig", so
Stefan Lövgren.
Eine treffliche Analyse momentaner TBV-Probleme.
(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 19.12.2005)