Aus Sport1:
München/Zürich - Dem Frust nach zehn Toren folgte die Genugtuung mit elf Toren:
Als der Kieler
Nikola Karabatic die Franzosen in Zürich zum ersten EM-Titel
geworfen hatte, registrierte er vor allen Dingen eine Geste seines
überglücklichen Coaches Claude Onesta ganz genau.
"Er kam zu mir und hat Danke gesagt", erzählte der 21-jährige
Karabatic nach dem
31:23 (17:13) im Finale gegen Weltmeister Spanien und hatte noch Onestas
Standpauke der Vorwoche im Ohr.
Pleite in der Vorrunde
Nach der Vorrunden-Pleite gegen die Iberer
(26:29) hatte der eigenwillige
Trainer besonders Torjäger
Karabatic trotz dessen "Zehnerpacks" harsch
kritisiert.
Der vor der Saison aus Montpellier nach Kiel gewechselte 1, 95-m-Rückraumhüne
fühlte sich ungerecht behandelt und gab die Antwort in Form von elf Endspiel-Toren
und einer Trefferquote von 79 Prozent.
Eine Lehrstunde
"
Karabatic hat uns vernichtet, wir haben kein Rezept gegen ihn gefunden", musste
Spaniens Coach Juan Carlos Pastor nach der Lehrstunde anerkennen.
Die französische Sporttageszeitung "L'Equipe" feierte den Erfolg denn auch als
einen Sieg eines "unnachgiebigen Kollektivs mit dem Genie von
Nikola Karabatic".
Fünf Bundesliga-Legionäre
Der hochgelobte Wahl-Norddeutsche, der zusammen mit seinen vier Bundesliga-Kollegen
allein 24 der 31 französischen Finaltreffer erzielte, dachte in der
Stunde des Triumphes aber schon an die Zukunft.
"Ich bin Champions-League-Sieger, ich bin Europameister, jetzt will ich noch
Weltmeister und Olympiasieger werden", erklärte der im serbischen Nisch geborene
Karabatic - und umklammerte in den Katakomben der Stadionhalle die um den Hals
baumelnde Goldmedaille noch eine Spur fester.
Möglichst schon bei der WM 2007 in Deutschland soll der erste der noch fehlenden
beiden Titel folgen.
Onestas erster großer Titel
Zwei Stockwerke höher feierte Onesta seinen ersten großen Titel als Coach der
"Equipe Tricolore" auch dank Matchwinner
Karabatic in vollen Zügen.
"In einer Karriere gibt es nur wenige Momente wie solche. Deswegen muss man sie
bewusst genießen, denn man arbeitet jahrelang dafür", sagte der 48-jährige
Onesta, der nach zwei WM-Bronzemedaillen und dem EM-Coup wieder ein Stück mehr
aus dem Schatten von Trainerlegende Daniel Costantini herausgetreten ist.
Zweimal Weltmeister unter Costantini
Mit Costantini auf der Bank hatte "Les Bleus" unter anderem zwei WM-Titel (1995
und 2001) gewonnen. Nach dem Erfolg von Zürich fühlten sich die französischen
Medien aber wieder "im siebten Himmel Europas" (Courrier de l'Ouest) und
jubelten: "Im Handball sind die Franzosen jetzt die Großen Europas."
Doch der personelle Umbruch nach dem Abgang des früheren Welthandballers Jackson
Richardson ist vollzogen.
Die Zukunft gehört den für ihr Alter schon enorm reifen
Karabatic - mit 40
Treffern die Nummer sechs der EM-Torwerferliste - und Luc Abalo (beide 21) oder
auch Michael Guigou (24).
Ungeachtet ihrer Angriffsfähigkeiten werden sich die Nachwuchsstars aber der
französischen Philosophie sprich der Konzentration auf die Abwehr fügen müssen.
Fundament gelegt
"Wir haben gezeigt, dass man mit diesem System Erfolg haben kann. Darüber bin
ich in Zeiten, in denen Ergebnisse von 40:35 keine Seltenheit sind, sehr
erleichtert", gestand Onesta, während der zum besten EM-Keeper gekürte Thierry
Omeyer mit Blick auf die WM ankündigte:
"Das Fundament für eine goldene Zukunft ist gelegt. Jetzt wollen wir noch mehr."
(Von Michael Schwartz, © 2005 Sport1)