THW-Logo
15.11.2006 Bundesliga

Zebra: Liga am Stock

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Ganz Deutschland freut sich auf die Handball-Weltmeisterschaft im eigenen Land (19. Januar bis 4. Februar 2007), doch exakt 64 Tage vorher geht die heimische Bundesliga der Männer am Stock. Selten waren die Lazarette voller und die Auswechselbänke leerer als in dieser Saison. Nirgends auf der Welt ist die Belastung für einen Handballer höher als in der vermeintlich stärksten Liga der Welt - wer Nationalspieler ist und in einem der Topklubs wie dem THW Kiel spielt, kommt nicht selten auf rund 100 Spiele pro Jahr. Die zumutbare Belastungsgrenze ist längst überschritten.
Allein drei von 15 THW-Spielern waren am vergangenen Mittwoch in der Bundesliga-Partie gegen die MT Melsungen außer Gefecht gesetzt, Nikola Karabatic stand einen Tag vor einer Ellenbogen-Operation (freie Gelenkkörpchen) nur für den Notfall parat und eine ganze Reihe weiterer Akteure waren angeschlagen. "Wenn das so weiter geht, dann haben wir bald mehr Torhüter auf der Bank als Feldspieler", sagte Vid Kavticnik und flüchtete sich in Galgenhumor. Der Slowene selbst saß nach einem bei der Nationalmannschaft erlittenen Bänderriss und einer Knochen-Korpel-Stauchung draußen und musste ebenso wie seine Mannschaftsgefährten Viktor Szilagyi (Kreuzbandriss)und Lars Krogh Jeppesen (erneuter Rippenbruch) zuschauen - Trainer Noka Serdarusic verblieben nach Abzug von drei Torhütern mit Karabatic gerade einmal neun Feldspieler, wobei Moritz Weltgen bis dato noch nicht einen Bundesliga-Einsatz absolviert hatte.

"Zum Glück lief es so gut bei uns, dass ich gar nicht mehr spielen musste", sagte Karabatic nach dem ungefährdeten 43:22-Erfolg erleichtert, während die medizinische Abteilung und der Trainer noch über einen passenden Operationstermin diskutierten. "Wir wissen nicht, wie lange Nikola ausfallen wird", zeigte sich Kiels Manager Uwe Schwenker geschockt, "aber es werden mit Sicherheit mehrere Wochen sein." Einen weiteren Transfer schloss er hingegen weiter kategorisch aus: "Das liegt nicht nur am Geld, momentan ist einfach kein Spieler auf dem Markt, der uns schnell weiter helfen könnte." So muss der THW Kiel derzeit ohne einen etatmäßigen halblinken Rückraumspieler auskommen. "Wir sind in dieser Saison wirklich vom Pech verfolgt", meint Kavtinik, "aber immerhin sprechen unsere bisher gezeigten Leistungen für die Mannschaft. Jetzt bleibt zu hoffen, dass bis zum Dezember viele von uns wieder gesund sind. Denn dann erwartet uns ein Hammer-Programm."

Eine Hoffnung, die auch viele andere Vereine hegen. Denn wer im Dezember schlecht spielt, könnte angesichts einer ganzen Reihe von bevorstehenden Spitzenspielen zum Jahresabschluss schnell den Anschluss verlieren und dann das Nachsehen haben. So muss beispielsweise auch der Vizemeister Flensburg in den kommenden Monaten definitiv auf seinen deutschen Nationalspieler Frank von Behren (Kreuzbandriss) verzichten und bangt ebenso um Kapitän Sören Stryger (Kreuzbandanriss) oder Blazenko Lackovic (Nasenbeinbruch). Der HSV Hamburg läuft in den nächsten Wochen ohne seinen Star Pascal Hens (Muskelfaserriss) auf und die SG Kronau/Östringen muss derweil ohne sein Zugpferd Oleg Velyky (Lymphknoten) auskommen.

Angesichts der Vielzahl an Ausfällen ist auch Bundestrainer Heiner Brand langsam, aber sicher ins Schwitzen gekommen. Auch er hält die Belastungen wie etwa jüngst beim World Cup mit fünf Spielen in sechs Tagen für zu viel. Spieler und Vereine fordern längst eine Reduzierung der internationalen Termine. "So ein Turnier mitten in der Saison ist einfach unmöglich. Fast alle Spieler, die nach Kiel und Flensburg zurück gekommen sind, hatten irgendeine Verletzung", berichtete Lars Krogh Jeppesen gegenüber den Kieler Nachrichten. "So ein Cup entscheidet am Ende über die Deutsche Meisterschaft. Der französische Verband hat für dieses Turnier abgesagt, weil ihm die Belastung für die eigene Mannschaft zu hoch schien. Davor ziehe ich meinen Hut. Fünf Spiele in sechs Tagen - das ist einfach unglaublich. Das gäbe es in keiner anderen Sportart. Und nur bei uns ist es möglich, dass sich dagegen keiner wehrt." Unter den Spieler-Kollegen sei man sich eigentlich einig, dass die Belastung zu hoch ist. "Aber als Einzelner ist es schwierig, schließlich willst du ja für dein Land spielen. Sagst du ab, spielt eben ein anderer. Gerade in Dänemark gibt es genug Alternativen. Aber vielleicht müssen wir mehr machen, als nur zu reden. Schließlich wissen alle, dass wir ein Problem haben. Vielleicht ist es für uns Spieler nun an der Zeit, den nächsten Schritt zu machen." Man stelle sich nur vor, die Weltmeisterschaft findet ohne die Stars der Handball-Szene statt.

(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)


(15.11.2006) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite