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15.05.2006 Bundesliga / Interview

Sport1-Interview mit Noka Serdarusic: Heute Autohändler, morgen Fischer

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Aus Sport1:

München - Die Meisterschaft scheint nach dem 31. Spieltag entschieden. Titelverteidiger Kiel führt die Liga mit Abstand an, braucht nur noch drei Zähler aus den letzten vier Spielen. Meister-Macher ist Trainer Noka Serdarusic, der zum neunten Mal mit den "Zebras" die Meisterschale gewinnen würde. Gratulieren lassen will sich der Erfolgscoach aber noch nicht. Im Interview mit Sport1.de spricht Serdarusic über die Kieler Dominanz, die beste Mannschaft in Europa und verteidigt Christian Zeitz.
Sport1:
Herr Serdarusic, drei Punkte aus vier Spielen fehlen noch zur Meisterschaft. Darf man schon gratulieren?
Noka Serdarusic:
Nein, warum? Warum kann man nicht einfach Geduld haben und warten, bis es so weit ist? Die Deutschen sind wirklich Weltmeister darin, zu kritisieren oder zu loben.
Sport1:
Bislang hat ihre Mannschaft in 30 Spielen erst vier Punkte abgegeben. Geht es noch besser?
Noka Serdarusic:
Natürlich, wir hätten alle Spiele gewinnen können. Aber solch eine Serie hatte keiner erwartet, da wir fünf Zugänge hatten und drei, vier ständig gespielt haben. Die Experten sagen ja, da braucht man Zeit, bis sich eine Mannschaft findet. Wir haben das Gegenteil bewiesen. Wir haben gezeigt, dass das alles Phrasen sind. Genau das mag ich nicht. Aber deswegen bin ich auch ein schlechter Gesprächspartner für Journalisten. Denn diese Phrasen entsprechen nicht dem Leben.
Sport1:
Sie klingen so, als seien Sie mit der Entwicklung ihres Teams sehr zufrieden.
Noka Serdarusic:
Natürlich. Wir haben schon nach drei, vier Partien tollen Handball geboten. Aber auch die besten Mannschaften machen mal ein schlechtes Spiel. Das passiert auch uns.
Sport1:
Der THW ist also keine Übermannschaft?
Noka Serdarusic:
Nein, wir sind keine Übermannschaft. Wir haben zum Beispiel in Minden verloren. Eine Übermannschaft hätte dort nicht verloren. Wir sind eine gute Mannschaft mit vielen jungen Leuten und Steigerungspotenzial. Wir sind in der Lage, noch besseren Handball zu spielen. Aber wir haben auch schlechte Spiele dabei. Unsere Partie in Wilhelmshaven war eine Zumutung.
Sport1:
Sie sind seit 1993 Trainer beim THW und stehen vor dem neunten Titelgewinn. Ist diese Meisterschaft eine besondere?
Noka Serdarusic:
Jeder Titel ist etwas Besonderes. Alte Titel vergisst man schnell. Denn man arbeitet ja, um Titel zu holen. Das ist wie bei einem Autohändler, der schon die meisten Autos verkauft und das immer noch steigern will. Das ist normal im Leben.
Sport1:
In ihrer Sammlung fehlt noch der Gewinn der Champions League. Ciudad Real hat die Königsklasse in diesem Jahr gewonnen. Ist das auch die beste Mannschaft in Europa?
Noka Serdarusic:
Ich glaube nicht. Denn sie werden ja nicht mal Meister in Spanien. Sie haben das teuerste Team in Europa mit den besten Spielern, aber sie spielen nicht den besten Handball.
Sport1:
Wie meinen Sie das?
Noka Serdarusic:
Attraktiven Handball habe ich von Ciudad Real nicht gesehen. Sie haben gute Leute, die besondere Sachen machen können, aber sie spielen keinen attraktiven Handball.
Sport1:
Anders als der THW?
Noka Serdarusic:
Unsere besten Spiele in dieser Saison waren eine Augenweide für die Zuschauer. Der Handball ist zehn Mal schöner als der von Ciudad Real. Wir gehen immer volles Tempo. Das wollen die Fans sehen. Ein Angriff dauert nicht drei, vier Minuten. Das gibt es bei uns nicht.
Sport1:
Kaum eine Mannschaft hat ein Mittel gefunden gegen den Kieler Handball. Wie würden Sie gegen den THW spielen?
Noka Serdarusic:
Warum sollte ich mir solche Gedanken machen?
Sport1:
Natürlich haben Sie da Recht. Sie sind jetzt 55 Jahre alt. Das Renteneintrittsalter soll auf 67 gesteigert werden in Deutschland. In zwölf Jahren wären noch viele Titel möglich.
Noka Serdarusic:
Daran denke ich nicht. Warum sollte ich mit 60 noch Trainer sein? Ich könnte auch morgen Fischer sein. Ich werde noch drei Jahre lang beim THW auf der Bank sitzen. Aber ich plane nicht die nächsten 1000 Jahre. Ich muss jeden Tag was Neues erleben. Was aber sein wird, da habe ich keine Ahnung.
Sport1:
Könnten Sie sich noch einmal einen Wechsel ins Ausland vorstellen?
Noka Serdarusic:
Wissen Sie, ich lebe seit 20 Jahren in Deutschland und kann die Sprache noch immer nicht perfekt. Ich weiß nicht, ob ich es schaffen würde, noch einmal eine neue Sprache zu lernen. Jünger und frischer wird man nicht mehr. Ich werde in Deutschland bleiben, wenn nichts Besonderes passiert, wenn ich zum Beispiel von Hartz IV leben müsste.
Sport1:
Ein Wort zu Christian Zeitz. Heiner Brand hat sich nach dem Vierländer-Turnier in Paris sehr kritisch über ihn geäußert.
Noka Serdarusic:
Eigentlich möchte ich zu dem Thema gar nichts sagen. Wenn man einen Christian Zeitz in seinen Reihen hat, weiß man, was man an ihm hat. Er ist kein Führungsspieler. Wer anderes sagt, redet Blödsinn. Christian ist ein sympathischer, junger Mann. Man darf ihm nicht Dinge aufbürden, die er nicht tragen kann.
Sport1:
Bei der WM könnte Zeitz ein wichtiger Mann sein. Wie schätzen Sie die Möglichkeiten der deutschen Handball-Nationalmannschaft ein?
Noka Serdarusic:
Wie die der Fußballer.
Sport1:
Also eine gute Außenseiterchance?
Noka Serdarusic:
Das haben sie gesagt.
(Das Gespräch führte Michael Schwartz, © 2006 Sport1)


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