Unter der Woche krachte es mächtig im Gebälk der MT Melsungen. Am Ende musste
der bekannteste Spieler der Hessen, Olympiasieger Goran Sprem, gehen. Am Mittwoch
dann präsentierte sich das Viel-Nationen-Team in der Kieler Ostseehalle nicht als Einheit und ermöglichte
dem THW einen nie gefährdeten 43:22 (21:10)-Erfolg. Bester Werfer
im Zebra-Dress war
Henrik Lundström mit 9/3 Toren.
Vor dem Spiel bereits hatten die Zebras die nächste Hiobsbotschaft zu verkraften. Nach
Viktor Szilagyi,
Vid Kavticnik
und
Lars Krogh Jeppesen, dem im Länderspiel gegen Polen
erneut eine Rippe brach, musste auch noch
Nikola Karabatic passen - mit ihm fällt nun auch
der letzte etatmäßige Halblinke des THW langfristig aus. Am Donnerstag wird
Karabatic am Ellenbogen des rechten Wurfarmes operiert,
es müssen freie Gelenkkörperchen entfernt werden. "Wir wissen nicht, wie lange
Nikola ausfallen wird", zeigte sich Kiels Manager
Uwe Schwenker geschockt, "aber es werden mit Sicherheit
mehrere Wochen sein." Einen weiteren Transfer schloss er hingegen weiter kategorisch aus:
"Das liegt nicht nur am Geld, momentan ist kein Spieler auf dem Markt, der uns
schnell weiter helfen könnte" (siehe
Extrabericht zur Verletztensituation).
 |
Dominik Klein (acht Tore) läuft bei einem Tempogegenstoß auf
und davon und vollendet mit einem Sprungwurf.
|
Angesichts dieser fatalen Meldungen geriet das Spiel fast zur Nebensache. Trotzdem wollten
die Zebras alles geben, um den Gegner möglichst früh in die Schranken zu weisen. Viele
hatten bei der MT nach den Querelen der letzten Woche mit einer Trotzreaktion gerechnet,
doch die blieb vollkommen aus. Obwohl bis auf Kontic, Kurtagic und
Wöhler
nur Nationalspieler bei Melsungen im Kader standen, bot das Team auf dem Ostseehallen-Parkett
eine Leistung, die vor allem in der ersten Hälfte selten Regionalliga-Niveau erreichte: Kaum
ein Pass kam an, das Zusammenspiel funktionierte zwischen keinem der Mannschaftsteile - die Gäste
legten einen Offenbarungseid ab, der das fachkundige Publikum in der Ostseehalle sogar
vereinzelt zu Pfiffen animierte. Freuen konnten sich die 10250 allerdings über ihre Zebras,
die mit
Pelle Linders für
Karabatic
in der Abwehr begannen. Im Angriff rückte
Dominik Klein auf
Halblinks, während zumeist
Henrik Lundström für
Linders auf die Platte kam. Und dieses Notsystem funktionierte
nach ausgeglichenen drei Minuten wie am Schnürchen und immer nach dem gleichen Prinzip:
Fehler Melsungen oder erkämpfter Abwehr-Ball, schneller Pass nach vorn, wo zumeist
Lundström oder
Klein warteten,
um zu vollstrecken. Von 8:4 bauten die Kieler ihre Führung binnen sechs Minuten auf
12:4 (17.) aus; mehr als eine Vorentscheidung gegen einen Gegner, der von Beginn an
versuchte, durch lang ausgespielte Angriffe nicht zu arg unter die Räder zu kommen. Einen
Strich machte ihnen bei diesem Unterfangen zumeist die aufmerksame Kieler Abwehr, sodass
die schnellen Angriffe weiter rollen konnten. Bei all dem Kieler Angriffswirbel verging
Tausendsassa Zoran Djordjic im Melsunger Tor sogar beinahe gänzliche seine Angriffslust, lediglich
einmal tauchte er in den ersten dreißig Minuten vor dem Kieler Tor auf - da war der Halbzeitstand
von 21:10 gerade gefallen...
 |
Stefan Lövgren wird von den Melsungener Abwehrspielern
Grigorios Sanikis (links) und Predrag Kontic (rechts) hart attackiert.
|
In der zweiten Hälfte änderte sich wenig am Spielverlauf. Der THW schaltete und waltete, nur wenn
die Zebras es durch einige Unachtsamkeiten zuließen, durfte MT ein wenig mitspielen. Diese
Chancen wusste vor allem Petr Hruby zu nutzen, der gleich fünf seiner insgesamt sieben Treffer
im zweiten Durchgang erzielte. Die schöneren Tore aber gingen immer wieder auf das Konto
der Zebras, die von den schlechten Nachrichten um das Zebra-Lazarett so gar nicht beeindruckt
schienen.
Klein foppte Djordjic mit einem Schuss durch die
sprichwörtlichen "Hosenträger",
Lövgren glänzte mit Traumanspielen
und verwandelte alle seine Siebenmeter sicher - den letzen gar per frechem Heber. Und bei
Kleins 32:14 dauerte es ganze vier Sekunden, bis der Ball von
Mattias Andersson über
Lövgren zu
Klein und von dort ins Tor flitzte (45.), ehe kurz darauf
Kim Andersson seine erneut tolle Leistung mit einem 105-km/h-Geschoss
krönte. All dies wurde Michal Kraus offenbar zu bunt, völlig unmotivierte schubste
er
Zeitz in die Bande, als der Ball schon längst wieder
auf dem Weg zum gegnerischen Tor war. Nur eine Zwei-Minuten-Strafe erhielt der Tscheche
 |
Gestoppt: Kim Andersson wird im Sprung von den Melsungener
Abwehrspielern Andrej Kurtschew (links) und Grigorios Sanikis (rechts, verdeckt) fest gemacht.
|
für dieses Frustfoul, das dem THW kurzfristig auch noch einen weiteren Linkshänder raubte:
Zeitz musste sich behandeln lassen, für ihn rückte
Henrik Lundström auf Rechtsaußen. Einen Treffer erzielte er von
der spiegelverkehrten Seite, weiteren Toren standen einmal Djordjic und zweimal der Pfosten im Wege.
Fünf Minuten vor dem Ende durfte Moritz Weltgen dann ran und
rückte auf die Mittelposition. Auch er wurde Zeuge des schnellsten Kieler Angriffes der Saison:
Parade Andersson, nach der der Ball vom Fuß des Kieler Keepers genau
in die Arme von Klein sprang - 42:22, kurz darauf war nach
Linders' 43:22 Schluss. Der THW hatte im Spiel eins ohne
Karabatic überzeugend locker gewonnen, traf dabei aber auch auf
einen völlig indisponierten Gegner. Die nächsten Wochen werden ungleich härter für den THW,
gilt es doch, mindesten die Spiele gegen Constanta, Kronau, in Wilhelmshaven, gegen Obernburg und
wahrscheinlich auch das Champions League-Achtelfinale mit nur acht gesunden Feldspielern zu
bestreiten - harte Zeiten brechen an...
(Christian Robohm)
Hier geht's zu weiteren Fotos vom Spiel...
Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.
Aus kiel4kiel.de:
THW Kiel überrennt MT Melsungen
Die Kieler Zebras hatten am Mittwoch die MT Melsungen zu Gast in der Ostseehalle. Der
amtierende Deutsche Meister wurde seiner Favoritenrolle mehr als gerecht und gewann das
Spiel mit 43:22 (21:10). Trotz der großen Verletzungssorgen drehte der THW um Leitwolf
Stefan Lövgren ordentlich auf und ging sowohl im Angriff als
auch in der Abwehr konzentriert zu Werke. Bester Werfer der Gastgeber war der schwedische
Linksaußen Henrik Lundström, der neun Tore zum verdienten
Sieg seines Teams beisteuerte.
mehr...
Weitere Fotos vom Spiel finden Sie in einer
Galerie bei kiel4kiel.de.
Ich hätte vor dem Spiel nicht gedacht, dass wir heute so hoch gewinnen können. Meine
Jungs haben gekämpft, sie haben von all unseren Problemen gewusst und trotzdem
alles gegeben. Vor allem die Tempogegenstöße haben wir heute gnadenlos
ausgenutzt. Nikola hat solche Schmerzen im rechten Arm,
dass an Werfen nicht einmal zu denken ist. Angesichts unsere Verletzten müssen wir leider
befürchten, dass die nächsten Spiele nicht ganz so gut wie heute laufen werden.
MT-Trainer Dr. Rastislav Trtik:
Heute haben wir eine Lektion des modernen Handballs erteilt bekommen. Ich kann nicht viel
Positives von meinem Team berichten, heute habe ich wirkliche keinen Raum für ein Lob.
Wir wollten attraktiver als zuletzt spielen, das konnten wir heute nicht zeigen.
Wir können an der momentanen Situation nichts ändern, müssen es so hinnehmen, wie es ist.
Dass drei Spieler auf einer Position ausfallen, war so nicht vorher zu sehen. Wir
werden aber nicht noch einmal auf dem Transfermarkt tätig. Das liegt nicht nur am Geld, sondern
auch daran, dass momentan kein Spieler auf dem Markt ist, der uns kurzfristig helfen könnte.
Angesichts unserer Verletztenliste können wir nun nicht mehr an den Erwartungen vor der
Saison gemessen werden, aber da müssen wir jetzt gemeinsam durch.
Lesen Sie auch Zwei Minuten: Die THW-Kolumne nach dem Spieltag mit Dominik Klein.
THW Kiel:-
Omeyer (1.-20., 1 Parade)
Fritz (1 Siebenmeter, 0 Paraden),
M.Andersson (21.-60., 11 Paraden);
Linders (4),
K. Andersson (7),
Lundström (9/3),
Lövgren (4/4),
Weltgen,
Ahlm (6),
Zeitz (5),
Karabatic (n.e.),
Klein (8);
Trainer: Serdarusic
MT Melsungen:-
Djordjic (10.-60., 7 Paraden),
Musil (1.-10., 1 Parade);
Brouko,
Wöhler (2),
Kurtchev (3),
Kraus,
Kontic,
Valo (1),
Hruby (7),
Stojanovic (4),
Sanikis (2),
Chalkidis,
Kurtagic,
Balomenos (3);
Trainer: Trtik
- Schiedsrichter:
-
Schaller (Leipzig) / Sebastian Wutzler (Frankenberg)
- Zeitstrafen:
-
THW: 1 (Ahlm (42.));
Melsungen: 3 (2x Kontic (29., 40.), Kraus (50.))
- Siebenmeter:
-
THW: 8/7 (Djordjic hält Lundström);
Melsungen: 1/0 (Kurtagic gegen Fritz an die Latte)
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 1:0, 3:1, 3:2, 5:2 (6.), 7:3, 8:4 (11.), 12:4 (17.), 13:6 (19.),
14:8 (21.), 16:8 (23.), 17:8 (25.), 19:8 (27.), 20:9 (29.), 21:10;
2. Hz.: 23:11 (33.), 24:11 (35.), 26:12 (37.), 28:12 (39.), 28:12 (39.),
28:12 (39.), 28:12 (39.), 30:13 (41.), 28:12 (39.), 32:15 (45.), 35:17 (48.),
36:17 (50.), 38:19 (52.), 39:20 (54.), 40:22 (57.), 43:22 (59.), 43:22.
- Zuschauer:
-
10250 (ausverkauft) (Ostseehalle, Kiel)
Aus den Kieler Nachrichten vom 09.11.2006:
Zebras sammelten Punkte im Spaziergang ein
Lockerer 43:22-Erfolg des THW Kiel gegen harmlose Melsunger - Neun Lundström-Tore
Kiel - Training in der Ostseehalle und mehr als
10 000 Zuschauer waren dabei. Der 43:22 (21:10)- Sieg
des Handball-Bundesligisten THW Kiel gegen MT Melsungen
gestern Abend hatte von Beginn an den Charakter
eines Benefizspiels. Mit einem kleinen Haken
für die Hessen - sie waren an den Einnahmen
nicht beteiligt.
Der Tag, der mit dem 13. Pflichtspielsieg in Folge endete,
hatte für den THW Kiel allerdings mit einer
Hiobsbotschaft begonnen. Im Ellenbogen des
Franzosen Nikola Karabatic
wurden freien Gelenkkörperchen entdeckt - der 22-jährige
Europameister muss operiert werden und kam nicht
zum Einsatz.
Ohne ihn stellte sich das Team von Noka Serdarusic
selbst auf. Der THW-Coach hatte den 19-jährigen
Moritz Weltgen auf die
Bank gesetzt, der mit einem Doppelspielrecht
für Kiel und den Zweitligisten TSV Altenholz
ausgestattet ist. Im Rückraum verblieb mit
Stefan Lövgren nur noch
ein gesunder Rechtshänder. Also kam Linksaußen
Dominik Klein an der Seite
seines Kapitäns auf ungewohnter Position im
rechten Rückraum zum Einsatz.
Trotz der stark gelichteten Reihen begann der Rekordmeister
souverän. Ein einziger Fehlwurf bis zur elften Minute.
Eine schnelle 8:3-Führung, die das Fundament für
einen einseitigen Handballabend liefern sollte. Die
harmlosen Melsunger wirkten wie aus einem 80er-Jahre-Video
entsprungen. In Zeitlupe wickelten sie ihre Angriffe ab,
die nur selten darauf ausgerichtet waren, am Ende auch
ein Tor zu erzielen. Kaum zu glauben, dass diese
Mannschaft in der vergangenen Saison als Aufsteiger
noch mit ihrer aggressiven 4:2-Deckung die Liga erfrischte.
Nach dem kurzfristigen Rauswurf des kroatischen Olympiasiegers
Goran Sprem (KN berichtete) versuchte der Diplom-Pädagoge
Rastislav Trtik zwar, die alte Taktik aus der Mottenkiste
zu holen. Doch die namhafen Neuzugänge, mit denen Melsungen
in dieser Saison zu neuen Ufern aufbrechen wollte, suchten
in diesem Konzept vergeblich ihren Platz. "Wir haben heute
eine Lektion über modernen Handball erhalten", haderte
Trtik mit seinen Schützlingen, die ohne Leidenschaft ihr
Programm abspulten. Getrieben lediglich von der Hoffnung,
der Sekundenzeiger der Hallenuhr möge sich an diesem Abend
schneller drehen. Trtik: "Positive Dinge sind mir bei meiner
Mannschaft nicht aufgefallen."
Obwohl "Mr. Zuverlässig" Thierry Omeyer
nicht ins Spiel fand und es später auch Mattias Andersson
im THW-Tor nicht viel besser erging, hatten die Hausherren ihren
Spaß. Nur einmal hielten Zuschauer noch den Atem an: In der
49. Minute schubste Michal Kraus den Kieler Christian Zeitz
mit Wucht in die Bande. Der Linkshänder musste anschließend
am linken Augen behandelt werden. Der Tscheche hatte Glück
und musste nur zwei Minuten lang auf der Strafbank büßen.
Zeitz kam nicht wieder.
Am Ende schickte Serdarusic ("Ich hätte
nicht gedacht, dass wir so hoch gewinnen") auch noch
Weltgen aufs Feld. Mit gesenktem
Haupt versuchte der gebürtige Schwartauer sein ungläubiges
Grinsen zu verstecken. Es war sein erster offizieller
Einsatz für den Meister. Als Mittelmann. Als "Chef"
seines Idols Stefan Lövgren.
Es war also ein Abend der Geschenke. Für Weltgen.
Für die Kieler, die selten so leicht zwei Punkte gewannen.
Für die Zuschauer, die sich zumindest am Spiel der
Schwarz-Weißen erfreuen konnten. Glück für Kiel,
dass angesichts der eklatanten Personalsorgen der
Gegner MT Melsungen hieß.
(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 09.11.2006)