05.09.2006 | Medien |
Das Handball-Magazin. |
Zitat: |
---|
"In Kiel dürfen die Leute auch gern Oh, Meyer sagen."
Thierry Omeyer, dessen Name eigentlich wie Ööhmeejeehr klingen sollte |
"Die Summe war nicht ohne, aber eben auch nicht so hoch, dass der Transfer für uns nicht machbar gewesen wäre", sagt Schwenker. "Wir wollten Thierry so schnell wie möglich." Grund für die Kieler Eile ist der angestrebte Gewinn der Champions League. Für den großen, immer noch unerfüllten Traum wirft der THW alles in die Waagschale. Neunmal waren die Zebras bisher angetreten. Nur einmal, im Jahr 2000, schafften sie es ins Finale, das recht unglücklich gegen den FC Barcelona verloren ging. Sonst pflasterten Enttäuschungen den Weg zu höchsten Weihen. Ein Stachel, der tief sitzt. Vor allem bei Trainer Zvonimir Noka Serdarusic und Schwenker. "Ganz klar", sagt Schwenker, "unser Ziel ist der Gewinn der Champions League. Wir haben endlich die Mannschaft beisammen, die es schaffen kann. Omeyer schließt die vielleicht letzte Lücke."
Ursprünglich hatten die Kieler an eine kleine Zwischenlösung gedacht, weil Dennis Klockmann, die bisherige Nummer drei im Tor, zum Zweitligisten Post SV Schwerin gewechselt war. Die aktuelle Situation habe ihn zum Umdenken gezwungen, erklärt Schwenker. Mattias Andersson (Vertrag bis 2008) spielte zwar eine überragende Saison, zwei Bandscheibenvorfälle machten den Schweden jedoch zu einem Wackelkandidaten. Zudem durchschritt der Welthandballer 2004, Henning Fritz (Vertrag bis 2007), in der letzten Spielzeit ein tiefes Tal. Die Zukunft muss zeigen, ob der 31-Jährige überhaupt zu alter Klasse zurückfinden kann. Schwenker: "Wir haben so viel in unser Team investiert. Da wäre es unprofessionell, sich noch einmal solch ein Torhüterproblem einzuhandeln, wie wir es Ende der abgelaufenen Spielzeit erleben mussten."
Gar nicht begeistert war dagegen Montpelliers sportliche Leitung, die sich wenige Wochen vor Saisonbeginn nach einem neuen Torhüter umsehen musste und in Person des Tunesiers Marouen Maggaiz nur mit Mühe fündig wurde. Schwenker habe sich rüder Cowboymethoden bedient, schimpfte Erfolgstrainer Patrice Canayer, der neben Omeyer mit Andrej Golic, Damien Kabengele (beide RK Zagreb), Laurent Puigsegur (Karriereende) und Bilat Calic (Szeged) weitere Schlüsselspieler verlor. Kiels Manager zeigte Verständnis für die Aufgeregtheiten der Franzosen, konterte aber mit dem Hinweis auf "einen schweren Managerfehler". Die festgelegte Ablösesumme sei schlicht zu niedrig gewesen. "Ein Klub wie Ciudad Real hätte es nicht unter 1,5 Millionen gemacht", sagte Schwenker. "Da wäre niemand auf die Idee gekommen, den Spieler vorzeitig loszueisen."
Telefonisch und per SMS einigte man sich schnell. Omeyer bindet sich für vier Jahre an Kiel, nimmt dafür den Tausch von mediterranem Ambiente gegen das raue Ostseeklima in Kauf. "Kein Problem", sagt er. "Kiel ist schließlich mein Wunschverein. Das entschädigt mich allemal." Ehefrau Laurence (30) und Tochter Manon (4) begleiten Omeyer. Den Vertrag verhandelte und unterschrieb er medienwirksam am Mittelmeerstrand vor den Toren Montpelliers, anschließend stießen alle Beteiligten im Garten von Karabatic' Eltern mit Champagner auf die gemeinsame Zukunft an.
Omeyer ist Kiels Wunschkandidat. Der im Elsass geborene 152-malige Nationalspieler spricht leidlich Deutsch, hat an der Seite seines alten und jetzt neuen Teamkollegen Nikola Karabatic bereits Erfahrungen mit dem Gewinn der Champions League 2003 und fügte im Februar mit exzellenten Leistungen die Europameisterschaft hinzu. Dabei wurde er in der Schweiz zur besten Fachkraft zwischen den Pfosten gewählt. Schwenker weiß um die herausragende Eigenschaft seines künftigen Mitarbeiters: "Thierry hat in vielen Endspielen bewiesen, dass er mit Druck umgehen kann." Zum weiteren Karriereplan des Franzosen zählt selbstverständlich der nochmalige Gewinn der Champions League. "Das ist ein großes Ziel. Ich will den Pott auch im Kieler Trikot gewinnen." Gelingt das Vorhaben, hätte sich die größte Investition in der Vereinsgeschichte ausgezahlt.
Warum aber Kiel, und nicht Barcelona, das nur zwei Autostunden von Montpellier entfernt liegt? Schließlich lockte auch ein Angebot vom großen FC. Er habe nicht lange überlegen müssen, sagt Omeyer. "Kiel und die Bundesliga gelten als die größte Herausforderung. Immer vor 10000 Zuschauern zu spielen, ist ein Traum. Außerdem sind Spiele in Hallen mit Kapazitäten von 20000 wie in Köln oder 14000 in Kronau riesig." In Frankreich seien das jedoch zumeist Trauerspiele. Normal kämen dort zwischen 300 und 1000 Fans. "Der Handball lebt nur in der Bundesliga wirklich", sagt Omeyer. Der Franzose steht bald voll in diesem Leben.
(Von Reimer Plöhn, Aus dem "Handball-Magazin")
Meister Kiel startete also mit drei Klasse-Torhütern in die neue Spielzeit, und Manager Uwe Schwenker erwartet, "dass Andersson und Fritz die Herausforderung annehmen werden". Der Verein werde sich jedenfalls an die gültigen Verträge halten. Wem Trainer Serdarusic letztlich den Vorzug geben wird, muss indes die Praxis zeigen.
Neu ist diese Situation für den THW nicht, denn in der Spielzeit 2002/03 hatte sich eine ähnliche Konstellation ergeben. Aus dem zu jenem Zeitpunkt besten Bundesliga-Duo Fritz/Andersson wurde vor der Saison ein Trio, weil der Norweger Steinar Ege nach einjähriger Rekonvaleszenz (Knorpelglättung und Beinbegradigung) wieder zum Kader stieß.
Der Begriff vom Kieler Luxusproblem auf der Torhüterposition machte die Runde. Allerdings schrumpfte der Dreikampf um die beiden Plätze im Team schon bald zu einem Zweikampf. Serdarusic setzte auf Fritz und Andersson, Ege fand sich immer öfter auf der Tribüne wieder. Im Oktober 2002 gab es dann erste Gespräche über eine Vertragsauflösung, im November unterschrieb der Norweger beim spanischen Erstliga-Klub CBM Galdar einen Ein-Jahres-Vertrag. Ege flüchtete nach Gran Canaria und nahm das Luxusproblem im Reisegepäck gleich mit.
(Von Reimer Plöhn, Aus dem "Handball-Magazin")
(05.09.2006) | Ihre Meinung im Fan-Forum? |